Tapeten auf der Heimtextil

Platzverweis für die Tapete?

Über alle Konkurrenzen und Empfindlichkeiten hinweg gab es auf der Heimtextil etwas, das ausnahmslos alle in der Halle 5.1 miteinander verband: Die Idee der Messeleitung, die Tapetenaussteller im nächsten Jahr in die Halle 4.0 zu verlegen, wurde als völlig absurd verworfen. Wenn daraus mehr als eine Idee werden sollte, droht die Branche abzuwandern. In der Tapetenhalle vermisst wurden jene, die freiwillig den Platz in Halle 5.1 geräumt haben und wie die meisten Verlage in die stofflastige Halle 3.1 umgezogen sind - und zwar sowohl von Mitbewerbern als auch von Besuchern. Und während manche noch über Risiken im russischen Markt nachdenken, ist einer schon aufgebrochen: Erismann wird als erster deutscher Tapetenhersteller ab März in Russland produzieren.

TV-Star Senta Berger, perlendes Wasser, Wellness-Aspekte, Natur pur für die Wand und Metalleffekte - die Tapetenanbieter in Halle 5.1 und 3.1 auf der Heimtextil boten einiges auf, um die Besucher für die Tapete zu interessieren. Das gelang ihnen auch - zumindest nach dem ersten Tag, der etwas zäh anlief, erlebte man voll besetzte Messestände, einen Geräuschpegel in der Halle, der dem Summen eines Bienenhauses gleichkam und geschäftige Atmosphäre allerorten.

Die Stimmung war dieses Jahr deutlich besser als im letzten, war das einstimmige Resümee, auch Aufträge seien geschrieben worden, obwohl Frankfurt sich eigentlich schon lange von der Ordermesse weg entwickelt habe. Ist das das Signal für den lange ersehnten Aufschwung? Wohl noch nicht ganz, gibt sich die Branche vorsichtig und rechnet eher damit, dieses Jahr noch ein Tal durchschreiten zu müssen, bevor es wieder richtig anziehen könnte. 2003 wird lieber schnell abgehakt, weil es noch einmal richtig in den Keller ging. Inzwischen zeichne sich im Inland allerdings eine positive Entwicklung ab, spricht Geschäftsführer Klaus Kunkel für den VDT (Verband der Deutschen Tapeten-Industrie), ohne konkrete Zahlen zu nennen. Erst will er das Frühjahr abwarten, um eine Prognose abzugeben. Die Erholung des deutschen Marktes könnte das schwächelnde Osteuropa-Geschäft ausgleichen. Dort hat - vor allem im Russland - der hohe Euro-Kurs und die zunehmend besser arbeitende einheimische Konkurrenz den westeuropäischen Tapetenherstellern das Leben etwas schwerer gemacht.

Obgleich das Auslandsgeschäft nicht mehr automatisch der Wachstumsträger wie in früheren Jahren ist, spielt es dennoch eine unverändert wichtige Rolle. Wer unter den deutschen Herstellern den Vorjahresumsatz gehalten hat, oder sogar zugelegt hat, hat fast immer auch ein gutes Standbein im Export. Wie wichtig die Märkte im Osten sind, zeigt sich übrigens in vielen Karten, in denen die opulenten, barocken Dessins ins Auge fallen, die die Russen offensichtlich lieben. Die Debatte um die russischen Importzölle hat sich etwas beruhigt. Erismannn-Geschäftsführer Peter Bercher hat darüber mit dem Vorsitzenden des russischen Verbandes der Tapetenindustrie gesprochen; danach will man weg von der Kilo-Verzollung, hin zu Eckpreisen, das sei bereits verabschiedet. Die aufgehobenen Zölle auf Rohstoffe sollen dagegen kommen.

Erismann und Sügravo zieht"s nach Russland

Das würde Erismann übrigens direkt betreffen: Die Breisacher zeigen nämlich "Mut zum Risiko", wie es ein Mitbewerber formulierte und investieren als erster westeuropäischer Tapetenhersteller in ein Werk vor Ort. Mit 75 Mitarbeitern, davon 5 deutschen, soll Anfang März die Produktion im russischen Voskresensk aufgenommen werden. Der Ort liegt im Großraum Moskau, rund 80 km südöstlich vom Zentrum entfernt. "Wir gehen dahin, wo der Markt wächst," erklärt Bercher, " Russland ist mit 200 Millionen Rollen pro Jahr der größte Markt. Wir produzieren dort Schaumtapeten."

