Decosit 2002

Möbelstoffe sehen rot

Auch die Decosit hatte Aussteller- und Besucher-Einbußen, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie es bei anderen Herbstterminen festzustellen war. Wer internationale Kontakte im Möbelstoff-Bereich sucht, muss nach Brüssel. Dort fanden die Besucher in diesem Jahr spannungsreiche Kontraste, unterschiedliche Materialien und Effekte, Metallic-Akzente und Cord als neues Trend-Thema aus der DOB. Farblich geben Naturfarben und eine warme Rotskala den Ton an.

Während andere Messen angesichts der Konjunkturkrise um ihre Existenz kämpfen müssen - oder diesen Kampf bereits verloren haben - zeigte sich die Decosit in Brüssel relativ stabil. Mit 370 Ausstellern aus 31 Ländern kam sie fast an die Vorjahreszahl heran, die Besucherzahl reduzierte sich mit gut 13.300 nur um 400 gegenüber dem Vorjahr.

Dabei profitiert die weltweit bedeutendste Möbelstoff-Messe klar von ihrer Internationalität. Wer internationale Kontakte sucht, muss nach Brüssel. Das wissen auch die ansonsten zur Zeit eher messemüden Deutschen. Deutlich zurückhaltender auf Aussteller- wie auf Besucherseite waren die Amerikaner, denen der lange Flug "über den großen Teich" nach dem schicksalsträchtigen 11. September nicht zu behagen scheint. Das war vor allem im Teppichboden-Bereich auf der Decosit-Schwester Messe Deco Contract zu bemerken. Rückläufig waren auch die Besucherzalen aus dem mittleren Osten. Hier machen sich die politischen Verhältnissse in Israel und dem Libanon bemerkbar. Mehr Einkäufer kamen dafür aus Ost- und Südeuropa sowie aus Skandinavien.

Gerade die deutschen Anbieter brauchen den Export. Im Inland sieht es nämlich nicht so rosig ist. Die Möbelindustrie als starker Kunder leidet unter dem Konsum-Boykott der Verbraucher. Außerdem haben speziell die Polstermöbelhersteller Produktion und Arbeitsplätze abgebaut, gleichzeit fand eine starke Konzentration statt: So hat sich die Zahl der marktrelevanten deutschen Polstermöbelproduzenten fast halbiert . Kommt erschwerend hinzu, dass sich auch die Vertriebsstrukturen im Umbruch befinden. Der Möbelfachhandel verliert langsam, aber stetig an Bedeutung, Mitnahme-Konzepte und Discounter legen. Das wirkt sich auch rückwärts bis zu den Stoffherstellern aus. Dr. Thomas Kneitz von Pippig & Reichel fordert, dass sich der Fachhandel mehr differenzeren und profilieren müsse - durch eigenständige Sortimente ebenso wie durch kompetente Beratung und Service. "Der Handel setzt auf Fläche mit wenig Leuten. Das ist kann nicht funktionieren."

Erstaunlicherweise spiegelte sich die schlechte wirtschaftliche Lage - zumindest der deutschen Möbelindustrie - nicht stimmungsmäßig in Brüssel wieder. Die Geschäfte waren vielfach erfolgreicher als erwartet, viele meldeten , dass sie ihre Auftragsbücher "ganz ordentlich gefüllt hätten" und sehen das als erstes Anzeichen für eine Erholung. "Ich glaube, dass wir das Tal der Tränen durchschritten haben", hofft Ernst-Joachim Beck. " Zumindest war bei uns der Auftragseingang im Juli und August höher als im Vorjahr. Im August hatten wir sogar erstmals ein leichtes Umsatzplus. Das Geschäft ist nach wie vor zäh, aber inzwischen sind viele Lager abgebaut, die wieder gefüllt werden müssen."

Mit zur entspannten Stimmung auf der Decosit beigetragen hat sicher die gute Organisation der Messeleitung. Wo gibt es schon regelmäßigen Shuttle-Service in die Innenstadt und jeden Morgen kostenlosen Kaffee für die Aussteller? "Die Atmosphäre stimmt hier", war denn auch die einhellige Meinung.

Schon etabliert scheint die Decosit-Schwestermesse Deco Contract, die sich auf Möbelstoffe, Wand- und Bodenbeläge für den Objekteinstz spezialisiert hat. Das Angebot ist handlich mit 52 Ausstellern - Italiener dominieren - die Besucherzahl mit knapp 5.500 aber gar nicht so klein. Besonders großes Interesse fand der Hospitality-Sektor, der deshalb künftig ausgeweitet werden soll. Außerdem steht eine Öffnung für andere Produktgruppen wie Möbel, Beleuchtung, Bettwaren und Zubehör zur Diskussion.

