BTH Heimtex-Roundtable zum Thema Trends

"Sag nicht Banane zu mir, nenn mich Chiquita"

Trends sind wichtig; jeder, der sich in irgendeiner Form mit Design, Gestaltung und Mode beschäftigt, muss über Trends informiert sein. Welche Trends sind derzeit in unserer Branche angesagt, sind sie nur Selbstzweck oder kann man sie nicht auch nutzbringend und verkaufsfördernd einsetzen und wenn ja, wie? Das wollte BTH Heimtex von Experten wissen, die sich permanent mit dem Thema beschäftigen und lud sie zu einem Roundtable ein: Donata Apelt-Ihling für Dekostoffe, Stefanie Kerpen für Teppichboden, Margit Vollmert für Farben und Herbert Schmitmeier für soziodemographische und gesellschaftliche Hintergründe.

BTH Heimtex: Wie sehen die aktuellen Trends für unsere Branche aus? Frau Apelt-Ihling, wie dekorieren wir in diesem Jahr unsere Fenster?

Donata Apelt-Ihling: Es geht weg von der sehr bunten Farbigkeit hin zu klaren Farbgruppen. Die wichtigsten sind helle Bereiche, etwa mit lichten Leinentönen und dann natürlich die dunkleren mit modifiziertem Grau und Schwarz, dazu Silber und akzentuiert mit Farbe, aber möglichst nur einem einzigen Farbton und keinesfalls bunt.

Die Materialien bei den Stoffen werden stumpfer; wir mixen taftige Elemente und matte, spielen viel mit Bindungen, mit Effekten, mit Chenille-, Samt- und Bouclé-Garnen.

Unser spezielles Thema in diesem Jahr sind Zickzack-Dessins, wir zeigen aber auch Arabesken.

Ganz wichtig für uns ist, dass eine Kollektion immer ein gesamtes Bild entstehen lässt, ein Konzept erkennbar ist. So dekorieren wir auch: Wir denken in Konzepten - die können an Farben orientiert sein oder an Dessins - und die schlagen wir dem Fachhandel vor. Das erleichtert ihm das Verkaufen und seinen Kunden die Entscheidung.

BTH Heimtex: Frau Kerpen, ist das bei Teppichboden ähnlich?

Stefanie Kerpen: Wir freuen uns zunächst, dass Teppichboden überhaupt wieder zum Trendprodukt avanciert. Lange Zeit waren glatte Beläge, Hartbeläge wie Laminat und Parkett mehr gefragt, doch nun feiert der Teppichboden ein Revival, gerade sehr textile, voluminöse, wertige Qualitäten. Die Zeit dafür ist auch reif: Der Verbraucher will wieder Boden unter den Füßen spüren, sehnt sich nach Vertrautheit, Geborgenheit, Komfort, Privatsphäre, Wohlfühlen...und dafür ist Teppichboden genau das richtige Produkt.

Und bei den anderen Trendtendenzen in Bezug auf Farben und Design haben wir alle die gleichen Impulse, die gleichen Inspirationen, da spielt die Mode mit hinein, auch die Kosmetik.

BTH Heimtex: Bei Farben und der Wandgestaltung auch, Frau Vollmert?

Margit Vollmert: Bei Farben haben wir es etwas einfacher, da wir dank der Töntechnologie auf alle Trends sofort reagieren können. Aber wir wollen dennoch für unsere Kunden vordenken und ihnen Hilfsmittel an die Hand geben, damit sie wiederum ihre Kunden gut beraten können. Und aus diesem Grund haben wir eine Trendstudie am Institut für Internationales Trendscouting an der HWK in Hildesheim in Auftrag gegeben und daraus Trendthemen entwickelt, die wir dann auch dokumentiert haben.