Erismann ist der Pionier, Sügravo zieht mit der Walzenproduktion nach, will Mitte des Jahres am gleichen Standort starten.

Vlies-Preis stark unter Druck

Die positive Stimmung auf der Heimtextil konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Marktsituation immer noch angespannt ist. Im Inland und in Westeuropa scheint sich der Markt etwas zu erholen. Frankreich gewinnt an Bedeutung für einige Hersteller, etwa für AS Création, die dort zwei Tapeten-Grossisten übernommen haben, und so ihre Position in ihrem wichtigsten Exportmarkt verstärken.

Weniger erfreulich stellt sich die Situation in den USA dar, dort herrscht eine tiefe Rezession und in Asien, wo erst SARS die Entwicklung bremste und jetzt die Vogelgrippe für einen weiteren Negativimpuls sorgen könnte.

Unverändert hart ist der Margendruck. Umso unverständlicher ist daher, was mit dem ursprünglich sehr hochwertige angesetzten Produkt Vliestapeten passiert. Dass Papiertapeten unter starkem Preisdruck leiden, besteht als Problem nicht erst seit gestern. Mit der Vliestapete hätten nun Industrie und Handel endlich ein Produkt, mit dem sich auch ein ordentlicher Preis erzielen ließe. Und was geschieht? Einer unterbietet den nächsten bei den Vlies-Preisen. Auf dieser Heimtextil wurde ein trauriger Rekord kolportiert: Von 12.000 Rollen Vliestapeten für 2,95 EUR ist die Rede - macht summa summarum 35.400 EUR. Ist es das Wert?

Vlies sollte nicht zu Aktionspreisen verramscht werden, ist immer wieder und überall zu hören, und dann gibt es doch diese Geschichten über VK-Preise von 7 EUR - "dabei wären erst solche ab 9, 10, 11 EUR in Ordnung", beklagt einer.

Marktbereinigung geht weiter

Die Marktbereinigung mag sich verlangsamt haben, aber sie ist noch lange nicht zu Ende. In Frankfurt wurde hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, dass die Ratinger pleite sei - und es stimmte: am 13.1., just einen Tag vor der Heimtextil hatte die Ratinger Taptenfabrik beim Amtsgericht Düsseldorf Insolvenzantrag gestellt. "Der Markt ist immer schwieriger geworden", begründete der bisherige Geschäftsführer Uwe Gebhardt den unausweichlichen Schritt, "die Abnahmemengen sind dramatisch gesunken." Auch Personalprobleme gibt er als Grund für die Insolvenz an: "Es gab einen ziemlich alt eingesessenen Belegschaftsstamm, der keine Veränderungen mehr mitmachen wollte. Fünf Mitarbeiter, etwa die Hälfte, bleiben dabei." Ratinger, eines der kleinsten Unternehmen in Deutschland, gehört seit Anfang 2000 zur ATF-Gruppe und nutzt deren Vertriebsstrukturen. Im Frühjahr sollte eine neue, höherwertige Tapete, Papier auf Vliesträger, eingeführt werden. "Das Produkt ist fertig entwickelt, es gibt Interesse dafür." Es seien Konzepte erarbeitet, "wir suchen nach Lösungen, um weitermachen zu können", aber in diesen Tagen liege alles erst einmal in den Händen des Insolvenzverwalters - und wenn es sie denn geben wird, der potentiellen Geldgeber. Wie es aussieht, werden die alten Geldgeber nicht die neuen sein. Letztlich sieht sich Gebhardt als Opfer der Preisspirale, die "wir alle" ausgelöst hätten und die nur in eine Richtung führe: nach unten. "Als Alleinunterhalter habe ich keine Chancen, wir brauchen einen starken Verbund."

