26. Decosit in Brüssel erstmals mit Deco Tec

High Tech und Textil

Die internationale Möbelstoff-Fachmesse Decosit wurde auch 2004 ihrem Anspruch als Trendbarometer und Impulsgeber für die Branche gerecht. Im Trend liegen Impressionen aus den 50er und 60er Jahren und warme Erdtöne, stark im Kommen sind Gelb und Grün. Darüber hinaus wurde mit der Decotec erstmalig gezielt das aktuelle Thema intelligente Fasern und innovative Materialien aufgegriffen.

Während speziell in der Heimtextilienbranche viele Fachmessen ums Überleben kämpfen oder bereits die Segel gestrichen haben, hält die Decosit ungerührt ihre Stellung. 2004 blieb die Besucherzahl mit 12.600 (2003: 12.500) nahezu konstant, wie im Vorjahr nahmen 370 Aussteller aus 30 Ländern an der weltweit bedeutendsten Möbelstoffschau teil. Wobei sich zwischen die großen Kontingente aus Belgien, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zunehmend Anbieter aus Asien schieben. Die Türkei stellt mittlerweile schon 14 Teilnehmer, Indien immerhin 7, zum erste Mal dabei waren 2 chinesische Unternehmen. Das könnte das erste Signal für weitreichende Veränderungen sein, wenn Ende 2004 das Quotensystem ausläuft, mit dem Europa und die USA bislang vor ungebremsetn Textil-Importen aus Billiglohnländern geschätzt wurden.

Dr. Ulrich Girrbach von Faserhersteller Trevira machte auf der Decosit anhand von Zahlen deutlich, welche Veränderungen bereits stattgefunden haben - auf Faserseite, versteht sich. So kamen 1972 gerade 20% der Chemiefaserproduktion aus Asien - 2002 waren es schon 72% mit weiter steigender Tendenz.
Lockerung der Importrestriktionen einerseits, ein schwacher Markt andererseits: Mit diesen Herausforderungen haben die deutschen Möbelstoffanbieter zu kämpfen. Die Stimmung bei den Kunden sei verhalten, konstatiert Wever-Geschäftsführer Thomas Kaminsky nüchtern, "Polstermöbel laufen schlecht".

Entsprechend wenden sich manche Deutsche wie Wever oder Müller-Zell verstärkt dem Ausland zu, etwa mit Ziel Hotelprojekt; andere wie Drapilux und Ado wollen das Objektgeschäft durch intelligente Stoffe mit Zusatzeigenschaften ankurbeln.

Deco Contract erstmals mit Decotec

Seit 2001 findet parallel zur Decosit die objektorientierte Schwester-Veranstaltung Deco Contract statt. Sie wurde in diesem Jahr nicht nur einem Facelifting unterzogen, sondern auch konzeptionell überdacht. Danach focussiert sich die Messe jetzt ausschließlich auf Fensterdekoration, Bodenbeläge, Wandbeläge und Sitzmöbelbekleidung sowie Bettwäsche. Die Ausstellerzahl blieb mit 80 gegenüber dem Vorjahr unverändert, doch habe sich die Qualität verbessert, freuen sich die Organisatoren und verweisen darauf, dass 40% der Teilnehmer neu sind und vor allem das Angebot im Bereich Teppiche, Tapeten und Bettwäsche ergänzen.

Erstmals als gesondertes Thema waren auf der Deco Contract technische und intelligente Materialien herausgehoben, für die das Projekt Decotec ins Leben gerufen wurde. Hier wurde ein überblick dessen gegeben, was alles am Markt vorhanden ist: Raumluftverbessernde, antibakterielle und antiallergische Stoffe ebenso wie solche, die wasserdicht sind, geräuschabsorbierend, thermoregulierend und atmend wirken.

Ein fester Bestandteil der Decosit ist zudem Faseranbieter Trevira. Der Marktführer für schwer entflammbare Fasern hatte seinen Messestand in Brüssel dieses Jahr unter das Motto "Think fresh - think Trevira CS" gestellt und spielte damit auf die vielen Gelbtöne in den aktuellen Trevira CS-Kollektionen an. Ausserdem beteiligte sich Trevira am Hotel Projekt der Deco Contract, wo verschiedene Beispielle für die komplette textile Ausstattung von Hotels vorgestellt wurden; dabei waren fünf von insgesamt acht Hotelzimmern komplett mit Trevira CS-Stoffen gestaltet.

Der diesjährige Trevira CS Award für die interessanteste Neuentwicklung mit der schwer entflammbaren Polyesterfaser ging in diesem Jahr an Rubelli für die neue Objektkollektion Première fois, die von der Designerin Dominique Kiefer entworfen wurde. In diesem Jahr prämierte Trevira nicht nur einen einzelnen Stoff, sondern eine ganze Kollektion, weil hier "das ganze Spektrum unserer Garne eingesetzt wurde", erklärt Trevira-Sprecherin Anke Vollenbröker.

Die nächste Decosit/DecoContract findet vom 10. bis 13. September 2005 statt.

Und was liegt 2005 bei Möbelstoffen im Trend?

Generell lässt sich in den letzten Jahren ein kreativer Schub bei den deutschen Möbelstoffproduzenten beobachten, die durch zunehmene Konkurrenz gezwungen sind, sich einen Vorsprung zu verschaffen. Zugleich werden die Bezugsstoffe immer leichter - und immer häufiger mit abgestimmten Dekos kombiniert.

Bei Jacquards werden gerne Effektgarne und -fäden eingesetzt, ein langanhaltendes Comeback auf breiter Front feiert dabei Chenille. Die Texturen werden immer raffinierter und mehrdimensionaler, in Richtung mehrschichtiger, unregelmäßiger Webmuster, Hoch-Tief-Strukturen, Matt-Glanz-Effekten und Reliefelementen.

