Warenkunde

Ghoutschan (Kordi)


Zwar hat es sich eingebürgert, diese aus Nordost-Persien stammenden Teppiche als Ghoutschan zu handeln. Diese inzwischen fest etablierte Provenienzbezeichnung ist jedoch ebenso falsch wie beispielsweise der Name Buchara für die bekannten Turkmenenteppiche. In der kleinen Distrikt-Hauptstadt Ghoutschan selbst wird so gut wie nichts produziert. Auch werden auf ihrem Bazar nur wenige Teppiche gehandelt. Die meisten gehen direkt von den Dörfern nach Mesched, dem Haupthandelsplatz für diese Teppichgruppe, oder nach Teheran, dem Hauptbazar für den Export.

Einige Provenienznamen wurden im Laufe der Zeit durch den Handel bestimmt und geben mehr einen Gattungsnamen wieder als im eigentlichen Sinn die Herkunft. Zudem ist die Provenienz Ghoutschan derart heterogen, dass man nicht von einem Teppich mit identischen Merkmalen sprechen kann. Die Ghoutschans reichen vom belutschartigen Dessin bis neuerdings zu floralen und auch kaukasisch nachempfundenen Mustern, die bisweilen schon in Kleinateliers, also arbeitsteilig, hergestellt werden.

Allen klassischen Kordi-Ghoutschans ist jedoch gemein, dass sie stark von turkmenischen, aber auch kaukasischen Musterdetails geprägt sind. Dies ist erklärlich aus der Nähe zu den im Norden sich anschließenden Siedlungs- und Wandergebieten der Turkmenen, denen wir den so genannten Buchara verdanken. Viele in Chorassan bereits seit Jahrhunderten ansässigen Kurden-Clans kamen ursprünglich aus dem südlichen Kaukasus.

Durch den Einfluss der iranischen Teppichexporteure beziehungsweise Importeure in den Exportmärkten, wie zum Beispiel Deutschland, verlassen die heutigen Ghoutschans immer mehr ihre eigenständigen Mustertraditionen und passen sich dem Marktgeschehen an. Neuerdings werden sogar kaukasische Dessins gestaltet. Diese Knüpfungen werden sinnigerweise als Nobaff, Persisch für Neuknüpfung, gehandelt.

Das Gebiet zwischen Bodjnurd, Esfarayen, Ghoutschan, Kalat-i-Nadir und Darreh Gaz ist überwiegend von Kurden der Stämme der Baikanlou, Bravanlou, Karamanlou, Mahlwanlou, Milanlou, Raschwanlou, Rud-kanlou, Tupkanlou und Waranlou bewohnt. Ihre Vorfahren wurden dort zu Zeiten der Safawiden (1501 - 1722) teils freiwillig, teils unter Zwang angesiedelt. Ursprünglich kommen sie alle aus den kurdischen Stammlanden zwischen der Ost-Türkei, dem Süden des Kaukasus, West-Persien, Nord-Syrien und Nord-Irak. In ein und dem selben Dorf können jedoch auch Afscharen, angesiedelt zu Zeiten Shah Abbas des Großen (1587 - 1628), Luren, deportiert von Nadir Shah (1722 - 1747), Turkmenen und andere Volkszugehörigkeiten zusammen ansässig sein. Trotz enger und friedvoller Nachbarschaft unterscheiden sich die Dessins ihrer textilen Erzeugnisse jedoch deutlich voneinander.

Als sehr kriegerisches Volk wurden die westlichen Kurden einst als eine Art Wehrbauern und als kämpferische Nomaden eingesetzt, um die noch heute von ihnen besiedelte Region in Nordost-Iran, die in alten Zeiten als Einfallstor in das iranische Hochland galt, gegen die immer wieder anbrandenden Steppenvölker Innerasiens zu verteidigen. Wegen ihrer militärischen Bedeutung waren sie zeitweise sogar von Steuern befreit und gelangten zu einer gewissen Eigenständigkeit gegenüber den Zentralregierungen.

Ihre früher stark ethnisch geprägten Muster und die Verwendung ihrer Knüpf- und Webarbeiten als Balisht, Chantehs, Chordjins, Kapans, Namakdans, Pferdedecken, Soffrehs, Tubrehs oder Zeltbänder haben etliche, volkskundlich interessante Privatsammlungen entstehen lassen.

Außer den Kurden sind noch zahlreiche andere Stämme im Nordosten der Provinz Chorassan ansässig. Deren Knüpfarbeiten werden ebenfalls als Kordi beziehungsweise Ghoutschan gehandelt.

Einen guten Einblick in die Geschichte und Siedlungsstruktur sowie das traditionelle Knüpfhandwerk der Khorassan-Kurden gibt das Buch Kordi von Wilfried Stanzer.


Ghoutschan (Kordi) in Stichworten

Andere Schreibweisen: Kutschan, Ghoudjan, Ghouchan, Ghoutshan
Richtige Aussprache: Betonung auf der ersten Silbe, langgezogenes a
Andere Bezeichnung: wird auch als Kordi gehandelt
Ursprungsland: Iran
Herstellungsort/-region: Nordost-Iran, Gebiet der Chorassan-Kurden
Haupthandelsplätze: Mesched, Teheran, Hamburg
Herstellungsbasis: am horizontalen und vertikalen Knüpfstuhl in Klein-Ateliers, im Hausfleiß und von Nomaden im Zelt
Formate: fast ausschließlich Brückengrößen, Teppiche über 7 qm sind sehr selten; neuerdings auch quadratische Abmessungen; Läufer unbekannt
Flor: Schafwolle, keine Seidenteppiche
Kette und Schuss: Schafwolle
Knotenform: Gördesknoten (auch Türkischer Knoten, Turkbaff oder Symmetrischer Knoten genannt), vereinzelt auch Senneh-Knoten
Knüpfung: geschichtet; es kommen aber auch nicht-geschichtete Ghoutschans vor
Musterduktus: streng geometrisch, mit oder ohne Medaillon, auch Allover; neuerdings kommen auch floral gemusterte Knüpfungen auf den Markt; umlaufende Bordüren
Besonderheiten: steht stark unter dem Einfluss turkmenischer Muster und Belutsch-Dessins, mit denen er oft verwechselt wird
Farbgebung: Die Bandbreite reicht von dunklen, tonigen bis hin zu vielfarbigen, bunten Dessins.
Bemerkung: In jeder Hinsicht sehr uneinheitliche Provenienz. Ghoutschans sollten auf einer Teppichunterlage verlegt werden. Sehr verbraucherfreundliches Preis-Leistungsverhältnis.

Quadratmeterpreise im Einzelhandel: Die Preisangaben berücksichtigen keine Sonderangebote, Übermaße und seltene Abmessungen und beziehen sichausschließlich auf Neuknüpfungen der letzten 20 Jahre:
bis 120.000 Knoten/ qm: ca. 750 DM/ 375 Euro bis 1.000 DM/ 500 Euro
bis 200.000 Knoten/ qm: ca. 1.100 DM/ 550 Euro bis 1.300 DM/ 650,- Euro
Ghoutschan-Nobaff
bis 250.000 Knoten/ qm: ca. 700 DM/ 350 Euro bis 1.000 DM/ 500 Euro
aus Heimtex Orient 03/01 (Teppiche)