Heimtextil ist Trendbarometer für Dekos & Gardinen

Gute Stimmung, gute Geschäfte, Aus für den Publikumstag

Weniger Aussteller, aber mehr Besucher, keine spektakulären Neuheiten, aber gute Messe-Umsätze, neue Exportkontakte und vor allem eine ausgesprochen positive Stimmung - auf diesen kurzen Nenner lässt sich Heimtextil 2004 bringen. Für Gesprächsstoff sorgte die Abwesenheit von bekannten deutschen Deko-Namen wie Zimmer + Rohde, Wellmann, Dörflinger + Nickow und Müller-Zell. Auch Ado sparte seinen Messestand, feierte sein 50jähriges Jubiläum stattdessen lieber unmittelbar vor der Heimtextil zu Hause. Daumen runter hieß es dieses Jahr für den Publikumstag. Er wird aufgrund der schwachen Resonanz eingestellt. Das zieht für Aussteller und Besucher unbequeme Folgen nach sich: Die Messeleitung will die Heimtextil nämlich wieder umstrukturieren....

Nach dem schwierigen Jahr 2003 waren die Deko- und Gardinenanbieter eher skeptisch nach Frankfurt zur diesjährigen Heimtextil gekommen. Allen steckten die Umsatzeinbrüche in den Knochen und die bange Frage, ob diese Messe gut wird. Und sie wurde gut - sogar sehr gut, zumindest was die Stimmung anbetrifft. Die war nämlich in den Messehallen deutlich besser als draußen im Markt. Zwar glaubt noch keiner so recht an eine tiefgreifende Trendwende in diesem Jahr, aber man gibt sich dennoch optimistisch und kämpferisch. Allgemein ist sich die Branche einig, dass auch 2004 weitere Anbieter und Händler vom Markt verschwinden werden. Wobei natürlich keiner davon ausgeht, dass es ihn selber trifft....

Die Messe Frankfurt zeigte sich mit der Besucherzahl von 92.000 - das bedeutet ein Plus von 4,6% gegenüber dem Vorjahr - sehr zufrieden. Überproportional zugelegt hat das Auslands-Interesse (+ 14,7%). Stärkste Besuchernationen waren Italien, Großbritannien, die USA, Frankreich, die Türkei, die Niederlande, Belgien, Spanien, Japan und Korea. Das stimmt mit den "gefühlten Werten" in den Hallen 3.0 und 3.1 überein. Dort war allgemein von einer "zumindest gleichen, eher höheren Besucherfrequenz als im Vorjahr" die Rede, die hohe Besucherqualität und die Orderfreudigkeit wurden gelobt. "Wir haben gut geschrieben", war oft zu hören. Das macht Mut, dass vielleicht doch allmählich Licht am Ende des Tunnels auftaucht....

Wermutstropfen war allerdings der schwächere deutsche Besuch (- 4,9%). De Ploeg-Geschäftsführer Hayo Stegehuis: "Wir haben wieder viele internationale Kontakte knüpfen können. Aber von den traditionellen deutschen Raumausstattern kommen immer weniger nach Frankfurt." Dagegen berichtete Hubert Reinermann von Sati "von vielen interessanten Neukunden auch aus Deutschland." Und Lene Thalmann vom dänischem Heim- und Haustextilienhersteller Södahl registrierte ebenfalls "viele Deutsche auf dem Stand, auch viele Neukunden".

Geradezu überschwenglich kommentierte Justus Schmitz von den Schmitz-Werken den Messeverlauf: "Die Heimtextil war für uns eine hervorragende Messe. Wir hatten nicht nur ein zweistelliges Besucherwachstum, auch ihre Qualität ist nochmals gestiegen. Das gilt besonders für die Einkäufer aus Übersee, speziell aus Nah- und Fernost." Alle wichtigen Kunden aus Deutschland seien ebenfalls da gewesen. "Man sieht, wie man mit interessanten Neuheiten Besucher auf den Stand ziehen kann..."