Die Uni-Welle klingt allmählich ab, es macht sich wieder mehr Mut zur Dessinierung bemerkbar. Viele Ideen kommen aus der Mode. Blumen sind ein klassisches Thema, das nicht totzukriegen ist, ebenso Streifen; breiten Raum nehmen zudem geometrische Figuren, Kreise, Kringel, Lineares und vor allem Retro-Motive aus den 50er und 60er Jahren ein. Dabei wird gerne kombiniert, etwa Floralien mit Geometrie oder Kreise mit Streifen, auch auf dem gleichen Stoff.

Hoch aktuell sind ferner pelzartige, haarige Stoffe einerseits und Seidiges andererseits. Wieder "in" ist Samt, uni und dessiniert, gecrasht oder bestickt. Leinen bleibt, auch bedruckt oder in bewusstem Kontrast mit Chenille.

Farblich dominieren gedeckte, tiefe, warme, erdige Töne, die wohnlich und nobel wirken. Dabei spannt sich der Bogen von dunkelglühenden Rottönen über Bordeaux bis Kupfer, Goldbraun und Terra. Ganz neu sind leuchtende Farben wie Orange, Pink, Türkis, Lila und Violett. Auffallend gewagte Kombinationen wie Mint und Schokolade, Violett und Orange, Türkis und Pink.

Bei Leder ist weiterhin hochwertiges Anilin gefragt, möglichst glatt, dafür in bis zu 300 Farbtönen. Vorne liegen eindeutig natürliche Schattierungen von Beige und Terracotta bis zu Braun, andere Farben werden eher objektbezogen eingesetzt.

Als immer stärkere Konkurrenz erweisen sich die synthetischen Leder von Hornschuch, in Griff und Optik kaum von hochwertigen Naturhäuten zu unterscheiden und dabei immer ausgefeilter.

Aussteller-Telegramm: Was ist neu?

Bei Wever standen zwei Kollektionen im Mittelpunkt: Die Hotel-Serie Special Guest aus Trevira CS und das Hochwertprogramm New Essentials mit Wollmischungen. Das Unternehmen bedient seine Kunden aus Handel und Industrie zunehmend individuell; gezielt wird in intensivem Dialog entiwckelt und produziert. In Brüssel zeigte Wever sowohl große dekorative Muster als auch raffinierte Details wie Glanzfäden im Fond, Strukturen und glatte Oberflächen im Seidencharakter, dazu Matt-Glanz- und Hoch-Tief-Kontraste - das alles in Rot-Orange, Grün und erdigen Farben. Neu: ausgefallene Jacquards und leichtere Möbelstoffe für Bettüberwürfe sowie schwere Dekos.

Jacquardweber Müller-Zell hat seine Neuheiten vier Richtungen zugeordnet; drei sind eher feminin angelegt und zielen auf Ferienhotels, eine ist betont maskulin mit Zielrichtung Business-Hotels. Die feminine Linie übersetzt Müller Zell mit dreidimensionalen floralen Motiven, die mit Unis, Streifen und Fransenstoffen in Pink, Rot-Orange und Lila kombiniert werden. Maskulin wirken Palmblätter, Flechtoptiken und Reptilienhaut-Imitationen in Bordeaux-Kupfer, Blau-Braun und Schwarz-Kupfer. Gegliedert in sechs Farbthemen hat Designerin Verena Rau jeweils Stoffe für eine ganzheitliche Interieurgestaltung zusammengefasst mit Tagesdecken, Möbelstoffen, Dekos und Gardinen.

Munzert zeigte zwei sehr gegensätzliche Kollektionen: Bunte Smarties lieferten die Inspiration für die gleichnamige Kollektion mit leicht verständlichen geometrischen, leicht retro angehauchten Dessins in fröhlichen Farben wie Orange-Pink und Grün-Türkis. Schoko wurde das zweite Thema getauft, das weiche Texturen mit hohem Chenille-Anteil in feinen Vanille- bis Schokoladentönen vereint.

Stoeckel & Grimmler kombiniert unbekümmert raffinierte Scherlis, aufwändige Doppelgewebe und Streifenvariationen mit neuartigen changierenden Garnen.

Drapilux hatte nach Brüssel eine besondere Coordinate-Idee für Hotellerie und Gastronomie mitgebracht: ein Ensemble aus Deko- und Möbelstoffen in den sechs Farbfamilien Natur, Messing, Tabak, Azurblau, Grün und Bordeaux, alles untereinander kombinierbar.

Ado präsentierte sich mit seinen intelligenten Stoffen zur Raumluftverbesserung und für mehr Hygiene, zum ersten Mal auf der Deco Contract.

Aste Landwehr spielt mit verschiedenen Bindungen und Garnkompositionen, mit denen sich unterschiedliche Effekte erzeugen lassen und setzt zudem weiterhin auf Chenille, das auch in der Kette verarbeitet wird. Das Ergebnis sind hochflorige Artikel, die ausgesprochen strapazierfähig sind.

Mohair-Spezialist Pongs verwies auf eine neue Wollqualität mit 300.000 (!) Scheuertouren und als weitere Neuheit einen schmeichelnden Stoff aus 90% Wolle und 10% Cashmere. Trendig: ein gecrashter Langfloor, der wie Fell aussieht.

Textilveredler Beck glaubt weiterhin an Taft, bestickt oder mit Pigmentdruck in matter Optik, darüber hinaus auch als Composé mit Ausbrennern.
aus BTH Heimtex 11/04 (Wirtschaft)