Imagefrage und betriebswirtschaftliches Thema

Wertabschreibungen und Preisentwicklung bei Orientteppichen

Der Einzelhandel wird immer wieder kritisch zum Preisrückgang bei Orientteppichen befragt. Einerseits von irritierten, auch schon mal anklagenden Verbrauchern, die einst Orientteppiche mit der Aussicht auf Wertanlage kauften. Nun, nach 10-20 Jahren, müssen sie feststellen, daß der heutige Markt Vergleichbares zur Hälfte des ursprünglichen Bezugspreises oder sogar noch darunter bietet. Andererseits haben die Betriebe oft das Problem, daß die Finanzämter sich weigern, Wertabschreibungen für länger lagernde Orientteppiche anzuerkennen. Für diese Auseinandersetzungen können wir den Steuerpflichtigen einige Argumentationshilfen vermitteln.

Festzustellen ist, daß trotz großer Auswahl aus anderen Knüpfländern der persische Teppich nach wie vor eine Art Leitfunktion inne hat. Von daher wirkt er tendenziell als Preisindikator auch für die mit ihm konkurrierenden Ursprungsländer. Das hier exemplarisch am Perserteppich dargestellte gilt somit ebenso für die Produktionen der meisten anderen teppichknüpfenden Ursprungsländer.

Rückblickend stellt sich die Entwicklung wie folgt dar: Bald nach der islamischen Revolution 1979 im Iran zogen die Preise für Orientteppiche merklich an, bei gleichzeitigem Nachlassen der Qualität. Daraufhin wurde das untere Preissegment größtenteils durch indische Knüpfungen kompensiert.

Preisverfall ab Mitte der 90er Jahre

Unbeirrt der seinerzeitigen Preisaufwärtsentwicklung in einem von steigender Binnenkonjunktur getragenen Markt stieg der Absatz von Orientteppichen in Deutschland. Mit zunehmender Konsolidierung des neuen Regimes vervielfachte sich die Teppichproduktion im Iran. Gleichzeitig wurde die Ware wieder besser. Die Preise stabilisierten sich allmählich. Mit Andauern des Irak-Krieges subventionierte der Iran dann allerdings seine Exporte, um dringend benötigte Devisen zu beschaffen. Dies wirkte sich derart nachhaltig auf die Teppichpreise aus, das sie merklich und recht kurzfristig sanken. Bereits zum Ende des Jahres 1985 zeichnete sich bei Orientteppichen eine vorerst noch vorsichtig nach unten gerichtete Preistendenz ab. In den darauffolgenden zwölf Monaten verstärkte sie sich dann unaufhörlich und schlug ab Mitte 1986 - vorerst nur im Importbereich - voll durch. In der Folgezeit verstärkte sich diese Tendenz zusehends und ging mit den neuen Einkäufen dann auch auf den Einzelhandel über. Gerechnet ab der zweiten Hälfte 1986 bis heute kann man - speziell bei persischen Teppichen - von einem regelrechten Preisverfall sprechen. Die Preise der meisten Provenienzen sind in den vergangenen fünfzehn Jahren um 50-70% gesunken. Rechnet man die Inflationsrate hinzu, dürfte der Preisrückgang sogar noch höher ausfallen.

Beispiel Mesched

Die Entwicklung ist sehr gut zu verdeutlichen am Beispiel der weit verbreiteten persischen Provenienz Mesched: Der Importeurabgabepreis ab Freihafenlager-Hamburg für eine mittlere Qualität lag zu Beginn des Jahres 1984 noch um DM 350,00 bis DM 400.00/m2 (unverzollt, ausschl. MwSt.). Heutzutage wird die gleiche Provenienz für ca. DM 120,00 bis 180,00/m2 angeboten. Bei den meisten Provenienzen - auch anderer Ursprungsländer - verhält es sich ähnlich.