Allgemein positiv aufgenommen wurde die Vorverlegung der Decosit. Statt Sonntags hatte sie in diesem Jahr bereits Samstag mittag geöffnet. Das allerdings war vielen zu spät, deswgen gelten ab dem nächsten Jahr die normalen Öffnungszeiten von morgens an. Gute Noten bekam auch der überarbeitete Katalog.

Partner beider Fachmessen war wieder Trevira. Für den Marktführer für schwer entflammbare Polyesterfasern sind Decosit und Deco Contract ein wichtiges Podium, um die große Vielfalt an Trevira CS-Stoffen zu präsentieren - nicht nur auf den Ständen der Kunden, sondern auf einer Sonderfläche mit VIP-Lounge. Außerdem wurde in Brüssel zum fünften Mal der Trevira Award für die interessanteste Trevira CS-Neuentwicklung verliehen. In diesem Jahr wurde das Dession Chiocciola aus der Kollektion New Age von May-Tex prämiert. nspi-rationen aus den siebziger Jahren in neuen Colorierungen dargestellt werden. Ferner bestritt Trevira Vorträge zu verschiedenen branchenrelevanten Themenfeldern wie Normung oder den Regeln für das Geschäft mit der Schiffahrts-Industrie.

Bei den messe-eigenen Sonderschauen stellt sich klar die Frage nach Sinn und Nutzen. Das gilt nicht nur für die "flämischen Meister", eine lokalpatriotische Austellung der flämischen Möbelstoffhersteller, sondern vor allem für die alljährlichen Trendvorschläge der Decosit, die für 2003/ 2004 unter dem Motto "Existentials" an vier Lebensabschnitten von der Kindheit bis zum Lebensabend orientieren. Schon die Zuordnung nach "Kinderzeit", "Rebellion", "Erwachsenen" und "Senioren" ist mehr als fragwürdig. Dilettantisch bis peinlich war die Ausführung. Hier muss mehr Niveau her - oder das Geld kann gleich eingespart werden.

Und wo geht der Trend bei Möbelstoffen wirklich hin? Ganz klar zu wohnlichen, neutralen "sicheren" Naturtönen wie Creme, Sankd, Schilf, Braun und auch weiterhin zu Rot, das bis ins Orange, Goldene, aber auch in Rost-Nuancen spielen darf. Oft zu sehen: Warmes Terracotta. Als Auflockerung dienen Grün, Blau und Türkis.

Die Farbe scheint als Gestaltungselement langsam wieder an Bedeutung zu gewinnen, wichtig bleiben darüber hinaus spannungsreiche Kontraste: glänzend und matt, changierend und stumpf, haarig und glatt, strukturiert und flach. Buntgewebe gewinnen durch reliefartige Oberflächen durch Effektgarne an Reiz, dezent eingesetzte Metallicgarne mit vergoldetem oder aluminisiertem Garn bringen die Stoffe zum Glänzen und Glitzern. Neue Ausrüstungs-Techniken ergeben blasige oder wellige Effekte. Topmodisch: Pepitamusterungen in Schwarz-Weiß.

Die Materialien müssen hochwertig und komfortabel sein. Weiter "in" sind Veloure und samtige Chenille, Wolle und Angora werden mit Kunstfasern kombiniert, Cord erlebt schmal-, mittel- oder breitgerippt wie in der DOB ein Comeback.

Bei Leder hält der Trend zu natürlich anmutenden Anilin-Qualitäten an. Als Alternative: Neuentwicklungen wie das Anilin-Dickleder Madox mit Wolken-Effekt von der Lederfabrik Schweizer. Neben klassischem Schwarz dominieren Beige- und Brauntöne in allen Schattierungen sowie Rot bis hin zu Rot-Braun. Speziell Schweizer bietet aber zahlreiche weitere Farben bis hin Wasserblau, Brombeer, Lila oder Türkis. Ab 100 Häuten sind Sonderfarben möglich.

Immer beliebter werden bei Polsterern Leder-Ersatzstoffe aus High Tech-Fasern, die in Optik und Haptik kaum von hochwertigen Naturhäuten zu unterscheiden, aber preiswerter, pflegeleicht und brandgeschützt sind. Ein interessantes Angebot hat hier Hornschuch mit Reptil-, Rind-, Kalbs- und Büffelleder-Optiken in vielen Farben.

Im kommenden Jahr feiert die Decosit ihr 25. Jubiläum. Nächster Termin ist der 6.bis 9. September 2003.
aus BTH Heimtex 10/02 (Wirtschaft)