Interview mit Wim Warnier und Joachim Stock

"Stammkunden gewinnt man nicht über den Preis"

Hinter dem Erfolg von Ideco in Deutschland steht mit Wim Warnier als Geschäftsführer und Joachim Stock als Verkaufsleiter Deutschland ein junges, unverbrauchtes, hochmotiviertes Gespann, dass aufmerksam die Veränderungen im Markt beobachtet und sich flexibel darauf einstellt. BTH-Chefredakteur Claudia Steinert sprach mit ihnen über die Bedeutung von Großhandel und Baumärkten für die Tapete sowie neue Konzepte der Kundenansprache.

BTH: Ideco gehörte in den letzten Jahren zu den Gewinnern in der Branche. Können Sie im schweren Jahr 2002 an Ihren Erfolg aus den Vorjahren anknüpfen?

Joachim Stock: Wenn man die Entwicklung des Gesamtmarktes betrachtet, stehen wir schon sehr gut da. Der Markt an sich entwickelt sich noch schlechter als im letzten Jahr, das auch schon nicht einfach war. Wir haben unsere Ziele bis Jahresmitte erfüllt, müssen sicher bis Jahresende noch kräftig daran weiterarbeiten, sind aber optimistisch, dass wir das Gesamtjahr positiv abschließen werden.

BTH: Was heißt das konkret? Nur ein kleines Minus, pari oder ein kleines Plus?

Stock: Nein, ein zweistelliges Plus und im Moment sieht es so aus, als könnten wir das schaffen.

BTH: Wo haben Sie dazu gewonnen? Quer durch alle, oder bei bestimmten Kundengruppen?

Stock: Wir haben durch den Kollektionswechsel im letzten Jahr, der sehr gut gelaufen ist und im darauffolgenden Herbst und Frühjahr voll zum Tragen kommt, unsere Position im Großhandel klar verbessern können und wir haben bei den Filialisten stark dazu gewonnen. Der Facheinzelhandel, der für uns auch sehr wichtig ist, hat leider seine eigene negative Dynamik. Hier gehen aufgrund von fehlender Nachfolge oder finanziellen Problemen Kunden verloren.

BTH: Stichwort Großhandel: Er verliert im Markt für die Tapete kontinuierlich an Bedeutung. Nur noch wenige Grossisten pflegen das Produkt Tapete. Ist der Großhandel als Distributeur für die Tapete überflüssig? Läuft die Tapete Gefahr, zum reinen Baumarkt-Produkt zu mutieren?

Stock: Keinesfalls. Sicher gibt es Großhändler, die sich für die Tapete engagieren und auch entsprechend stark sind, und es gibt Großhändler, die die Tapete nur noch als Pflichtübung sehen, weil sie an der Unternehmensfassade steht. Die werden auch weiter verlieren. Und die anderen müssen sich zunehmend mit dem Produkt - und auch den Lieferanten - auseinandersetzen, ihr Sortiment überdenken und sich fragen, welche Funktion sie als Großhändler haben, was sie verdienen müssen, um diese Funktion zu erfüllen und mit welchen Produkten sie so viel verdienen können.

BTH: Und die Baumärkte?

Stock: Ich bin fest überzeugt, dass die Baumärkte ihren Anteil weder in der Menge noch im Umsatz halten werden. Wenn Sie heute in Baumärkte gehen, fällt doch schon auf, dass die Flächen für Tapeten immer kleiner und die Präsentation immer kompakter wird, um anderen Sortimenten mehr Platz einzuräumen. Wie oft habe ich schon Abteilungen in Baumärkten gesehen, wo artfremde Produkte wie Fahrräder o.ä. so weit in die Tapetenflächen hineindrängen, dass die Tapete gar nicht mehr wahrgenommen werden.

Wobei ich grundsätzlich glaube, dass die Tapete im nächsten Jahr hierzulande noch weiter an Boden verlieren wird. Wir haben den Tiefpunkt noch nicht erreicht. Das hängt unter anderem mit der sehr konservativen modischen Einstellung in Deutschland zusammen, die den Renovierungszyklus verlängert. Mit einem Uni in Beige oder Bleu an der Wand kann man auch langfristig nichts falsch machen - und diese Flächen sind für die Tapete auf Jahre verloren. Kein Wunder, dass unser Renovierungszyklus für die Tapete bei 7 oder mehr Jahren liegt. Das ist in Frankreich oder England ganz anders.

BTH: Machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie die Tapeten-Flaute auf den Verbraucher abschieben? Der Farbenindustrie ist es immerhin gelungen, den Konsumenten mit Wisch-, Spachtel-, Tupf-, Schwamm- und Lasurtechniken für ihr Produkt zu gewinnen Kreativität an der Wand ist also durchaus gefragt.

Stock: Es stimmt, dass die Farbe eine Kreativität in die Wandgestaltung hineingebracht hat, die wir mit der Tapete offenbar nicht vermitteln können. Dabei können wir das mit der Tapete noch besser. Sehen Sie sich beispielsweise unsere Kollektion Salinas an: Das ist die perfekte Wischtechnik fix und fertig von der Rolle mit Sicherheitsgarantie für gutes Gelingen. Das kreative Angebot ist da, keine Frage - nur bekommt es der Verbraucher gar nicht erst zu sehen, weil es im Handel zu wenig gezeigt wird. Wir erleben immer wieder, dass der Handel zu sehr rückwärts orientiert ist: Er stellt sein Sortiment danach zusammen, was im letzten Jahr gut gelaufen ist, anstatt vorwärts zu blicken und zu überlegen, welche Farbe, welches Dessin oder welche Struktur im nächsten Jahr im Trend liegen könnten.

