Laminat auf der Domotex

Laminatbranche im Umbruch - wer kauft wen?

Hinter den Kulissen der Laminatbranche braut sich etwas zusammen. Dort zeichnet sich in nicht allzu ferner Zukunft ein massiver Konsolidierungsprozess ab, in dem die Karten im Markt völlig neu gemischt werden. Die Frage ist nur: Wer kauft wen? Alle scheinen wie gebannt darauf zu warten, dass der Damm bricht und der erste große Merger bekannt gegeben wird...

Zwei Themen beherrschten die Laminatbranche auf der diesjährigen Domotex. Nein, wir wollen hier nicht von der leidigen Konkurrenz mit der Bau sprechen. Dazu bleibt nur eins zu sagen: Wer Export und den klassischen Bodenbelagshandel will, muss in Hannover präsent sein, für die süddeutsche Kundschaft und die Klientel aus dem Holzbereich - sei es Handel oder Handwerk - bietet München die bessere Plattform. Etliche Laminatanbieter haben sich daher für einen alternierenden Messerhythmus entschieden: Ein Jahr Domotex, das andere Bau. Nur wenige leisten sich die Teilnahme an beiden Veranstaltungen, wie Meister Leisten oder Balterio, waren damit aber durchaus zufrieden.

Zurück zum Ausgangspunkt. Thema 1: Patentstreitigkeiten. An sich gehören sie mittlerweile zum normalen Gang in der Branche. Bis auf die betroffenen Parteien regt sich auch keiner mehr so richtig darüber auf.

Auf der Domotex gewann das Thema insofern auf breiter Front an Aufmerksamkeit, als dort am letzten Tag der Gerichtsvollzieher bei einigen chinesischen Anbietern aufmarschierte und über 2.000 Laminat- und auch Holzboden-Elemente bei ihnen einkassierte. Die Asiaten hatten unverfroren ihre Kopien westeuropäischer Produkte auf dem Stand ausgestellt - nicht wissend oder ignorierend, dass Patentverletzungen hierzulande rigoros verfolgt werden und die Patentinhaber mit Argusaugen über die Einhaltung ihrer Rechte wachen. Wobei ein Unternehmen sogar nicht nur die Profile imitiert hatte, sondern sich in seiner Werbebroschüre auch an Bildern von Unilin bedient hatte.....

Da über das Wochenende kein gerichtlicher Unterlassungsbefehl zu bekommen war, dauerte es dann trotz Schnellklage von Unilin doch bis Dienstag, ehe die Nachahmungen beschlagnahmt werden konnten. Yekalon Industry Inc. (Shenzhen), Hangzhoo Singular Wood Industry Manufactory (Hangzhou), Oceanic Company Ltd. (Shanghai) und Zhejiang Shaoxing Fudeli Timber Industry (Shaoxing) wurden von dem Manöver überrascht, Nanhing Rolland Flooring Product (Nanjing) hatte wohl schon Lunte gerochten und seinen Stand geräumt, als der Gerichtsvollzieher anrückte.

Die beiden Unilin-Geschäftsführer Frans de Cock und Bernard Thiers gaben sich im Gespräch mit BTH Heimtex wohl gelassen, ließen aber dennoch keinen Zweifel daran, dass sie ihre Patente weltweit mit allen legitimen Mitteln gegen jedwede Verletzung schützen werden, "denn das ist unser geistiges Eigentum". In Europa und Nordamerika ist dies einfacher als in Asien. Gerade China ist ein unübersichtlicher Markt, in dem westliche Rechtssysteme nur schwer greifen dürften.

Thema 2 schwelt mehr hinter den Kulissen, zieht sich durch die Gespräche, ist Gegenstand von Spekulationen und Hypothesen: Wer kauft wann wen? Es ist kein Geheimnis, dass mehrere Laminatbodenhersteller zum Verkauf stehen - auch große. Für die insolvente Hornitex-Gruppe fanden sich unlängst nach längerer Zeit Käufer; über Witex, seit 2003 unter Kuratel von Insolvenzverwalter Wolfgang van Betteray, sollen derzeit zwei Finanzinvestoren aus Deutschland und den USA verhandeln. Der amerikanische Interessent hatte im Sommer 2004 bereits die US-Vertriebstochter von Witex übernommen.

Bei Witex ist zur Zeit noch mehr im Gange: Bei der Nachfolge-Gesellschaft hat sich Vertriebs-Geschäftsführer Hermann Pooth verabschiedet, offiziell, "um wieder als Unternehmensberater zu wirken". Ein bißchen merkwürdig erscheint dem aufmerksamen Beobachter der plötzliche Abgang und das kurzfristige Nachrücken von Nachfolger Karl Heinz Scholz aber schon. Ob das damit zusammen hängt, dass Witex 2004 die angestrebten Absatz- und Umsatzziele verfehlt hat? Allerdings sei ein "ordentliches positives Ergebnis deutlich über Plan" eingefahren worden, hieß es auf der Domotex.

