Sammlung Richard Hersberger

Teppiche wie Bilder

Die renommierteste und mit 2.000 Stück umfangreichste Nomadenteppich-Sammlung der Welt ist im Muttenzer Geschäft für moderne Innenarchitektur und Designmöbel Hersberger beheimatet. Richard Hersberger widmet sich seit seiner frühesten Jugend seiner Leidenschaft für textile Unikate aus Marokko und Süd-Persien. Als Innenarchitekt und Designer schätzt er den hohen künstlerischen Wert der Nomadenteppiche gleichermaßen wie ihren Gebrauchswert.

Richard Hersberger ist Innenarchitekt, Sammler und Maler. Eigentlich wollte er Künstler, werden und studierte an der Kunstgewerbeschule in Basel Malerei. Auf Druck des Elternhauses ließ er sich dann zum Innenarchitekten ausbilden und trat in das 1933 gegründete Familienunternehmen ein. Später unterrichtete er in Basel angehende Innenarchitekten und war als Gestalter für mehrere bekannte Schweizer Möbelfirmen tätig. Seit 1980 kamen Aufträge für die Gestaltung von Eisenbahnwagen hinzu.

Seine erste Leidenschaft, diejenige für die Werke der modernen Malerei wie Kandinsky oder Klee, führte ihn zur großen Liebe seines Lebens: zu den Nomadenteppichen. Bereits in den 60er Jahren, als sich noch niemand für diese Art von "Souvenirs" interessierte, legte er den Grundstein zu seiner mittlerweile berühmten Sammlung.

Mit dem "Virus" infinziert

Auf seinen ersten Reisen nach Marokko begegneten ihm bei den Berberstämmen und auf den Märkten immer wieder "Teppiche wie Bilder" - jede Knüpferin erzählt in ihren Werken die Geschichte ihres Lebens, die Geschichte der Wanderung des letzten Jahres, die Geschichte der Familie. Die oft eigenwilligen Kombinationen der Farben und Formen erinnerten ihn an die moderne Malerei, und das "Virus" hatte sich eingenistet.

Wer sich einmal näher mit der Geschichte der Nomadenteppiche, mit dem Leben der verschiedenen Stämme, mit dem Selbstbewusstsein dieser stolzen Menschen befasst hat, wird diese Teppiche immer lieben und in ihnen lesen wie in einem Buch. Auch Richard Hersberger ging es so und er sammelte auf seinen vielen Reisen. Mindestens ein- oder zweimal im Jahr zog es ihn nach Marokko, oft auch in andere Länder, in denen noch Nomaden leben. Ab und zu begleiteten ihn Freunde oder Menschen, denen er von den zu entdeckenden Schätzen bereitwillig Auskunft gab und zu seinen Quellen mitnahm.

Auszeichnung mit dem "Teppich-Oscar"

1991 erschien das bekannte Berber-Buch des österreichischen Teppichwissenschaftlers Wilfried Stanzer, in dem die Sammlung Hersbergers erstmals publiziert wurde. Auch Stanzer wurde durch Hersberger in die Welt der Nomaden Marokkos eingeführt. Für dieses bis heute umfassendste Standardwerk - es erzählt unter anderem über Herkunft und Techniken und erklärt die Sprache der Muster und Formen - sowie für seine langjährigen Verdienste um Teppiche und Textilien aus Marokko wurde Hersberger 1995 mit dem begehrten Teppich-Oscar ausgezeichnet, dem Joseph V. Mc Mullen Award vom Near Eastern Art Research Center in Washington DC, USA.

"Eigentlich gehören Auszeichnung und Ruhm den Frauen, die die Teppichtradition pflegen und diese Kunstwerke herstellen", meint Hersberger bescheiden. Positiv sei, dass durch den Teppich-Oscar das Ansehen der Nomadenstämme innerhalb der marokkanischen Gesellschaft steige und der harte Kampf ums Überleben im immer knapper werdenden Lebensraum etwas einfacher werde.