Wim Warnier: Das Thema geht noch weiter. Man muss doch heute überlegen, wie man den Verbraucher überhaupt in das Geschäft zieht. Ziel muss sein, die Frauen anzusprechen, denn die treffen die Entscheidungen bei der Wohnungs-Ausstattung. Und dann vor allem junge Frauen, junge Familien, das sind unsere Kunden von morgen. Aber: Die kaufen anders ein. Die gehen nicht in das alteingessene, traditionsreiche Fachgeschäft, sondern zu Ikea, Habitat oder anderen ganzheitlichen Handelskonzepten. Stichwort One-Stop-Shopping. Und dann muss die entsprechenden Abteilungen gut gestaltet sein, gepflegt sein. Erste Ansätze in dieser Richtung gibt es bereits, wenn ich hier in Belgien und Frankreich an Deco Heytens denke. Hammer scheint das auch verstanden zu haben und zumindest einige Elemente umsetzen zu wollen.

Und noch etwas muss der Handel berücksichtigen: Billigpreise sind kein langfristig wirksames Argument. Stammkunden gewinnt man nicht über den Preis, sondern über Service und Dienstleistung. Aus Schnäppchenjägern werden keine treuen Kunden.

BTH: Die Bekleidungsindustrie beschäftigt Merchandiser, die für die professionelle Sortimentsgestaltung und Präsentation im Handel verantwortlich sind. Vielleicht muss die Tapetenindustrie auch in Merchandiser investieren.

Stock: Nein, für unser Produkt wäre das falsch. Dann würde sich der Handel immer mehr aus seiner Verantwortung zurückziehen. Er würde sich nicht mehr um das Sortiment kümmern, weil das vom Hersteller definiert wird, sondern zum reinen Verwalter werden.

Ich denke, dass der Handel mit der Industrie an einen Tisch muss und über ganzheitliche Konzepte Richtung Category Management diskutieren muss. Wir dürfen heute nicht mehr in einzelnen Produkten denken, sondern müssen überlegen, wo sich Synergie-Effekte mit anderen erzielen lassen. Von welchen Produkten profitiert die Tapete? Und welche Produkte können von der Tapete profitieren? Da gibt es klare Zusammenhänge, das muss nur auf der Fläche umgesetzt werden - und das ist die Aufgabe des Handels.

Wobei wir ihm Hilfestellung leisten: Wir bieten abgestimmte Kollektionen mit Tapeten, Stoffen und Teppichböden aus einer Hand und wollen dieses Thema auch weiter forcieren.

BTH: Ein Hemmschuh bei Tapeten ist sicher auch die aufwendige Verarbeitung. Lässt sich hier durch das Argument der verarbeitungsfreundlichen Vliestapeten etwas beim Verbraucher bewegen?

Stock: Vliestapeten haben in den letzten Jahren tatsächlich enorm zugelegt. Die Verbraucher machen auch sehr positive Erfahrungen bei der Verarbeitung, wobei es für mich persönlich noch kein großer "Aha"-Effekt ist, dass die Tapeten nicht mehr eingeweicht werden müsssen und man keinen Tapeziertisch mehr braucht. Der kommt nach meiner Meinung erst in einigen Jahren, wenn die erste Renovierungswelle ansteht und der Verbraucher feststellt, wie leicht sich die Vliestapeten entfernen lassen.

BTH: Sind Vliestapeten ein rein deutsches Thema oder auch in anderen Märkten ein Verkaufsargument?

Warnier: Weniger. Da geht es mehr um das Thema Begehrlichkeit. Wenn ich etwas haben möchte, bin ich bereit, dafür Zeit und Mühe zu investieren - dieses Empfinden herrscht beispielsweise in England und Frankreich vor. Außerdem werden dort stärker gemusterte Tapeten bevorzugt und dekorative Aspekte zählen deshalb mehr als technische.

Stock: Die Anteile von Vliestapeten sind dort nicht mit denen in Deutschland vergleichbar. Trotzdem sehen wir Vliestapeten als Fortschritt und versuchen sie deshalb auch in anderen Märkten zu propagieren. In Russland beispielsweise laufen doppeltbreite Tapeten sehr gut und die kann man eigentlich nur als Vliesware verarbeiten, wenn man keinen entsprechend breiten Tapeziertisch hat. Also gibt es schon Chancen für Vlies in anderen Märkten außerhalb Deutschlands, nur sind sie unterschiedlich ausgeprägt.

BTH: Nochmal zurück zu Ideco. Sie sind in den letzten Jahren zweistellig gewachsen, wollen dieses Expansionstempo auch künftig beibehalten. Soll das rein aus eigener Kraft geschehen oder denken Sie im Zuge der Konzentration der Branche auch über Akquisitionen nach?

Warnier: Wir sind intern schon sehr dynamisch, wenn dann noch eine Akquisition hinzukäme, wäre das sehr viel. Außerdem stellt sich die Frage, wer überhaupt für eine Akquisition in Frage kämen. Es gibt ja nicht mehr so viele interessante Unternehmen, die Geld verdienen.

BTH: Sie sind sehr exportstark. Manche Unternehmer vertreten die Meinung, man müsse in den wichtigsten Exportmärkten mit Produktionen vor Ort präsent sein, um erfolgreich und marktnah agieren zu können.

Warnier: Das sehe ich nicht so - zumindest, was die Produktion anbetrifft. Wir haben doch mittlerweile so kurze Wege in Europa, das die Logistik kein Problem darstellt. Für den Vertrieb gilt das schon. Dort arbeiten wir auch grundsätzlich mit Leuten vor Ort.
aus BTH Heimtex 09/02 (Wirtschaft)