Und noch ein weiteres Unternehmen war auf der Heimtexil massiv im Gespräch: die Tapetenfabrik Coswig, bzw. das gesamte Konglomerat mit den Schwestergesellschaften, das zur VDN, den Vereinigten Deutschen Nickel-Werken, gehört. Erst hieß es, Coswig habe Insolvenzantrag gestellt. Das stellte sich allerdings als "Ente" heraus. Tatsache ist allerdings, dass der börsennotierte VDN-Konzern am 23. Dezember 2003 seine Ergebnisschätzung für das Geschäftsjahr 2003 revidierte und nicht nur einen deutlichen Umsatzrückgang, sondern auch einen Vorsteuerverlust in der Gruppe befürchtete. Die entsprechende Ad hoc-Meldung, die bei Aktiengesellschaften obligatorisch ist, lag dem Wettbewerb vor und ließ natürlich Spekulationen ins Kraut schießen. Neue Nahrung erhielten die Gerüchte einige Tage nach der Messe, als eine weitere Ad hoc-Mitteilung herausgegeben wurde, die den sofortigen Rückzug von VDN-Mehrheitsgesellschafter Michael Schröer aus dem Aufsichtsrat mitteilte, dessen Vorsitz er innehatte. Zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden wurde "auf Antrag des Vorstandes" der Kölner Unternehmensberater Hans-Joachim Ziems bestellt. Das ist schon ein merkwürdiges Zusammentreffen, wenn ein Unternehmen so schlechte Zahlen schreibt, und der Aufsichtsratsvorsitzende, der zugleich das Kapital kontrolliert, ohne jegliche Vorankündigung plötzlich seinen Posten aufgibt....

Am Telefon befragt echauffierte sich Michael Schröer zuerst vehement über die Frage nach den Insolvenzgerüchten um Coswig, lenkte dann aber ein und bezeichnete seine Demission als Aufsichtsratschef als "etwas ganz Normales, wenn jemand wie ich, der 34 Jahre in der Branche ist, etwas ruhiger treten will." Aus gesundheitlichen Gründen habe er eigentlich schon vor vier Jahren aufhören wollen...Wir wollen diese Erklärung nicht weiter kommentieren.

Zur aktuellen Situation bei VDN bzw. speziell dem Geschäftsbereich Home Decoration wollte BTH Heimtex außerdem ein Statement vom Management. Jürgen Erbach, vor der Verschmelzung auf die VDN bei Tochter Hindrichs-Auffermann für den Bereich Home Decoration, war auf der Heimtextil trotz mehrmaliger Anläufe nicht zu erreichen. VDN-Vorstandssprecher Dr. Wolfgang Knop reagierte auch nach der Messe bis Redaktionsschluss nicht auf schriftliche Anfragen nach der avisierten "Trennung von Nicht-Kernaktivitäten", der "Einbeziehung der im Konzern engagierten Kreditinstitute und der "Personal- und Sachkostenreduktion um 33 Mio. EUR" sowie den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Unternehmen Business Unit Home Decoration.

Auch bei der VDN-Tochter Tapetenfabrik Coswig liegen offenbar die Nerven bloß. Geschäftsführer Wolfgang Schulze erläuterte jedenfalls am Telefon schon etwas entnervt den Sachverhalt, der Coswig auf der Messe ins Gerede gebracht hatte: Ende letzten Jahres sei Coswig aus der Tarifunion ausgetreten, habe mit der Belegschaft gesprochen, einen Konsens gefunden und Verträge mit jedem einzelnen ausgehandelt. Die Gewerkschaft "fühlte sich darauf hin übergangen." Sie mobilisierte den MDR zu einer Gesprächsrunde mit Gudrun Paffrath aus der Geschäftsleitung, zwei Mitarbeiterinnen und einem Gewerkschaftsvertreter. Der Verdi-Mann empfahl, Änderungsverträge nicht zu unterschreiben, weil damit bei einer Insolvenz kein Geld mehr zu bekommen wäre. Damit war das Zauberwort ausgesprochen, das gerne eigene Kreise zieht. Laut Schulze beschränke sich das Kostensparen bei Coswig momentan darauf, den Mitarbeiterstamm schlank zu halten sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu reduzieren. Aber: "Wenn es uns gelingt, in die Gewinnzone zu kommen, wird bezahlt". Einen Lohnverzicht, wie er kolportiert wurde, hätte es von Seiten der Mitarbeiter nicht gegeben. Zu den anstehenden Gesprächen mit Verdi fügt er an: "Das Jahr wird noch kompliziert werden". Auch beim Schwesterunternehmen Novo/Wallco gestalte sich alles nicht einfach, war auf der Messe zu hören.