Bei den afghanisch-pakistanischen Peschawar-Teppichen zeichnete sich eine dem iranischen Markt ähnliche Entwicklung ab. Von anfänglich gut DM 300,00 sanken die Quadratmeterpreise auf teilweise unter DM 150,-. Die Situation nach dem 11. September hat die nach unten zeigende Preistendenz noch verschärft. Anzunehmen ist allerdings, daß mit dem Arbeitskräftebedarf für den demnächst einsetzenden Wiederaufbau Afghanistans die Löhne allgemein steigen werden und dies dann auch auf die Knüpflöhne durchschlagen wird. Wenn derzeit auch noch verhalten, so hat inzwischen dennoch die Rückwanderung aus Nord-Pakistan bereits eingesetzt. Damit steht zu erwarten, daß das dortige Knüpfaufkommen sinken wird.

Zwei Segmente blieben preisstabil

Nur zwei Marktsegmente waren von sinkenden Preisentwicklungen weitestgehend ausgenommen:

1. Hochwertige Teppich-Antiquitäten (d.h. mind. 100 Jahre alte Knüpfungen) und semi-antike Ware (d.h. mind. 50 Jahre alt), die zwar auch im Preis nachgaben, aber durchschnittlich nur bis circa ein Drittel. Antike Teppiche chinesischen Ursprungs blieben im Preis sogar stabil, bzw. stiegen in den vergangenen 6 Monaten leicht an. Ursache ist nicht nur steigende Nachfrage. Da diese Ware ausschließlich in den USA eingekauft wird, bewirkt auch der US$, dessen Kurs inzwischen bei DM 2,20 liegt, den DM-Preisanstieg. Außerdem stiegen die Einkaufspreise in den USA.

2. Neue Teppiche aus der VR China werden zur anstehenden Ordersaison für Lieferungen in 2002 im Preis deutlich steigen. Hier hatten wir es bis dato jedoch mit einem eher niedrigen Preisgefüge zu tun, so daß das Preis-Leistungsverhältnis trotz Preisanstieg akzeptabel bleibt. Der Preisschub ist leicht erklärbar, denn durch die neue wirtschaftliche Ausrichtung Chinas stiegen im Land Löhne und Material (Schafwolle, Reine Seide, Baumwolle) erheblich. Außerdem wirkt sich hier ebenfalls der US$-Kurs direkt aus.

Wegen ihrer mengenmäßig geringen Marktbedeutung beeinflussen diese beiden Warensegmente jedoch kaum die Gesamtpreissituation.

Die Ursachen des Preisverfalls

Die Ursachen des Preisverfalls bei allen anderen Orientteppichen, gleich welchen Ursprungs, sind vielfältig. Die wichtigsten, die wegen des niedrigen Lagerumschlags im Einzelhandel meist erst mit einer Verzögerung von sechs bis zwölf Monaten an den Endverbraucher weitergegeben werden, sind:

Gesunkener US$-Kurs

Zwar hatte der US$ 1985 einen Höhenflug und lag in der Spitze bei DM 3,85. In den Folgejahren jedoch gewann die DM ständig an Wert. Wenn auch immer wieder schwankend, so wurde der US$-Kurs gegenüber Mitte der 80er Jahre dennoch inzwischen in etwa halbiert und hat sich mittlerweile bei circa DM 2,20 eingependelt. Da sich die Währungen der Erzeugerländer am US$ ausrichten (auch wenn sie nicht konvertierbar sind), schlagen die schwankenden Wechselkurse direkt auf die Preise durch.

Konkurrenz der Ursprungsländer untereinander

Da die Ursprungsländer auf dem deutschen Markt gegeneinander antreten, subventionieren deren Regierungen von Zeit zu Zeit die Exporte und verbilligen so die Ware. Teils durch Exportrückvergütungen, meist jedoch durch für den Exporteur günstiger gestaltete Devisenkurse gegenüber der Inlandswährung. Dies geschieht zusätzlich zum allgemeinen Preisdruck und wird auch ständig von der WTO kritisiert.

