Orientteppich-Bazar Moussalli, Hamburg

Ganz alt, ganz exklusiv und ganz klassisch

Hanseatisch geht es zu im ältesten, durchgängig bestehenden Orientteppichgeschäft Hamburgs: diskret, unaufdringlich und sehr persönlich. Das muss auch so sein, denn hier sind die traditionsreichen Familien der Hansestadt Kunden. Und das schon seit Generationen. Da kommt die Politikergattin zum Tee und der Reeder braucht etwas Neues für den Salon. Aber nicht nur die Betuchten schauen vorbei, auch der Enkel verlässt sich auf die Expertise des Bazar-Chefs, weil sein Großvater es schon tat.

Inhaber ist heute Norbert Honerath, ein Deutscher mit orientalischen Verzweigungen. Sein Onkel war Mitbegründer des Verbands der Orientteppich-Händler. Für den Neffen ist der Teppichhandel Hobby und Beruf zugleich. Seit Kindesbeinen ist ihm die Branche vertraut. Immer schon war das Geschäft in Familienhand, erst in Damaskus und seit 1898 in Hamburg. Bereits 1907 zog man ins Kaufmannshaus an der Bleichenbrücke. Dort sitzt der Orient-Bazar noch heute. Mittlerweile ist er praktisch ein Ein-Mann-Betrieb.

Einkauf in Hamburg

Früher importierte das Unternehmen Moussalli Teppiche noch selber aus den Ursprungsländern. Diesen Aufwand betreibt Norbert Honerath nicht mehr. Wer nahe am größten Orientteppichumschlag der Welt sitzt, braucht keine weiten Reisen zu unternehmen. Der Kaufmann durchstreift den Hamburger Freihafen und verlässt sich auf seine Erfahrung und sein gutes Auge: "Ich suche hier in Ruhe hochwertige Einzelstücke aus. Der Teppich muss mir selbst gefallen."

Auch die Nase spielt eine Rolle. "Die Wolle muss nach Wollfett riechen, der Teppich darf nicht chemisch behandelt sein, muss gut gearbeitet und mit natürlichen Farben erstellt sein."

Mit einer Handvoll bekannter Importeure teilt Norbert Honerath gegenseitiges Vertrauen. Dort findet er, was er sucht: in erster Linie klassische Orientware.

Individuelles Sortiment

Im Moussalli Orient-Bazar ist der gesamte Orient vertreten. Der Platz ist begrenzt, doch rund 2.000 Stücke hängen und liegen in Erdgeschoss und Keller. Norbert Honerath kennt jedes einzelne, auch wenn es versteckt unten im Stapel ruht. Wechselnde Einrichtungstrends sind für ihn kein Thema: "Ich finde auch manchmal etwas Modernes, aber Standard ist das nicht." Wenn er einen Gabbeh kauft, dann muss der zumindest alt sein.

Überhaupt sind alte Teppiche eine Leidenschaft des Hamburgers. 50 Jahre muss das Knüpfdatum her sein, damit sich ein Teppich das Markenzeichen "alt" anstecken darf. Ab 100 Jahren gilt der Stoff gar als antik.

So sind es alte China-Teppich, besonders aber ausgefallene Nomadenstücke, denen Norbert Honerath sein Herz schenkt. "Da kommt einfach mehr Gefühl rüber. In Bezug auf die Machart und das Muster. Aber direkt festgelegt bin ich deshalb nicht."

Bloß nachgemachte Teppiche aus Indien und Nepal sind ihm ein Gräuel. Der Teppich sollte seiner Ansicht nach daher stammen, wo sein Ursprung ist. Afghanische Teppiche aus Afghanistan hält er schon allein aus diesem Grund für edler als glanzgewaschene Exemplare aus dem Nachbarland Pakistan.

Randsortimente aus eigener Schmiede

"Mich reizt alles, was aus dem Rahmen fällt", sagt Teppichkenner Honerath und produziert immer neue Ideen. Kameltaschen und Salztaschen werden zu Dekostücken oder Kissen, Hocker und Fußbänke werden mit einem alten Kelim bezogen und auf Kundenwunsch werden speziellen Bezüge auf Maß genäht. "Es gibt kaum etwas, was man nicht machen kann."

Deshalb hängen auch Satteldecken, silberne Schmuckbänder aus Turkmenistan und Jurte-Bänder im Orient-Bazar Moussalli. Was aber wirklich besticht ist: Norbert Honerath macht viele Arbeiten selber. Beziehen, nähen oder Teppichrestauration - der Mann nimmt sich die Zeit und Muße, eigene Hand anzulegen. Und es macht ihm Spaß. Nur gelegentlich unterstützt ihn eine Knüpferin bei Reparaturen.

Kein Ausverkauf

Die Qualität muss gut sein und der Preis muss stimmen - so einfach lautet das Motto in dem Geschäft an der Bleichenbrücke. "Ich gebe keinen Rabatt von 50 Prozent, denn das ist Betrug", wird Norbert Honerath deutlich. "Und ich mache keinen Ausverkauf."