Ein ausgesprochen positives Messefazit zog auch Alexander Albani. Bei Albani lag der Messe-Umsatz 11% über dem Vorjahr und die Einkäufer waren "frei und aufgeschlossen - auch die Deutschen". Belair-Geschäftsführer Hans-Günter Kirches widersprach der Auffassung, dass Messen nur noch zur Information und Kontaktpflege genutzt würden: "Bei uns wurden richtig gute Geschäfte getätigt". Von "hochkarätigen Abschlüssen" berichtete auch Claus Wölfel vom gleichnamigen Gardinenhersteller, "gute und qualifizierte Gespräche" führte die Mannschaft von Saum & Viebahn. "Es ist Optimismus in der Branche zu spüren", begeisterte sich Geschäftsführer Dr. Wolfgang Wechsler, "das macht richtig Spaß".

Auffällig ist, dass sich das deutsche Ausstellerkontingent immer weiter verringert. 594 Unternehmen stellten in diesem Jahr nur noch in Frankfurt aus, 2003 waren es 659, 2002 noch 730. Dabei fehlten erstmalig namhafte Hochwert-Anbieter wie Zimmer & Rohde, Wellmann, Dörflinger & Nickow und Müller Zell. Über die Gründe der Messe-Abstinenz wurde vielfach spekuliert und gerätselt, ob es wirklich richtig sei, der weltweit bedeutendsten Veranstaltung fern zu bleiben...die direkte Konkurrenz jedenfalls freute sich, denn sie profitierte davon. Philippe Baumann von Création Baumann und Sati Deutschland-Geschäftsführer Hubert Reinermann konnten prompt etliche Neukunden auf ihren Ständen begrüßen. Mit Ado fehlte der Heimtextil zugleich der größte Einzelaussteller. Die Aschendorfer verzichteten in diesem Jahr auf die Messeteilnahme und feierten ihr 50jähriges Jubiläum lieber drei Tage lang im heimischen Aschendorf unmittelbar vor der Heimtextil. Nicht unbedingt kundenfreundlich der Termin, aber vielleicht hoffte man so, die ausländischen Kunden, die zur Heimtextil reisen, besser einbinden zu können.

Die Situation der Branche hat sich 2003 nicht gebessert. Im Inland mussten alle Produktgruppen wie im Vorjahr schmerzhafte Umsatzeinbußen hinnehmen, vor alem bedruckte Dekos (-16,3%) und Velours-Möbelstoffe (-20,6%), die bereits 2002 zu den größten Verlieren zählten. Weniger betroffen waren Gardinen-Meterware, konfektionierte Gardinen sowie flachgewebte Möbelstoffe.

Insgesamt ging der Umsatz der deutschen Heim- und Haustextilienbranche um 6% auf knapp 10 Mrd. Euro zurück. Die Zahl der Betriebe verringerte sich um gut 5% auf 236, die Mitarbeiterzahl um 7% auf 24.550.

Der Handel leidet nicht minder. Immer mehr kleinere Händler müssen aufgeben. Selbst die Branchenriesen wie Karstadt Quelle können sich dem Abwärtssog nicht mehr entziehen. Rezession, Konsumverweigerung und Rabattschlachten zeigen ihre Auswirkungen. "Geiz ist geil" - der viel zitierte Slogan der Metro-Tochter Saturn ist zum Inbegriff der Sparwut der deutschen Verbraucher geworden. Sie mutierten zum "Volk der kollektiven Schnäppchenjäger", kritisiert Hans Joachim Schilgen, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie. "Wir erleben draußen nur noch einen Preiskampf". Die Kehrseite der Medaille: Wegen der vom Verbraucher geforderten Niedrigpreise könne zunehmend weniger in Deutschland produziert werden. Das kostet wiederum Arbeitsplätze....

Auch auf der Heimtextil übten sich die Deutschen im Feilschen. "Die Deutschen handeln sich tot", beklagte sich der Geschäftsführer eines großen Gardinenherstellers. "Die Russen kaufen für 25.000 EUR und fragen freundlich, ob sie 3 % Skonto bekommen könnten, für manchen Deutschen sind schon 2 Meter Stoff zu viel und sie fragen, ob sie auch nur 1 m bekommen können."