Knotendichten sinken

In einigen Ländern wird versucht, beim Knüpfen Material und Zeit zu sparen. Mit immer neuen Ideen - oder sollen wir sagen Finten - werden Knotendichten geschaffen, die auf den ersten Blick zwar kompakt wirken, bei eingehender Betrachtung jedoch qualitativ abfallen. Durch Einsparen von Material und Arbeitszeit kann günstiger angeboten werden.

Marktsättigung

Zwar ist die Fachwelt bezüglich der Marktsättigung geteilter Meinung. Doch die Aufnahmefähigkeit des deutschen Orientteppichmarktes scheint momentan an seine Grenzen zu stoßen. Wohl auch, weil seit einigen Jahren immer weniger Neuwohnraum geschaffen wird. Im Importbereich zeichnet sich daher seit einiger Zeit ein sichtbares Schrumpfen der Mengen ab. Der Handel begegnet diesem Lagerdruck mit Preisabschlägen. Das zwingt die Einkäufer, noch preisorientierter einzukaufen, was wiederum auf die Erzeugerpreise drückt.

Binnenkonjunktur

Die deutsche Binnenkonjunktur stagniert zwar auf relativ hohem Niveau, aber sie zeigt derzeit auch alle Merkmale eines sich anbahnenden Niedergangs. Ob dieser sich nun zu einer Rezession ausweiten wird oder nicht, mögen die Wirtschaftsauguren beurteilen. Unbestritten jedoch ist die überdeutliche Kaufzurückhaltung des Verbrauchers insbesondere bei Orientteppichen, einem Produkt, das nicht unbedingt zur vordringlichsten Anschaffung gehören.

Geschmackswandel

In den vergangenen 5 Jahren trat ein Geschmackswandel ein weg vom fülligen, farbenprächtigen Orient-Desssin, hin zu hellen Koloriten mit großzügigen Freiflächen. Diese Tendenz geht zu Lasten des klassischen Orientteppichs, der ca. 70% des Gesamtangebotes ausmacht. Diesem Trend begegnen die Importeure mit immer neuen Entwicklungen, so daß zeitangepaßte Dessins inzwischen einen erheblichen Umsatzanteil ausmachen. Dennoch beflügeln sie den Gesamtabsatz nicht ausreichend, um von einer Stabilisierung oder gar einem Aufwind zu sprechen. Nainfarben sind zwar en vogue, aber viel zu gering, um der Statistik aufzuhelfen. Die Gabbeh-Welle ist inzwischen verebbt. Die als Nachfolger gedachten Loribaffs/Rizbaffs werden aber eher verhalten abgesetzt. Positiv zu vermelden ist, daß der nach wie vor anhaltende Trend zum Parkett Orientteppichkäufe nach sich zieht.

Vergleicht man die Vielfalt der Provenienzen von vor gut zwanzig Jahren mit dem Angebot heute, ist festzustellen, das sich der Einkauf auf immer weniger gängige "Modelle" konzentriert. Dies wird eine Verarmung des traditionellen Provenienz-Spektrums mit sich bringen. Da man aber immer mehr zu Katalogware übergeht, wird diese Erkenntnis schon mittelfristig das Knüpfaufkommen bestimmen.

Der Knüpfteppich als Modeartikel

In diesem Warenbereich ist entscheidend in der Preisentwicklung, daß der Nepal-Teppich und vermehrt auch indische Produktionen immer bewußter aktuellen farblichen und stilistischen Trends folgen. Aber binnen Jahresfrist aus diesem Angebot nicht abgesetzte Dessins und Farbkompositionen, müssen zur Lagerbereinigung mit Rabatten veräußert werden. Im Bestand verbleibende Stücke sind wertmäßig zu berichtigen. Einige Importeure haben sich darauf spezialisiert, nach Vorstellungen der Kundenwünsche im Orient fertigen zu lassen. Ein lebhafter Markt, der aber insgesamt nur eine geringe Auswirkung hat.

