Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

Es ist zwar wichtig, auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" möglichst mit Ja antworten zu können. Doch alles kann man gar nicht wissen. Etliches muss auch der versierte Fachmann nachschlagen, zum Beispiel im Orient-Kompass mit seiner umfangreichen Fachterminologie. Das Ratespiel in diesem Heft dient also allen dazu, sich ständig weiterzubilden, denn die ausführliche Auflösung folgt in der nächsten Ausgabe. Daher finden Sie in dieser Ausgabe die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe von Heimtex Orient.

Restaurieren - Fachgerechte Wiederherstellung eines beschädigten Teppichs

Restaurieren oder auch Restauration ist ein Wort französischen Ursprungs. Das Wort "restaurer" bedeutet soviel wie erneuern oder wiederherstellen. Es bezeichnet das fachlich korrekte und überaus exakte Aufarbeiten von Kunstobjekten jeglicher Art. Bedingung dabei im Gegensatz zu einer Reparatur ist, dass nach erfolgter Restaurierung von dem Schaden nichts mehr zu sehen ist. Dem Objekt darf also selbst bei kritischer Betrachtung keine Wert mindernde Beschädigung mehr anzusehen sein. Bei Teppichen ist es also Voraussetzung dafür, dass möglichst nur Originalmaterialien eingesetzt werden.

Bei der Auswahl von Restauratoren sollte man sehr kritisch vorgehen und am Besten vorher genaue Erkundigungen über das Können des Fachmanns einholen, denn schlecht ausgeführte Restaurierungen können dem Werk mehr schaden als nutzen.


Pazyryk - Fundort es ältesten bekannten Knüpfteppichs

Während einer Ausgrabungskampagne in den Jahren 1948 und 1949 fand der russische Archäologe, Prof. Sergej Ivanovitsch Rudenko, in einer Grabkammer im Pazyryk-Tal unter anderem einen hervorragend erhaltenen Knüpfteppich. Das Pazyryk-Tal liegt im Altai-Gebirge in Südsibirien. Der Teppich gehörte zur überaus reichen Ausstattung der Gruft und lag auf dem Rücken eines mitbestatteten Pferdes. Es ist belegt, dass der, nach seinem Fundort benannte, Pazyryk-Teppich zwischen 350 und 500 v. Chr. entstanden ist. Er ist somit der älteste, komplette Knüpfteppich der Welt.

Besonders erstaunlich ist, dass dieser Teppich sowohl in handwerklicher als auch in gestalterischer und farblicher Hinsicht bereits ein vollendetes Kunstwerk ist. Die Wissenschaft geht daher seit diesem Fund davon aus, dass die Knüpfkunst noch erheblich älter sein muss.

Der Pazyryk-Teppich misst ca. 1,98 m x 1,83 m und weißt 360.000 Knoten pro qm auf. Grundgewebe und Flor sind aus Schafschurwolle. Ausgestellt ist der noch hervorragend erhaltene Teppich ist in einem Souterraingewölbe in der Eremitage in St. Petersburg, Russland.


Palmetten - florales Musterdetail

Als Palmetten bezeichnet werden florale Musterdetails, die aber auch hin und wieder in stark abstrahierter Form vorkommen können. Ihre Darstellungen erscheinen wie der Querschnitt durch eine Blüte. Zur vollen Entfaltung kamen die Palmettenmuster während der Kunstepoche der Safawiden (1501-1722). Meist erscheinen sie zusammen mit anderen Pfanzenornamenten.

Es gibt mehrere Unterarten der Palmette: Blattpalmetten, Fächerpalmetten, Kelchpalmetten, Kranzpalmetten, Scheibenpalmetten und Schah-Abbas-Palmetten. Von einer Tierpalmette sprich man, wenn im Zentrum ein Tier abgebildet is. Eine Eigentümlichkeit stellen die dämonenhaften Fratzenpalmetten dar, die als Abwehr gegen den im Orient weit verbreiteten Aberglauben des Bösen Blick gedacht sind. Am häufigsten kann man diese Fratzenpalmetten in Täbris finden.


Lah - Garnstärkeangabe in Nain

Eine erste Orientierungshilfe für die Feinheit des Nain-Teppichs ist die Einstufung in Lah. Mit Lah und der dazugehörigen Ziffer bezeichnet man beim Nain-Teppich die Anzahl der Garne, die zu einem Kettgarn verzwirnt werden. Je mehr Vorgarne im Endgarn enthalten sind, desto dicker wird der Kettfaden.

Logischerweise wird dann auch der grundsätzlich um die Kettgarne gewundene Knüpfknoten voluminöser und die Knüpfung dementsprechend gröber. Woraus zu schließen ist, dass wenige Lah einem dünneren Faden entsprechen, also eine feinere Knüpfung bedingen. Die Lah-Zahl ist aber nur als grober Anhaltspunkt über die Knüpfdichte zu verstehen. In Nain selbst werden die Knüpfdichten aber auch in Cheft angegeben, eine Einstufung, wie sie im Isfahan üblich ist.

Zu Anfang waren die Nain-Knüpfereien nur auf hohe Knotenfeinheiten ausgerichtet. Mit weniger als 6-Lah verließ kaum ein Stück die bis damals noch wenigen Knüpfereien. Als Feinstes bietet der Markt sogar 3-Lah-Knüpfdichten, die Petit-Point-Stickereien gleichkommen, aber äußerst selten am Markt ist. In Europa wird sie gar nicht gehandelt.