Michael Schröer sieht das alles nicht als Signal für eine ernsthafte Krise. Wer 10, 15 Firmen befrage werde wahrscheinlich zu mindestens 50% die Auskunft bekommen, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld nur noch eingeschränkt bezahlt werden, sagte er lakonisch. Das sei, wie das Austreten aus dem Arbeitgeberverband, heutzutage nichts Ungewöhnliches. VDN sei dabei, alle Töchter kostenmäßig fit zu machen. Grundsätzlich sind alle VDN-Unternehmen nach Aussagen von Schröer "bestens aufgestellt" und nach den getätigten Investitionen technisch auf dem neuesten Stand. Das mag so stimmen, nur nützt die modernste Produktion nichts, wenn der Vertrieb fehlt. Und genau da liegt nach Meinung von Wettbewerbern und Kunden das Problem Mehr zur VDN-Sparte Home Decoration lesen Sie in unserem Extra-Artikel ab Seite 40.

Immer noch im Gespräch ist auch Essef. Der französische Marktführer soll das Jahr erneut mit hohen Verlusten abgeschlossen, die vermögende Gesellschafterfamilie habe aber nochmals Geld aus der Substanz eingebracht, wollen Insider wissen. Die Zukunft von Essef ist weiter ungewiss. Das ist ist sie auch bei der ehemaligen Salubra, die zu Emiliana Parati gehört. Der Standort Grenzach-Wyhlen, wo das Salubra-Flaggschiff Tekko gefertigt wird, befindet sich in Auflösung. Im vergangenen Jahr herrschten dort Lieferschwierigkeiten. Insider wollten auf der Messe wissen, dass nicht produziert werden konnte, weil wegen Mietrückständen die Heizung zeitweise abgestellt worden sei. Die seien dann ausgeräumt worden, aber die Tage des Betriebes in Grenzach scheinen trotzdem gezählt zu sein....für 12 Mitarbeiter soll der Verbleib noch bis Juni dieses Jahres gesichert sein - und was kommt danach? Ein Untergang der Marke Tekko, eine Art "Maybach unter den Tapeten" ist eigentlich nicht denkbar. Am traurig leergeräumten Stand von Emiliana Parati war am letzten Messenachmittag nur noch das Team der Vertriebsgesellschaft Deutschland anzutreffen. Die Familie Ammann-Kley arbeitet mit Vertrieb und Lager von Düren aus und hat Mitte 2003 mit vier Kollektionen Emiliana Parati angefangen, jetzt kommen zwei, eventuell auch mehr dazu.

Sparmaßnahmen auch bei BN International. Die Niederländer wollen das Zimmergeschäft einstellen. Der deutsche Markt, so hat es den Anschein und so bestätigt es auch Publicity Manager Carolien de Vries-Visser, liegt nicht im Fokus der Geschäftspolitik. Einen Nachfolger für den erst kürzlich eingestellten Betreuer für Deutschland, der das Haus wieder verlassen wird, soll es nicht geben, die ebenfalls kürzlich eingerichtete gebührenfreie Telefonverbindung besteht aber weiter. "Schade", meint ein Verleger, "ich begegne denen oft im Objekt - da sind die richtig gut." Nicht nur dort: Oft schon bewies BN das richtige Gespür für Trends, das gut verkäuflich umgesetzt wurde. Geben die Niederländer den zur Zeit schwierigen Markt Deutschland zu schnell verloren? Nur noch ein Handelsvertreter ist zur Zeit in Deutschland unterwegs.

