Objektbeläge, Laminat, Parkett, Kork und Verlegewerkstoffe

Bau zieht Produktgruppen von der Domotex ab

Die alle zwei Jahre stattfindende Münchner Bau gilt als "die" deutsche Messe, wenn man Architekten und Planer treffen will. Das zog in diesem Jahr eine ganze Reihe an Bodenbelags-Ausstellern an, die sich von einem Auftritt in der bayrischen Metropole Kontakte zu dieser begehrten Zielgruppe erhofften, die sie auf der Domotex vermissen, darüber hinaus auch Kunden aus dem Handwerk. Gut vertreten waren die elastischen Objektbeläge, noch stärker präsent Laminat, Parkett und die Verlegewerkstoffe, so gut wie komplett dabei war der Korkbereich. Und auch einige Teppichboden-Anbieter hatten die Bau der Domotex vorgezogen - zu Recht?

Weil sich manche Anbieter - vor allem objektorientierte - auf der Domotex nicht mehr richtig aufgehoben fühlen, wandern sie zu anderen Messen ab und hoffen dort, die Zielgruppen zu treffen, die sie auf der weltweit größten Bodenbelagsmesse vermissen: Architekten, Planer und auch das Handwerk. Besonders viel versprechen sie sich dabei von der Münchner Bau. Die alle zwei Jahre stattfindende Mammut-Veranstaltung gilt als "die" Architekten-Veranstaltung in Deutschland und zieht deshalb alle Produktgruppen an, mit denen ein Architekt, Planer oder General-Unternehmer irgendwann einmal zu tun haben könnte: Vom Schnellzement bis zum Fensterbeschlag, vom Fassadensystem bis zur Heiztechnik von der Lärmschutzwand bis zum Urinal. Dementsprechend lang war immer die Warteliste für einen Messestand.

In diesem Jahr litt aber offenbar auch Bau unter Aussteller-Schwund, denn obgleich die Messegesellschaft schon Monate vorher "erneut ausgebuchte Standflächen" meldete, gelang es neuen Interessenten problemlos Platz zu bekommen. Auch die ausgedehnten "Ruhezonen" und meterlangen Trennwände, beispielsweise in Halle A 6, sprechen dafür. Tatsächlich war die Teilnehmerzahl von 1.824 (2001) auf 1.780 geschrumpft.

Die Bodenbelags-Aussteller waren bis auf wenige Ausnahmen - Freudenberg in B 6, Anker ganz abseits in C3 - in Halle B 5 platziert. Die Stimmung unter ihnen war gut. Tarkett Sommer Objekt-Geschäftsführer Ivo Schintz freute sich über die "vielen guten neuen Kontakten, auch für Jahresgespräche", Amorim-Chef Wolfgang Mohr verspürte eine "enorme Resonanz auf die Neuheiten", Armstrong Floor Products Europe-Vertriebsleiter Jorge Haberl zeigte sich ebenfalls "sehr zufrieden" mit der Messe und Anker Vertriebsleiter Helmut Knackstedt schwärmte gar von "der besten Messe seit Jahren".

Die Zahlen der Messegesellschaft scheinen diese positiven Einschätzungen zu stützen. 180.000 Besucher wurden in diesem Jahr registriert, das sind zwar 8% weniger als bei der letzten Bau vor zwei Jahren, "aber ein geringerer Rückgang als befürchtet werden musste". Wie üblich wird als Ausgleich damit argumentiert, dass "die Qualität der Fachbesucher und die Zahl der Entscheider gestiegen" sei. Auch die internationale Bedeutung der Bau habe weiter zugenommen: Der Anteil der Auslandsbesucher stieg um 9% auf über 30.000 aus mehr als 100 Ländern, vor allem China, Japan, der Türkei und Russland. Weniger Gäste kamen dagegen aus den Nachbarländern Österreich, Italien und der Schweiz.

