Verbundgruppen kämpfen bei der EU für direkte Herstellerhaftung


Die EU-Kommission überlegt seit einigen Monaten eine entscheidende Weiterentwicklung der europaweiten Haftung für fehlerhafte Produkte. Mit einer Neufassung der Richtlinie 1999/44/EG könnte es Konsumenten ermöglicht werden, sich bei Gewährleistungsansprüchen nicht nur wie bisher an den Verkäufer, sondern stets auch an den Hersteller der betroffenen Ware zu wenden. Dies ist in manchen EU-Mitgliedsstaaten bereits möglich; eine einheitliche Regelung für die Europäische Union wäre jedoch eine markante Weiterentwicklung auf diesem Rechtsgebiet, das für die bald 490 Millionen EU-Bürger unmittelbaren Alltagsbezug hat.

Die UGAL (Union der Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler Europas) unterstützt diese Überlegungen in Hinblick auf die Vorteile, welche dadurch den Konsumenten erwachsen würden.

Ein fiktives Praxisbeispiel unterstreicht die Bedeutung einer entsprechenden Neuregelung: Ein Bürger aus Schweden kauft in seinem Urlaub in Spanien einen Rasierapparat. Nach seiner Rückkehr kommt es aufgrund eines Fabrikationsfehlers zu Gewährleistungsansprüchen. Der Bürger könnte diese künftig beim Hersteller geltend machen, ohne sich zuvor an den Elektrohändler in Spanien wenden zu müssen. Üblicherweise wird das für den Konsumenten eine wesentliche Verbesserung sein, da die Hersteller hinsichtlich der Gewährleistungsfälle für ihre Artikel über deutlich umfassenderes Know-how verfügen als die Händler. Für die Handelsbetriebe wiederum ist es eine Entlastung, bei Gewährleistungsfällen nicht mehr die Ansprüche des Konsumenten befriedigen zu müssen und sich anschließend beim Hersteller zu regressieren. Der direkte Kontakt zwischen Hersteller und Konsument verkürzt somit die Abwicklung, indem der Handel als "Zwischenstation' aller Informationen und Kommunikation umgangen werden kann. Ein weiterer positiver Effekt dieser Neuregelung käme zum Tragen, wenn Verkaufsstellen im Einzelhandel endgültig geschlossen werden, z.B. aufgrund fehlender Betriebsnachfolge oder aus wirtschaftlichen Gründen. Hier kann es unter geltendem Recht dazu kommen, dass Konsumenten ihre Ansprüche nicht geltend machen können, da das Gegenüber als Rechtssubjekt nicht mehr existiert. Dieses Problem ist gelöst, wenn sich der Konsument alternativ an den Hersteller wenden kann.

Denis Labatut, Generalsekretär der UGAL, zum Standpunkt der Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler Europas: "Eine EU-weite Regelung in diesem wichtigen Bereich würde den Konsumenten und dem Handel gleichermaßen Vorteile bringen. Ein Gewährleistungsfall hat öfters ein belastendes und dauerhaftes Verfahren für alle Beteiligten zur Folge; umso sinnvoller ist es, hier Regelungen zu schaffen, die im gemeinsamen Interesse von Verbraucher und selbständigen Einzelhändler liegen. Das juristische Flickwerk, das in diesem Bereich Europa überzieht und in jedem Land eigene Regelungen vorsieht, bedarf einer Vereinheitlichung unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes und der Stimulation des grenzüberschreitenden Einkaufens. Eine solche Vereinheitlichung schafft letztlich eine Win/win-Situation für alle Marktteilnehmer.'

Die UGAL ist der europäische Dachverband der bedeutendsten Verbundgruppen selbstständiger Einzelhändler im Food- und Non-Food-Bereich. Sie vertritt mehr als 323.000 selbständige Einzelhändler, die einen Einzelhandelsumsatz von über 496 Mrd. Euro erzielen und rund 456.000 Verkaufsstellen innerhalb von ca. 33 Verbundgruppen und Vereinigungen von Verbundgruppen in Europa betreiben. Gemeinsam beschäftigen sie rund 3,48 Mio. Beschäftigte und erzielen einen Großhandelsumsatz von über 222Mrd. Euro.
aus BTH Heimtex 01/07 (Handel)