Überlagerte Ware im Ursprungsland Nepal

Ähnlich wie vor Jahren bei den Berbern, hatte es die Branche im Bereich der Nepal-Teppiche mit einem unaufhaltsamen Preisverfall zu tun. Zu dieser Zeit drängten plötzlich riesige Mengen nicht abgenommener Orderware und 'auf Verdacht" geknüpfte Stockware zu Niedrigstpreisen auf den Markt. Sie wurden von den dortigen Exporteuren notgedrungen zu einem Viertel bis einem Drittel des Marktwertes veräußert. Diese Offerten drückten dann auch auf die in Deutschland vorhandenen Lagerbestände. Inzwischen sind diese Mengen weitestgehend abgesetzt. Der Preisdruck allerdings hallt noch nach.

Unseriöse Vertriebsmethoden.

Letztlich sollte nicht unerwähnt bleiben, daß unseriöse Vertriebsmethoden viele Verbraucher derart verunsichern, daß sie beim Kauf von Orientteppichen Zurückhaltung üben. Der Einzelhandel reagiert darauf mit höheren Preisnachlässen, was wiederum auf die Einkaufspreise drückt.

Die vorgenannten Erkenntnisse und Entwicklungen ziehen es aus betriebswirtschaftlicher Sicht nach sich, auf Altbestände entsprechend hohe Abschreibungen vornehmen zu müssen.

In diesem Zusammenhang wird auf den im SN-Verlag herausgegebenen Werth-Index verwiesen, der erstmalig für 2002 erscheint und jährlich aufgelegt wird. In ihm werden künftige Preisentwicklungen im Einzelhandel auch rückwirkend abzulesen sein. Er wird somit mittelfristig auch zum "Beweismittel" gegenüber den Finanzämtern.

Zukünftige Preisentwicklung

Unberücksichtigt der Entwicklung des Euro werden wir es zumindest im Bereich der persischen Knüpfungen auch künftig kaum mit steigenden Preisen zu tun haben. Aufgrund des Bevölkerungswachstums im Iran wird die Teppichproduktion dort ständig erhöht, denn in der Knüpfindustrie lassen sich die meisten Arbeitskräfte binden. Gleichzeitig aber lahmt der Absatz. Dennoch gibt man sich von Seiten der Ursprungsländer wenig Mühe, neue Märkte zu erschließen oder in den bestehenden endlich ein Produktmarketing zu betreiben. Dies würde mit Sicherheit dem Orientteppich aufhelfen. Momentan allerdings zeichnet sich im Iran jedoch eine (vorübergehende?) Preisverfestigung ab, während im Freihafen Hamburg, dem weltgrößten Umschlagsplatz für Orientteppiche, wegen der in Deutschland anhaltend schlechten Orientteppich-Konjunktur die Preise weiterhin erheblich unter Druck stehen.

Hinzu kommt, daß sich immer mehr Einkäufer direkt in den Orient begeben, um auf diese Weise möglichen Zwischenhandel auszuschalten. Etliche Importeure haben diese Entwicklung bereits mit eigenen Teppichlägern im Raum Teheran aufgefangen. Außerdem reisen sie mit ihren Einkäufern bis in die Knüpfregionen.

Die Bedeutung des großen Teppichbasars in Teheran ist in der Folge im Schwinden, denn die iranischen Aufkäufer-Exporteure haben mittlerweile eigene Einkaufsbüros oder -agenten in den wichtigsten Knüpfzentren etabliert. Die inzwischen gute inneriranische Logistik treibt diese Entwicklung weiter voran. Damit aber verliert der Zwischenhandel in Teheran mehr und mehr an Bedeutung.

Durch den allmählichen Wegfall des Facheinzelhandels und die damit einhergehende Einkaufskonzentration bei den Gruppen und Großflächenanbietern bündelt sich die Nachfragemacht in immer weniger Händen. Mit ihrem Einkaufsgewicht werden sie sich verstärkt jedem Preisanstieg widersetzen.
aus Heimtex Orient 04/01 (Teppiche)