4-Lah-Nains, eine immer noch extreme Feinheit mit bis zu 1.4 Millionen Knoten pro Quadratmeter tauchen allerdings hin und wieder auch im Abendland auf. Um dennoch den Markt für erschwingliche Teppiche zu bedienen, befriedigte man bald auch den Wunsch nach preislich moderateren Knüpfeinstellungen und lieferte 9-Lah, die im Laufe der Jahre einen ständig wachsenden Produktionsanteil einnahmen. Im täglichen Gebrauch sind die 9-Lah-Knüpfungen robust und dauerhaft.

Die gröbsten Nain-Knüpfungen aus Kaschmar und Tabas haben sogar 12-Lah, was aber meist verschwiegen wird.


Güll - Musterdetail in turkmenischen Teppichen

Bei Orientteppichen steht das Güll, manche schreiben auch Göll, für das geometrische Primärornament, das meist bei turkmenischen Stücken vorkommt.

Die meisten heutigen Gülls sind zugleich eine Art Stammeszeichen, der ursprünglich in den Weiten West- und Ostturkestan nomadisierenden Turkmenenstämme. Unterschieden wird nach so genannten lebenden und "toten" Gülls. Letztere sollen Relikte untergegangener Stämme sein. Die verschiedenen Gülls kann man folgenden Völkerschaften und Unterstämmen zuordnen: Tekke, Yomoud, Ogurdschali, Salor, Ersari, Saryk und Tschaudoren

Bestens bekannt sind die Gülls durch die Bucharateppiche, worin sie in laufendem Rapport aneinandergereiht in laufendem Rapport das gesamte Innenfeld. Fast immer werden sie von kleineren Gülls begleitet, so dass man von Haupt- und Nebengüll spricht.


Jagdteppich - Teppich mit Jagdmotiven

Jagdszenen sind ein beliebtes Motiv in heutigen Knüpfungen der Provenienzen Ghoum, Isfahan, Täbriz und Keschan, aber auch in Kaschmir- und Pakistanteppichen.

Die Jagdmotive folgen fest verankerten Richtlinien: Zwischen den berittenen Jägern kann man immer mit Sicherheit den Shah ausmachen. Der Herrscher besitzt das alleinige, bereits seit sumerischen Zeiten gehütete Privileg, den Löwen zu erlegen. Der König der Tiere lebte seinerzeit noch im weiten vorderasiatischen Raum und war für "Niedere" unantastbar. Die anderen Jagdgenossen erlegen Leoparden, Gazellen und anderes, schnellfüßiges Wild. Bisweilen führt der eine oder andere auch einen Greifvogel auf der Faust.


Jurte - Rundzelt der zentralasiatischen Nomaden

Die Jurte ist ein kuppelartiges, mit schweren Filzdecken belegtes, geräumiges Nomaden-Rundzelt aus dem zentralasiatischen Raum. Der Durchmesser beträgt ca. 8-19 m, die Höhe ca. 3-4 m. Oben in der Mitte ist eine Öffnung für den Rauchabzug. Die Tür der Jurte besteht aus Holz. Die Konstruktion besteht aus einem hüft- bis mannshohen Scherengitter, dem eine selbst tragende Haube aufgesetzt wird. Dadurch kann auf einen störenden, zentralen Stützpfeiler verzichtet werden.

Der Punkt, wo Dach und das Scherengitter aufeinander treffen wird anschließend innen reihum mit einem entsprechend langen, friesartigen Zeltband geschmückt, das die Turkmenen Yolami nennen. An der Innenseite der Tür wurde früher ein Hatschlou (Enssi) aufgehängt. Des weitern wird ein Dielenfußboden eingebracht, der als wärmende Bodenunterlage mit sog. Koschmas abgedeckt wird. Hierauf kommen bei den Teppich knüpfenden Turkmenen dann Web- und Knüpfteppiche.


Ghombademasdjid - Moscheekuppel-Design

Das im Iran als Ghombademasdjid bezeichnete Moscheekuppeldessin ist erst noch ein recht junges Design, dass erst im letzen Viertel des 20 Jahrhunderts entstanden ist. Auslöser und Antrieb war sicher die im Iran einsetzende Rückbesinnung auf den Islam mit der Hinwendung zur Moschee. Vorläufer sind bekannt, die bei kleineren Moscheen als visuelles Gegenstück unter der Kuppel lagen und noch liegen.

Bei dieser Dessinierung wird versucht die dreidimensionale Architektur einer Moscheekuppel auf dem zweideminionalen Knüpfteppich abzubilden, was viel Einfühlungsvermögen verlangt. Da man das Muster proportional sehr genau anordnen, ja errechnen muss, wird es erst auf Millimeterpapier Knoten für Knoten vorgezeichnet und dann hauptsächlich in besonders akribisch arbeitenden Manufakturen in Flor umgesetzt, quadratisch und rund. Für diese Entwurfsarbeiten gibt es für jede Knüpfdichte ein entsprechend aufgeteiltes Millimeterpapier, so dass man die Knotendichten beim Musterzeichnen oder später beim Knüpfen nicht umzurechnen braucht. Hervorgetan in diesen Knüpfungen haben sich die Provenienzen Täbriz, Isfahan und Nain. Derartige Muster unterschreiten kaum einmal 450.000 Knoten pro qm.
aus Heimtex Orient 06/06 (Teppiche)