Stehen Ideco und Schwester Grantil zum Verkauf oder nicht? Auch darüber wurde sich in Halle 5.1 unterhalten. Tatsache ist, dass es bei den Balta-Töchtern im letzten Jahr erhebliche Unruhe durch massive Veränderungen in entscheidenden Positionen gab. Langjährige Führungskräfte in Geschäftsleitung, Vertrieb und Entwicklung verließen Ideco. Inzwischen sind die vakanten Stellen neu besetzt, nun soll es wieder vorwärts gehen. Für den neuen Geschäftsführer Jan Vergote ist zwar das Produkt Tapete neu, aber er kennt das Umfeld der Branche durch seine vorherige Führungsaufgabe in der Teppichbodenindustrie, ihm zur Seite steht der neue Vertriebsleiter Pieter Vanhulle, der sich zuvor mit dem Vertrieb von Teppichgarnen beschäftigt hat. Ihre primäre Aufgabe ist zunächst, die Schwächen des Vorjahres auszugleichen, die durch rohstoffbedingte Lieferschwierigkeiten und personell begründete Versäumnisse bei der Kundenbetreuung entstanden sind. Außerdem geht es darum, neben den angestammen hochwertigen Kompaktvinylkollektionen, mit denen sich Ideco verdientermaßen einen Namen gemacht hat, die Produkte von der neuen, doppelt breiten Schaumanlage im Markt zu etablieren.

Balta-Präsident Filip Balcaen und Vergote wurden die Spekulationen um Ideco und Grantil offenbar zu bunt Sie räumten in einem Schreiben an die Kunden ein, dass es wohl zu "diversen Formen der Zusamemnarbeit" Gepräche mit anderen Tapetenherstellern gegeben hätte, diese jedoch zu keinem Ergebnis geführt hätten und daher eingestellt worden seien. Umissverständlich konstatieren sie weiter, dass Ideco und Grantil ein "starkes Gespann mit einem modernen Maschinenpark und einem guten Ruf" darstellten, dass "seine Zukfunft selbstständig weiter gestalten kann".

Zum Schluss noch ein Blick über den großen Teich in die USA: Dort ist Marktführer Imperial zahlungsunfähig. Anfang des Jahres zeichnete sich eine Lösung ab: Die Blackstone-Group hoffte darauf, das US- und das Kanada-Geschäft für 10,5 Mio. $ an das zweitgrößte nordamerikanische Tapetenunternehmen zu verkaufen, Blue Mountain Wallcoverings Inc., ansässig in Mississauge, im US-Bundesstaat Ontario. Die Option zur Übernahme lief kurz vor Redaktionsschluss aus, ein Ergebnis war bis dato noch nicht veröffentlicht. Die Gründe für die Imperial-Probleme sieht Insolvenzverwalter Jean Robertson von McDonald Hopkins im veränderten Verbraucherverhalten: "Die Umsätze brachen ein, nachdem die Leute begannen, ihre Wände zu bemalen anstatt Tapeten zu kleben." In drei Jahren, von 2000 bis 2003, habe sich der Umsatz von 240,3 Mio. auf etwa 123 Mio. $ halbiert. Imperial konnte seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Bereits im November 2003 verkaufte Imperial seine Beteiligung an Vernon Plastics für 3,6 Mio. $ an Beckwith Bemis, aber das ist natürlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Vernon hatte 2002 43,7 Mio. $ umgesetzt, etwa 17% des Gesamtumsatzes der Gruppe. Trotz der desolaten finanziellen Lage wird Imperial von Branchenbeobachtern ein hochinteressantes Marken-Portfolio bescheinigt; dazu gehören Imperial, Sterling, Sunworthy, Color Fields, United, Plexus, Albert Van Luit, Katzenbach & Warren, Shandy Kydd, Crown, Edge, Lizenzen für Disney und Laura Ashley.

Ja zur Heimtextil, aber nein zur Halle 4.0

Und noch ein hochaktuelles Gesprächsthema von der Messe: Den umstrittenen Publikumstag gibt es künftig nicht mehr. Zu gering war die Resonanz, zu groß der Aufwand. Unliebsame Konsequenz für die Tapeten-Aussteller: die Heimtextil soll wieder umstrukturiert werden. Die Messeleitung wurde schon in Halle 5.1 vorstellig und legte den dort präsenten Unternehmen nahe, sich auf einen Umzug in Halle 4.0 vorzubereiten. Das allerdings rief die Branche auf die Barrikaden - und zwar ziemlich geschlossen. Alle haben sich nach Angaben von Klaus Kunkel dagegen verwehrt - und zwar sowohl schriftlich als auch mündlich. Während Noch-Messegeschäftsführer Gerhard Gladitsch beim traditionellen FDTB-Treff wenig Gesprächsbereitschaft in dieser Richtung anklingen ließ, wurde in der Fachbeiratssitzung von der Messeseite zugesagt, "das Thema neu zu überdenken."