Danach liegen wir ziemlich auf einer Linie: Auch wir sehen dunkle Töne ganz vorne: Braun, Schwarz, Schwarz-Weiß, auch Schwarz-Weiß-Rot ist nach wie vor ein Thema, ebenso alles, was schimmert und glänzt. Wobei wir Gold für wichtiger halten als Silber.

Und die Wand ist nicht nur einfach flach farbig gestrichen, sie erhält Tiefe und Textur - durch Lasuren, durch verschiedene Techniken.

BTH Heimtex: Herr Schmitmeier, wie wichtig sind Trends überhaupt? Sind sie ein reines Marketing-Instrument, um Mode zu machen und den Absatz zu stimulieren oder haben sie darüber hinaus eine Bedeutung? Und woher kommen Trends?

Schmitmeier: Keine Frage - Trends sind wichtig. Ich glaube, dass man Trends aufnehmen muss, dass man Branchen über Farben und Design, sprich Trends führen muss. Aber am Ende steht die Frage der Umsetzbarkeit. Wo werden Trends sichtbar, wie werden sie transportiert? Wo gibt es Showrooms? Wir brauchen Hilfen, um den Verbraucher auf unterschiedlichen soziologischen Ebenen anzusprechen.

Und jetzt komme ich zu einem ganz entscheidenden Punkt, der unsere Branche noch sehr beschäftigen wird: Trotz der ganzen schönen neuen Produkte, die sie entwickelt, verlieren wir an Präsenz, verlieren wir an Präsentationsflächen. Wir verlieren nicht nur Schaufenster, wir verlieren auch Flächen, die aufgrund besserer Flächenproduktivität an andere Produkte gehen. Und - auch wenn ich mich jetzt damit unbeliebt mache - wir haben auch ein Defizit auf den nachgelagerten Marktstufen. 10 bis maximal 20% können mit Trends, mit Farbe und Design umgehen.

BTH Heimtex: Und wie lässt sich das beheben?

Schmitmeier: Durch Produkt-allianzen. Netzwerke. Kooperationen. Es gibt ja bereits erste Vorstöße in dieser Richtung.

BTH Heimtex: Aber dabei ist doch auch die Industrie gefordert....

Kerpen: Die trägt das ja auch mit. Wir als Vorlieferant sehen uns auch als Ideengeber. Wir machen Trendstudien, wir tragen Anregungen zusammen, die wir unseren Kunden, der Teppichbodenindustrie, vorstellen und die in unserem Kompetenzcenter auf Labormaschinen realisiert, modifiziert und weiterentwickelt werden können.

Wir bieten mit unseren Kunden zusammen auch Schulungen an für deren Kunden, in denen wir über neue Produkte, Materialien, Farben- und Designtrends informieren und auch darüber, wie man sie anwenden und gestalten kann.

Und wir arbeiten mit verschiedenen Institutionen zusammen wie dem Fraunhofer-Institut, wobei es weniger um Design-trends geht, als vielmehr um Themen wie Akustik oder Feinstaub, die den Verbraucher auch beschäftigen und die im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen an Bedeutung gewinnen - zum Beispiel im Hinblick auf eine immer älter werdende Bevölkerung.

BTH Heimtex: Wie ist das bei der Farbenindustrie, Frau Vollmert?

Vollmert: Das gibt es bei Farben natürlich auch. Wir stellen generell fest, dass das Beratungsbedürfnis in den letzten zwei, drei Jahren enorm zugenommen hat - die Suche nach Hilfestellungen, die wir mit entsprechenden Mitteln bedienen wollen. Sei es mit Schulungen, sei es mit Gestaltungsmitteln...das alles fordert der Markt und dort können wir auch noch viel mehr tun.

Zum Stichwort Produktallianzen: Auch hier sind wir bereits aktiv und haben uns mit einem Teppichbodenhersteller verbündet. Und ich glaube, dass man noch viel weiter gehen muss und alle Elemente der Raumgestaltung einbeziehen sollte.