Wie auch immer: Grundsätzlich fühlt man sich in Augustdorf wieder auf sicherem Boden, will 2005 wieder offensiver an den Markt und sich als Hochwert-Anbieter mit Führungsanspruch bei Design und Technik repositionieren. Das wird eine der wesentlichen Aufgaben des neuen Chefstrategen Scholz sein, der sich dynamisch, zielstrebig und aufgeschlossen präsentiert.

Inzwischen ist auch allmählich durchgesickert, dass sich die Partnerschaft von Tarkett und Egger dem Ende zuneigt - obgleich das gemeinsame Joint-Venture bestens funktioniert habe, wie beide Seiten versichern. Egger will jetzt offenbar mit einer neuen Marke den Zugang zu neuen Vertriebskanälen suchen, sprich dem Baumarkt-Bereich, um rechtzeitig ein Ventil für die durch den Wegfall von Tarkett freiwerdenden Kapazitäten zu finden - immerhin wollen locker 12 Mio. qm untergebracht sein. Tarkett seinerseits hat so viel Geschmack an Laminat gefunden - Laminat boomt bei dem Konzern -, dass man doch gerne mit einer Produktion autark wäre. Der weitblickende Vorstandsvorsitzende Marc Assa hat mit Sicherheit schon potenzielle Kandidaten sondiert. Es ist anzunehmen, dass sich hier bald etwas bewegt.

Offensiv auf Brautschau ist auch Pfleiderer, wobei sich der verschlankte Konzern mehr für die vorgelagerte Marktstufe interessiert. Erst im vergangenen Herbst hatten die Franken das MDF-Werk Nidda von Hornitex übernommen, noch im Dezember unterschrieben sie ein Letter of Intent über einen möglichen Erwerb von Holzwerkstoffhersteller Kunz. Derzeit betreibt Pfleiderer die Due Diligence, die bis Redaktionsschluss noch nicht beendet war. Pikant an der ganzen Geschichte ist, dass Kunz neben Laminataktivitäten in den USA und diversen Span- und MDF-Produktionen auch eine MDF-Fertigung im brandenburgischen Baruth unterhält: in unmittelbarer Nähe und eng vernetzt mit dem dortigen Laminatwerk von Classen. Classen wiederum hält 40% an dem Kunz-Betrieb und - steht auch zum Verkauf.

Ähnliche Verflechtungen gibt es in Belgien bei der Spano-Gruppe der Familie Vanden Avenne, die zwar allein über ihre Holzwerkstoff-Unternehmungen herrscht, aber nur 50% von Laminathersteller Balterio kontrolliert. Die anderen 50% liegen über Balta beim britischen Finanzinvestor Doughty Hanson. Um die Spano-Formation wetteifern nach belgischen Zeitungsberichten drei Bieter, darunter der portugiesische Holzwerkstoffriese Sonae, zu dem auch Glunz gehört, sein spanischer Wettbewerber Finsa und auch Unilin soll seine Fühler ausgestreckt haben. Doughty Hanson seinerseits würde sich bei Balterio gerne unabhängig von einem Partner machen und seinen 50%-Anteil aufstocken, hat auch Vorkaufsrecht, interessiert sich aber nicht für die Spanplatten-Betriebe.... Das Problem an der ganzen Geschichte: Familie Vanden Avenne soll nicht geneigt sein, Teile aus der Spano-Gruppe herauszulösen, sondern will nur komplett verkaufen....

Bleiben wir in Belgien. Interessant zu beobachten sein wird das weitere Vorgehen von Unilin. Das 1960 gegründete Unternehmen gilt als eine der Kronjuwelen der flämischen Industrie: Expansiv, gesund und gut geführt. Frans de Cock und Bernard Thiers, die innerhalb der Führungsspitze für die Laminatdivision verantwortlich sind, stellen ein kompetentes, eingespieltes Team dar und gerade der 62jährige De Cock, seit 36 Jahren in Wielsbeke am Ruder, ist ein alter Fuchs, der jeden kennt und das Gras in der Branche wachsen hört. Und Unilin ist momentan sehr aktiv: baut in den USA ein Laminatwerk, hat einen kleineren Beschichter übernommen und im vergangenen Herbst mit Pergo über eine Übernahme verhandelt, was allerdings an unterschiedlichen Preisvorstellungen scheiterte. Die Belgier gehören mit Sicherheit zu denen, die die weitere Zukunft der Laminatbranche aktiv mitgestalten.

Das gilt übrigens auch auf Produktseite: Die Neuentwicklungen von Unilin, etwa der Matt-Glanz-Effekt durch spezielle Prägung, der jetzt auch die authentische Reproduktion dunkler Hölzer möglich macht, gehörten zum Besten, was an Neuheiten bei Laminat zu sehen war. Aus dem Standardangebot heraus ragten auch die Programme von Tarkett, Schulte Räume und Alloc. Neben den immer perfekter werdenden Oberflächen - die matt sein müssen, wie geöltes Parkett - sind weiterhin Schmaldielen ein Thema.
aus BTH Heimtex 02/05 (Wirtschaft)