Marokkanische Teppiche werden nach Volksstämmen benannt

Die Nomaden Marokkos leben im Sommer im Atlas, im Winter in den fruchtbaren Ebenen. Die Familien weben und knüpfen die Teppiche für den Eigengebrauch. In ihrer Lebensform ist ein Teppich viel mehr als ein Bodenbelag. Im Nomadenzelt dient er als Bett und Bettdecke, als mobiles Möbel schlechthin. Die Nomaden scheren ihre Ziegen und Schafe, sie spinnen und färben die Wolle selbst.

Die Menschen glauben an die Bedeutung von Farben und Formen, sie verarbeiten weiße Wolle als Glücksbringer und setzen schwarze Zeichen zur Abwehr von Unheil. Sie knüpfen Gefühle, Freude, Sorgen und Trauer in die Teppiche. Manchmal hat man beim Betrachten das Gefühl, ein Teppich bestehe aus völlig verschiedenen Teilen. Das kann passieren, wenn eine junge Frau, vielleicht aus einem anderen Stamm, in die Familie einheiratet und am Teppich wie selbstverständlich mitarbeitet. Ein Nomadenteppich bedeutet die finanzielle Reserve für die Familie, er wird hergestellt, wenn Zeit und Material vorhanden sind, und er wird bei Bedarf verkauft, wenn die Ernte schlecht war oder eine Anschaffung ansteht.

Jeder Stamm hat seine für ihn typische Teppichart. Man erkennt sie an den Farben, den Formen und an ihren Mustern. Während persische Nomadenteppiche den Namen einer Stadt oder einer Region tragen, erhalten marokkanische Nomadenteppiche Stammesnamen.

"Die wildesten sind die schönsten"

Der Sammler Hersberger suchte seine Teppiche nach ihrer künstlerischen Ausstrahlung, der Ausdrucksstärke von Zeichnung, Farbe und Struktur aus. Die Feinheit der Knüpfung spielte bei seiner Wahl eine eher untergeordnete Rolle. "Die wildesten sind die schönsten", sagt Hersberger, und meint damit die "Tapis fous". Die in Pink, Grün, Rot und Gelb gehaltenen, farbenprächtigen und wild gemusterten Boujards aus dem Mittleren Atlas haben es ihm besonders angetan.

Teil der Sammlung wird verkauft

Die etwa 2.000 Teppiche der Sammlung Hersberger wurden alle von ihm persönlich ausgesucht und sind zwischen 10 und 90 Jahre alt. Ganz rare Stücke der Sammlung werden nicht verkauft, alle anderen schon. Regelmäßig finden im Geschäft für Innenarchitektur in Muttenz Ausstellungen statt, die auch Besucher aus fernen Ländern anziehen.

Seit vielen Jahren wird Hersberger von Nisar Makhdoomi auf seinen Reisen begleitet. Makhdoomi ist seit 1998 zusammen mit einem weiteren, langjährigen Mitarbeiter Hersbergers für das Geschäft in Muttenz verantwortlich. Makhdoomi kam vor Jahren aus dem Kaschmir in die Schweiz. Seine Herkunft gab ihm Verständnis und Liebe für Textilien mit auf den Lebensweg: Er hat bei seiner Mutter gesehen, wie gewebt und geknüpft wird, und sich früh für die Restauration wertvoller alter Teppiche interessiert. Auch er sammelt, kritisch und als Ergänzung zur bestehenden Sammlung.

Richard Hersberger hat sich langsam aus dem Geschäft zurückgezogen. Als erfahrener und geschätzter Kunsthistoriker beteiligte er sich zuletzt am Aufbau der neuen Kunstsammlung des Kantons Baselland. In letzter Zeit ist Makhdoomi immer allein auf Einkaufstour in die Ursprungsländer gefahren, aber Richard Hersberger wird es wohl bald einmal wieder nach Marokko ziehen. Wie gesagt, das Virus ...
aus Heimtex Orient 01/01 (Handel)