Fritz Langauer berichtet über den Einkauf von Teppichen in Afghanistan

Fast alle Anbieter führen Teppiche, die von Afghanen geknüpft werden. Leider interessiert es aber wenige von uns, an welchen Orten und von welchen Volksgruppen diese Teppiche produziert werden. Die kritische Lage des Landes ist bekannt. Hier ein Bericht über den Teppicheinkauf in dem von Kriegen zerrissenen Land.

Dass afghanische Knüpfer nicht mehr ausschließlich "rote" Afghan-Ware herstellen sondern dass sich Bild und Struktur der "Afghanen" in den letzten Jahren maßgeblich verändert haben, ist wohl allen hinlänglich bekannt. Bedingt durch die Flucht von Millionen von Afghanen aus der kriegsgeschüttelten Heimat in den Osten des Irans, vor allem aber nach Pakistan und durch das jahrelange Importverbot von iranischen Produkten in die USA sind vor allem in Pakistan neue Teppicharten entstanden, die mit dem überall bekannten "Afghan" kaum mehr etwas gemeinsam haben.

Eigentlich teilen sich diese "Neuen" nur in zwei Arten - nämlich so genannte Kazak und Choubi. Allerdings gibt es bei beiden Arten große Qualitätsunterschiede und sie erfreuen sich auch unzähliger verschiedener Namen. Meist sind sie mit handgesponnener Wolle geknüpft und haben entweder kaukasische oder persische Motive.

Geknüpft wird hauptsächlich von Turkmenen und von Hazara, aber auch von Uzbeken und Tadschiken und im Westen Afghanistans auch von iranischstämmigen Afghanen

Durch die Befriedung der letzten Jahre - besonders im Norden des Landes wo die meisten Teppiche hergestellt werden - sind viele der Flüchtlinge wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Bei den oben erwähnten "neuen" Teppichsorten ist heute nicht feststellbar, ob solch ein Exemplar im nördlichen Osten Pakistans oder in Afghanistan geknüpft wurde. Die "Knüpfhandschrift" ist jedenfalls afghanisch bzw. turkmenisch. Bis dato ist es nämlich noch nicht gelungen, Pakistani diese Teppicharten knüpfen zu lassen. Die Struktur der "Neuen" unterscheidet sich eben deutlich von der Struktur der pakistanischen Buchara und Sutri.

Das Herstellen eines Teppichs in Afghanistan hat aber den Vorteil, dass die Kosten dort noch niedriger sind als in Pakistan. Die Oritop, früher Zürich und nun in Wien, nimmt durch ihre Jahrzehnte alten Beziehungen, die noch in die Zeit vor dem Krieg zurückreichen, diese Vorteile wahr. Bazarware wird in Kabul und in den nördlich gelegenen Städten Afghanistans Achce, Andkhoy, Mazar-e-Sharif und anderen eingekauft. Die Eigenproduktionen kommen sowohl aus dem Norden Afghanistans, aus Kabul oder eben nach wie vor aus der Gegend zwischen Peshawar und Islamabad in Pakistan. Bei vielen dieser Teppichsorten kann man heute nicht erkennen, ob ein Teppich in Afghanistan oder Pakistan geknüpft wurde.

Jedoch gibt es zurzeit noch keine wirklich gute Wäscherei in Afghanistan. In Kabul ist der Winter zu kalt, in Achce das Wasser zu schlecht und in Mazar war bis heute niemand bereit zu investieren, obwohl der Export von dort aus, wenn auch schwieriger, durchaus möglich wäre. Die Oritop kauft den Großteil ihrer Teppiche ungewaschen in Afghanistan. Ungewaschene Teppiche muss man von der Rückseite beurteilen, da man ob des hohen ungeschorenen Flors von der Vorderseite weder Muster noch Farben sieht. Dies bedarf natürlich einer zusätzlichen Erfahrung. Diese Teppiche werden dann nach Pakistan (Peshawar oder Lahore) zur Veredlung verschickt. Am pakistanischen Zoll gehen diese Sendungen unbedarft vorbei, denn den Vorteil der Devisen hat dann Pakistan als Exportland.

Für die Oritop sind laufend Einkäufer in Afghanistan unterwegs. Große Vorteile bringen die Nachlässe bei sofortiger Zahlung, denn ein Zahlungsziel von vier und mehr Monaten ist die übliche Regel. Natürlich wird in Afghanistan alles mit der Landeswährung (1 US-Dollar = 50 Afghani) bezahlt, nur die Teppiche werden ausschließlich in Dollar gehandelt. Alleine daraus kann man die labile Wirtschaftslage dieses kriegsgeschüttelten Landes ersehen..

Die tiefer stehende Aufstellung soll eine Vorstellung vom Spesenaufwand beim Einkauf in Afghanistan geben und auffordern Überlegungen und Vergleiche mit unserer Spesenstruktur anzustellen.

Bei genauerem Betrachten und Vergleichen mit unseren Spesen in Europa wird man verstehen, warum orientalische Lieferanten bei Wäsche, Spannen und Service sparen.

Die nochmalige oder bessere Wäsche kostet nur einen knappen Dollar pro Quadratmeter mehr. Dieser Betrag ist für uns gering, noch dazu, wo eine gute Wäsche besonders wichtig ist. Für unsere Afghanen oder Pakistani ist dieser Betrag aber eminent. Man spart eben an allem.

Solche Daten sollten geeignet sein unser Bewusstsein aufzurütteln:
- Wie gut es uns im Westen geht.
- Wie preiswert für uns orientalische Handarbeit ist.
- Wie falsch, ja wie irr das Marketing unserer Branche ist. Sie ist unfähig, die Vorteile und den Nutzen dieser Preisgünstigkeit dem Konsument zu erklären.
aus Heimtex Orient 01/07 (Teppiche)