Vorsicht bei Kunststofffasern im Orientteppich-Grundgewebe


Schon seit Jahren werden Kunstfasern für das Grundgewebe (Kette und Schuss) von Orientteppichen eingesetzt. Meist handelt es sich um Polyacryl- oder Polyestergarne. Im Iran sind sie inzwischen insbesondere bei gehobenen Qualitäten der Provenienzen Bidjar, Täbriz und 6-lah-Nains zum Teil fest etabliert. Der Streit über Sinn und Berechtigung dieses Materialeinsatzes in Orientteppichen scheint praxisseitig längst entschieden. Doch derart eingesetzte Kunstfasern können langfristig Probleme bringen, auf die es beizeiten aufmerksam zu machen gilt.

Bei Kunstfasern in Orientteppichen rümpfen Traditionalisten die Nase. Sie möchten, dass bei diesem Kunsthandwerk ausschließlich Naturfasern verwendet werden. Auch aus Imagegründen bestehen sie auf einem "Reinheitsgebot" für Orientteppiche: Wolle, Baumwolle, reine Seide und nichts anderes. Einige sind gerade noch bereit, merzerisierte Baumwolle als Flor zu akzeptieren. Auch Filamentgarne sind ihnen suspekt, obwohl das immerhin Endloskunstfasern auf natürlicher Zellulosebasis sind, volkstümlich Kunstseide genannt. Viele in der Fachwelt sehen das allerdings nicht so eng und meinen, dass Kunstfasern zumindest im Grundgewebe für Orientteppiche zulässig sind. Hingegen wird Flor aus Kunstfasern bei Knüpfungen aber auch bei Flachgewebe durchweg abgelehnt. Im Handtufting dagegen hat sich neben Wolle der Polyacrylflor bereits durchgesetzt.

Mit vorausschauender Skepsis wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Probleme entstehen können, sobald Teppiche mit Kunstfaser-Grundgewebe, gepaart mit einem Flor aus Naturfasern, einer Reinigungswäsche zugeführt werden. Diese Befürchtungen haben sich jedoch in nur wenigen Fälle als berechtigt erwiesen. Sollte sich allerdings ein mit Kunstfaser-Grundgewebe ausgestatteter Teppich bei der Wäsche verziehen, was immer mal wieder vorkommt, lässt er sich mittels Spannen nicht mehr "zurechtrücken". Solche Teppiche springen selbst nach mehrmaligem Strecken in kurzer Zeit wieder in ihre verzogene Form zurück oder sie bleiben wellig und beulig.

Gefährlich wird es, wenn in ein und dem selben Knüpfteppich sowohl Natur- als auch Kunstfasern in Kette und Schuss oder auch nur in einem von beiden gemeinsam verwendet werden. Da sich Kunst- und Naturfasern bei Berührung mit Wasser völlig unterschiedlich verhalten, wird ein aus solchem Materialmix hergestellter Knüpfteppich mit ziemlicher Gewissheit bei der Wäsche wellig werden - und es trotz kräftigen Spannens auch bleiben. Der Schaden ist nicht zu beheben, der Teppich wertlos.

Dies passierte erst kürzlich mit einem 60er Täbriz-Mahi, der fachlich korrekt gewaschen wurde. Sein Schätzwert belief sich auf immerhin 10.000 DM. Für den Eigentümer ein Totalverlust, denn die Wäscherei fühlt sich nicht verantwortlich. Sie darf davon ausgehen, nur Teppiche, die der Norm entsprechen, angedient zu bekommen. Dabei beruft sie sich darauf, dass Kunststoff- und Baumwollfransen rein optisch nicht zu unterscheiden sind. Erst eine Brennprobe bringt Klarheit. Es ist aber nicht möglich, von jedem eingelieferten Stück über die Fransen das Kettmaterial zu prüfen. Ein solches Ergebnis wäre zudem auch nicht verlässlich, da die Fransen bisweilen nur einige Zentimeter in den Teppich hinein ragen. Anschließend wird das Kettgarn gewechselt. Und an die Schüsse kommt sowieso keiner heran.

Da das TKG nur die Kennzeichnung des Flormaterials vorschreibt, im TKG Nutzschicht genannt, und auf die des Grundgewebes verzichtet, gilt es, auf Hersteller und Vorlieferanten einzuwirken, entweder nur Kunstfasern oder nur Naturfasern zu verwenden. Auch wenn der Handel vermutlich die erst nach Jahren auftretenden Reklamationen zurückweisen kann, so wird der Orientteppich-Besitzer dennoch empört sein. Deshalb ist es wohl das beste, gleich darauf zu achten, dass kein Materialmix den Verbraucher erreicht.
aus Heimtex Orient 03/01 (Teppiche)