Das hat das alte Fachgeschäft auch nicht nötig. Honerath: "Unsere Stücke sind nicht Null-Acht-Fünfzehn. Jedes einzelne hat seine Besonderheit."

Die Marktsituation, erklärt der Kaufmann, sei nicht mehr so rosig wie vor dreißig Jahren, aber der Laden läuft und ernährt seinen Inhaber. Auf Expansion ist Honerath nicht aus. Früher gab es einmal Filialen in Berlin, aber das ist lange her. Und auch die zahlreichen Teppichläden in der näheren Umgebung haben längst geschlossen. Der Orient-Bazar ist geblieben.

"Mein Geschäft mache ich aus Spaß und Liebe. Die Konkurrenz interessiert mich wenig", erklärt Norbert Honerath. "Ich stöbere nicht in anderen Teppichläden, um mich dort über das Angebot zu informieren." Lieber macht er im Sommer vierzehn Tage zu, geht in Urlaub und freut sich, wenn bei der Rückkehr bereits Kunden vor der Tür stehen, die sich in seiner Abwesenheit in ein Schaufenster-Exponat verkuckt haben.

Diskretion ist Ehrensache

Der Orient-Bazar ist ausstaffiert wie ein Bazar - vollgestopft, intim und gemütlich - aber Bazar-Mentalität gehört hier nicht zum Umgang. Im Gegenteil: hanseatisches Understatement bestimmt den Ton. Honerath: "Ich bedränge meine Kunden nicht. Diskretion und Verschwiegenheit sind der Stil des Hauses."

Deshalb werden Besucher ins Hinterzimmer zum Kaffee oder Tee gebeten, wo es sich in aller Abgeschiedenheit plauschen lässt. Wer den Laden betreten hat, kann in der Anonymität verschwinden. Es gibt keine große Schaufenster-Front, die äußere Einblicke zulässt. "Meine Kunden wollen nicht auf dem Präsentierteller sitzen", weiß der Inhaber.

Besucher aus der ganzen Welt

Ein Geschäft, welches seit fast hundert Jahren am gleichen Platz sitzt, vermag auf eine reiche Liste an Stammkundschaft zurück zu greifen. Welch illustre Namen darin vertreten sind, will der Bazar-Chef nicht nennen. Auch das unterliegt der Diskretion. Aber fast jede alte, bekannte Hamburger Familie dürfte verzeichnet sein.

"Wer uns finden will, findet uns auch", setzt Norbert Honerath in Sachen Werbung vor allem auf Mundpropaganda. Rundschreiben und Anzeigen braucht er nicht. Der traditionelle Name und das in vielen Jahrzehnten erworbene Vertrauen in die Seriosität sind bestes Marketing.

Sogar Laufkundschaft registriert der Orient-Bazar Moussalli. "Hier sind viele Hotels in der Nähe, da kommen schon mal Touristen vorbei." So hat sich das kleine Geschäft im Laufe der Zeit eine Klientel weit über Deutschland hinaus erworben. "Die schauen immer wieder herein, wenn sie in Hamburg sind."

Österreich, Skandinavien, die USA, sogar bis nach Südamerika reichen die Verbindungen. Honerath: "Ich habe einen Kunden aus Brasilien, der alte Turkmenen liebt. Weil er nicht immer viel Devisen ausführen kann, lege ich für ihn ein Stück seiner Wahl auch mal bis nächstes Jahr in den Keller."

Service ist das A und O

Persönliche Kundenbetreuung ist ein Markenzeichen des alten Fachgeschäftes. Abends besucht Norbert Honerath Kunden, schaut die Räume an, schätzt die Farben ab - macht Vorschläge zur Raumgestaltung. Dann geht er los und sucht gezielt den passenden Teppich. Mit ein oder zwei Exemplaren kommt er zurück. "Die können dann ein paar Tage Probe liegen, werden gekauft oder ausgetauscht."

Da ist kein Druck hinter, keine Überredung - die Sache muss rund sein und der Kunde voll zufrieden.

Mehr als im Kundenauftrag kauft Norbert Honerath seine Ware nach eigenem Gutdünken ein. "Ich liege mit meiner Wahl gut", behauptet er. "Der Kunde dafür findet sich schon." Mit Informationen über Material, Herkunft und Geschichte des Teppichs wird dem Verbraucher das begehrte Stück nahe gebracht. So lernt er den Wert seines Teppichs schätzen.

Anliefern, Legen, Möbel umräumen - all das gehört zum Service, damit ein Teppich vor Ort zur Geltung kommt. Zwar wird heutzutage mehr Ware als früher direkt aus dem Geschäft verkauft, doch Honerath weiß, dass das Auge des Kunden im Laden schnell satt wird. Zu viele Farben strömen dort auf ihn ein. Erst wenn ein Teppich als Einzelstück in der eigenen Wohnung liegt, entsteht der wahre Eindruck.

Reparaturen und Restauration sind Leistungen, die der Orient-Bazar selbst unternimmt. Nur die Wäscherei wird außer Haus erledigt. "Wir empfehlen hier ein bestimmtes Unternehmen", sagt Honerath und betont: "Ohne Aufpreis."
aus Heimtex Orient 04/01 (Handel)