So erfreulich die Heimtextil 2003 war, ob sie eine dauerhaften Aufschwung signalisiert, bezweifeln viele. Erst müsse die Bauwirtschaft wieder in Fahrt kommen, damit auch in Einrichtung und Innenausstattung investiert werde,ist die mehr oder weniger einhellige Meinung. Und die Bundesbürger bräuchten Planungssicherheit Planungssicherheit bezüglich ihrer finanziellen Belastungen, damit sie wieder freier mit ihrem Geld umgehen. Eine "klare, berechenbare und verlässliche Politik sowohl durch die Regierungs- als auch durch die Oppositionsparteien" sieht Ralph Anstoetz als Bedingung für eine Belebung in der Branche. Hendrik Unland glaubt an Impulse nur durch eine "wirkliche Senkung der Steuerlast für die Verbraucher".

Dr. Achim Bünger von Bob sucht allerdings Lösungen nicht nur in der Politik, sondern auch bei der eigenen Branche:" Wie müssen gegen die schlechte Stimmung beim Handel anarbeiten. Gerade die Heimtextil hat eine Schlüsselfunktion, damit Produkte getestet werden können. Sie ist der Marktplatz für Innovationen." Aber die fehlten ja gerade, merkt Gabriele Eckardt an und fordert: "Die Industrie sollte mehr zusammen arbeiten und innovative Produkte bringen". Und nicht nur das: "Wir Deutschen müssen auch internationaler werden, wir sind eine Insel im Heimtextilien-Markt geworden."

Trotz dieser Versäumnisse konnten die deutschen Anbieter 2003 ihre Präsenz im Ausland verstärken und ihre Exportquote auf 28,1% steigern. Dabei wird die Heimtextil immer stärker als "Türöffner" für das Auslandsgeschäft verstanden. Hier werden die ersten Kontakte geknüpft. Zukunftsträchtig sind in erster Linie der chinesische Markt, die künftigen EU-Länder und Russland.

Reges Interesse aus Osteuropa verspürten Jab Anstoetz-Sprecher Philipp Keller, Bandex-Geschäftsführer Udo Oksakowski, Donata Apelt-Ihling, Peter Lochner und Ralf Kerstiens von Garotex. Munzert-Geschäftsführer Bernd Kout hatte viele Gespräche mit Asiaten, die wiederum bei Unland vermisst wurden: "Dafür haben die Osteuopäer und gerade Russland sehr gut gekauft - und auch der Iran hat stark geordert."

Sang- und klanglos hat sich in diesem Jahr der Publikumstag verabschiedet. Dreimal hatte der "Heimtextil Sunday" stattgefunden, doch gelang es der Messe nicht, einen durchgreifenden Sog in die Messehallen zu erzeugen - obgleich das Thema Wohnen für den Verbraucher eigentlich interessant sein müsste, wenn man die Zahl der Wohnzeitschriften sieht. Die Besucherzahlen dümpelten dahin, deutlich unter den ursprünglichen Erwartungen, auch wenn in diesem Jahr ein kleines Plus auf 7.000 erreicht wurde. Es ist müßig, die Gründe für das enttäuschende Desinteresse zu suchen; sicher wurde viel zu wenig für die Veranstaltung geworben und sicher war die Werbung, die gelaufen ist, nicht gut gemacht. Das allein kann es aber nicht gewesen sein.

Der Abgesang auf den Publikumstag war kurz. Der Ausstellerbeirat habe beschlossen, den Heimtextil Sunday 2005 "nicht mehr in der bisherigen Form weiter zu führen", sagte der scheidende Messe-Geschäftsführer Gerhard Gladitsch lakonisch, beeilte sich aber hinzuzufügen, dass die "aktive Einbeziehung des Endverbrauchers ein wichtiger Faktor ist, um den Handel zu beleben". Das werde im Messekonzept 2005 gebührend berücksichtigt....

Die nächste Heimtextil findet vom 12. bis 15. Januar 2005 statt.
aus BTH Heimtex 02/04 (Wirtschaft)