BTH Heimtex: Frau Apelt-Ihling, könnten Sie sich vorstellen, sich dort auch mit Stoffen zu integrieren?

Apelt-Ihling: Ja, natürlich. Wobei es nicht ganz einfach ist, weil wir bei Stoffen im Vergleich zu anderen Produkten wie Bodenbeläge viel kürzere Kollektionsrhythmen haben. Wir kollektionieren bei Dekostoffen zweimal jährlich, bei Tischwäsche sogar viermal.

Ich möchte gerne noch einmal an das anknüpfen, was Herr Schmitmeier bezüglich der mangelnden gestalterischen Qualifikation geäußert hat. In Großbritannien und den USA sind professionelle Interior Designer üblich, die zwar weder einen Boden verlegen, noch eine Wand streichen können, aber etwas von Inneneinrichtung und Design verstehen. Das wünsche ich mir für Deutschland auch.

Schmitmeier: Sie haben Recht - in dem Punkt trennen uns Welten von anderen Nationen. Und damit sind wir doch genau beim Thema: Wie transportieren wir die schönen Produkte, die diese Branche entwickelt, wohin sollen sie gehen, wer sind die Adressaten und wie sprechen wir diese richtig an? Dabei müssen wir unter anderem die soziodemographischen Daten berücksichtigen. Zum Beispiel gibt die ältere Generation ab 50 Jahren drei-bis fünfmal so viel für die Einrichtung aus als ein 25jähriger - also müssen wir uns ihr ganz anders nähern.

Und hier ist keine Monodisziplin einzelner Produkte oder Unternehmen gefragt, sondern eine interdisziplinäre Vorgehensweise, die eine effektive Marktabdeckung und zugleich eine hohe Transportgeschwindigkeit gewährleistet.

Kerpen: Wir realisieren ein Konzept dieser Art in der Health Care and Network Group, in der sich unter anderem verschiedene Bodenbelagshersteller, Sonnenschutz- und Stoffanbieter und auch Farbenproduzenten zusammengeschlossen haben. Wir tauschen uns viel aus, wir lernen viel voneinander, wir können jeweils von den anderen profitieren.

Apelt-Ihling: Zu diesem Thema möchte ich gerne eine Lanze für die neuen Concept Stores brechen, von denen wir inzwischen auch einige in Deutschland haben: etwa in Berlin, in Köln und in Hamburg. Diese Concept Stores präsentieren ganzheitliche Welten, sie verkaufen nicht nur Parfums, Bücher und Blumen, sondern auch Stoffe, Bekleidung, Geschirr und Accessoires; alles ausgesuchte Produkte, mit denen sich der Verbraucher identifizieren und komplett in seinem Stil eindecken kann. Das ist der Trend der Zukunft.

BTH Heimtex: Was ist denn der Schluss daraus für unsere Branche? Sollen Fachhandel und Raumausstatter auch entsprechend ihr Sortiment erweitern, Accessoires, Wein und Mode aufnehmen?

Apelt-Ihling: Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Sicher ist nicht jeder in der Lage, einen guten Concept Store zu etablieren. Aber jeder kann überlegen, was zu ihm und seinem Geschäft passt und sich Elemente herausgreifen und den klassischen Stil, den Landhaus-Stil oder den modernen Stil pflegen und glaubwürdig präsentieren.

Schmitmeier: Das ist absolut richtig. Wir brauchen Themen und wir brauchen Botschaften. So lange wir das nackte Einzelprodukt verkaufen, kommt es nicht als Bild in den Köpfen der Verbraucher an. Der Fachhandel und der Raumausstatter vor Ort müssen Bilder schaffen, die den Verbraucher emotional ansprechen, mit denen er sich gedanklich beschäftigt und mit denen er sich identifizieren kann. So schafft man Begehrlichkeiten. Sag nicht Banane zu mir, nenn mich Chiquita....
aus BTH Heimtex 04/07 (Farben, Lacke)