"Die haben gemerkt, dass es den Tapetenunternehmen mit ihrer Ablehnung sehr ernst ist. Wir waren schließlich schon vor Einführung des Publikumstags hier in dieser Halle."Ullrich Eitel, Marburger Tapetenfabrik, sagt rigoros zur Verlegung: "Dann sind wir nicht mehr da" - und war damit nicht der Einzige, der eine solche Aussage machte. Auf Anfrage von BTH Heimtex wiegelte Heimtextil-Objektleiterin Ulrike Wechsung ab, dass die Hallenplanung noch gar nicht feststehe, es handle sich vielmehr bisher um "einen Entwurf, eine Diskussionsgrundlage." Erst Ende März wird es konkret. Sollte die Messeleitung auf eine Verlegung der Tapeten-Branche in Halle 4.0 bestehen, muss sie sich auf massiven Widerstand einstellen: Dann droht ihr, wie schon einige Jahre zuvor, der komplette Boykott der deutschen Tapetenindustrie. Dieses Mal würde sie dann allerdings wohl nicht komplett auf eine Messeteilnahme verzichten, sondern andere Messeplätze testen....erste Fühler wurden nach unseren Informationen bereits ausgestreckt. So wirbt etwa die Leipziger Messe für ein geplantes Tapeten-Forum während ihrer Comfortex, die allerdings schon im September stattfindet...

Wo sind die Tapeten-Verlage?

Kaum noch Verlage, fast nur noch Hersteller: Christian Schmitz mit seinem gleichnamigen Tapetenverlag und den Schwesterunternehmen Essener Tapetenimport und Tescoha war praktisch der "einsame Rufer im Wald" - bzw., der letzte verbliebene Tapeten-Verlag in Halle 5.1. Rasch Textil residierte schon immer in den Stoffhallen, Heinetex wurde auch vor einigen Jahren bei Mutter Arte auf dem Stand in Halle 3.1 integriert und Jab Anstoetz-Tochter CCN sparte in diesem Jahr den separanten Tapeten-Stand und war nur in Halle 3.1 präsent. Christian Schmitz bedauert das, denn: "hochwertige Tapete muss hier in der Halle gezeigt werden." Im Prinzip mag das Denken in Konzepten richtig oder sogar notwendig sein, dem Einkäufer von Tapeten aber fiele der Überblick leichter, hätte er alle Anbieter in einer Halle beisammen. Heinetex ist im übrigen nur noch über gebührenfreie Hotlines erreichbar. Das Lager befindet sich bereits seit drei Jahren in Belgien, seit 1. Oktober 2003 auch die komplette Logistik, die zunächst etwas Anlaufschwierigkeiten hatte. Der Standort Speyer wurde komplett aufgegeben, die Immobilie, deren Renovierung angestanden wäre, verkauft. Drei Außendienstmitarbeiter betreuen den deutschen Markt.

Single-Tapete hilft gegen Einsamkeit

Wo bleibt das hoffnungsvolle Licht am Horizont? Vielleicht bei den Verkaufsprofis, die bereits von einem gut angelaufenen Nachmessegeschäft sprechen. Vielleicht auch bei den jungen Erst- und Zweit- und Dritteinrichtern, die das Produkt bisher als spießig abgetan hatten, aber Tapete inzwischen richtig gut finden. Die Einstellung zur Tapete wandelt sich. In der allerletzten Sendung von Harald Schmidt saß die fröhliche, pinkhaarige Fernsehfrau Eni von der Meijklocke und schwärmte davon, nach Schweden zu reisen: "Da gibt es so schöne Tapeten". Halt ein, liebe Eni, gibt"s alle auch hier. Und "Brisant", die populäre Nachmittagssendung im Ersten, gab am 22. Januar Lebenshilfe: "Single-Tapete hilft gegen Einsamkeit".
aus BTH Heimtex 02/04 (Wirtschaft)