Also alles bestens auf der Bau? Nein, so einfach ist es nun auch wieder nicht. Erstens war mancher von den Bodenbelags-Anbietern, die sich der Presse gegenüber so euphorisch gaben, anderen Gesprächspartnern - etwa aus dem Großhandel - gegenüber gar nicht mehr so uneingeschränkt begeistert von der Messe. Das erinnert sehr an den Heimtextil-Hype der Bodenbelagsindustrie im vergangenen Jahr, der in diesem merklich abgeflaut ist. Zweitens kochen auch die Münchner nur mit Wasser. Da wird beispielsweise im Messe-Nachbericht ein Architekten-Anteil von 18% bzw. 32.400 unter den Besuchern genannt. Angesichts einer Zahl von nur 40.000 Architekten in Deutschland scheint das relativ hochgegriffen - selbst wenn man noch die Ausländer einkalkuliert.

Dann ist der Vorteil der Bau für besagte Architekten, Planer und Generalunternehmer - der gewerkübergreifende Komplettüberblick über den aktuellen Stand der Bau- und Ausbautechnik - ein Nachteil für die einzelnen Aussteller, die mit zahlreichen Produktgruppen um die Aufmerksamkeit der Besucher buhlen.

Höchst besucher-unfreundlich sind die verschachtelte Hallen-Aufteilung, die Überblick und Orientierung erschweren und die engen Gänge, bei denen man - vor allem wenn man es eilig hat - permanent jemanden anrempelt oder auf die Füße tritt. Es kann doch nicht so schwierig sein, dies besser zu gestalten. Auch die Infrastruktur bei der Anreise zur Messe lässt zu wünschen übrig. Wir wissen von Autofahrern, die Stunden brauchten, um in die Parkhäuser zu gelangen. Das kostet Nerven. Die mussten die Aussteller wohl auch beim Standaufbau beweisen; teilweise habe das "blanke Chaos geherrscht", war aus dem Parkettbereich zu vernehmen.

In Frage gestellt wird zudem die lange Messedauer. Dass in diesem Jahr ein Wochenende "geschrammt", aber nicht voll erfasst wurde, spürten die Anbieter, die auf Kunden aus dem Handwerk angewiesen sind: "An die Inhaber kleinerer Betriebe, die meist nur sonntags Zeit finden, hat man nicht gedacht". Auch das Argument für eine Überschneidung mit der Domotex - Rücksicht auf den engen Zeitrahmen ausländischer Besucher - wird nur von wenigen akzeptiert und dürfte ohnehin nur vorgeschoben sein. Diese Überschneidung ist völlig irrsinnig; sie schadet beiden Messen, deren Aussteller und Besucher auf jeden Fall größeren Deckungsgrad aufweisen, als der von Domotex und Kölner Möbelmesse, die in diesem Jahr ebenfalls zwei Tage parallel liefen. Die Hannoveraner wollen sich um eine Entzerrung bemühen, ließen gegenüber BTH Heimtex aber durchblicken, dass ihre Münchner Kollegen bislang wenig Entgegenkommen signalisiert hätten.

Nun geht es nicht darum, die Bau schlecht zu reden. Zweifellos kann die Bodenbelags-Industrie dort Besucher erreichen, die nicht zur Domotex kommen. Das sind nicht nur Objektentscheider, das sind auch Handwerker - Bodenleger, Parkettleger, Schreiner - aus dem süddeutschen Raum und den angrenzenden Nachbarländern, die den langen Weg nach Hannover scheuen. Nicht umsonst sind die Parkett-Anbieter schon seit Jahren stark auf der Bau präsent - zumal sie mit dem Holzhandel, für den München durch das breite Angebot im Holz- und Holzwerkstoffbereich interessant ist, eine weitere interessante Zielgruppe treffen. Nur vereinzelt ist auf der Bau der Bodenbelags-Großhandel zugegen - der informiert sich vorher lieber breiter in Hannover - und vergeblich sucht man den klassischen Fachhandel unserer Branche.
aus BTH Heimtex 03/03 (Wirtschaft)