Zertifikate für Bauwerke und Produkte

Erkennbar nachhaltig


Die Diskussion um Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegel ist in der Branche in vollem Gange. So ist unter den Herstellern von Verlegewerkstoffen eine Debatte zu der Frage entbrannt, ob es neben dem Emicode für emissionsarme Produkte, über dessen Bedeutung in erster Linie das Handwerk Bescheid weiß, noch einer Auszeichnung mit dem Blauen Engel bedarf, der vor allem bei den Endverbrauchern be- und anerkannt ist. Die Befürworter eines zusätzlichen Labels verweisen auf die Anforderungen in öffentlichen Ausschreibungen und die verbesserten Marktchancen, die Gegner warnen vor einem zunehmenden Wildwuchs bei derartigen Zertifikaten, mangelnder internationaler Anerkennung und nicht zuletzt steigenden Kosten - denn umsonst sind derartige Label natürlich nicht zu bekommen. Unbestritten ist aber, dass nachhaltiges Bauen nur gelingen kann, wenn sich die Hersteller und Verarbeiter von Produkten an gewisse Standards halten (können). Dass sie dies tun, muss natürlich auch überprüft werden. An Siegeln und Zertifikaten führt so kein Weg vorbei. ParkettMagazin stellt daher die wichtigsten Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude sowie Label für Produkte vor.


Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude:


BREEAM
In Großbritannien arbeitet die einstige Regierungsorganisation Building Research Establishment (BRE) an Standards für nachhaltiges Bauen. Bereits 1990 hat die inzwischen von der Bauindustrie getragene Vereinigung das erste Zertifizierungssystem für nachhaltig geplante, gebaute und betriebene Gebäude ins Leben gerufen: Nach dem BREEAM (BRE Environmental Assessment Method) Standard sind mittlerweile 110.000 Bauwerke zertifiziert. Der große Erfolg lässt sich unter anderem damit erklären, dass BREEAM längst die nationalen Schranken überwunden hat und weltweit Anwendung findet.

Zunächst fand das BREEAM Zertifikat vor allem beim Bau von Büro-, Handels und Industriegebäuden Anwendung. In der Zwischenzeit wird es aber auch für Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, öffentliche Gebäude (z.B. Gefängnisse, Gerichtshöfe), Wohnhäuser und Siedlungen vergeben. Im Jahr 2008 wurde das Bewertungssystem modifiziert und bildet seitdem die Kernpunkte des Lebenszyklusgedankens ab.
www.breeam.org


Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen
Mit dem von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) vergebenen Deutschen Gütesiegel Nachhaltiges Bauen wurde 2009 das erste Gebäude in der Bundesrepublik ausgezeichnet. Zunächst war das Zertifikat vor allem auf neue Büro- und Verwaltungsgebäude ausgerichtet, der Einsatzbereich wird aber kontinuierlich erweitert. Inzwischen gibt es auch DGNB Nutzungsprofile für neue Handels-, Industrie- und Bildungsbauten, Wohn- und Hotelgebäude sowie gemischte Stadtquartiere und auch die Modernisierung von Büro- und Verwaltungsbauten.

Zur Bewertung der Gebäudequalität werden neben ökologischen Aspekten auch Problematiken aus der Ökonomie und soziokulturelle Fragestellungen herangezogen. Dadurch kommen alle drei Säulen der Nachhaltigkeit gleichermaßen zur Geltung.
www.dgnb.de


LEED
Die Abkürzung LEED steht für Leadership in Energy and Environmental Design. 1998 in den USA vom U.S. Green Building Council entwickelt, findet dieses System inzwischen ebenfalls international Anwendung.

Auch LEED betrachtet das Gebäude als Ganzes - von der Planung bis zur Nutzung und auch alle Gebäudeteile - und richtet seine Bewertung an sechs zentralen Bereichen aus: Standortkonzept, Wasser- und Energieeffizienz, Baustoffe, nutzerverträglicher Innenausbau und Innovation/Designprozess. Zertifiziert werden nicht nur Neubauten, sondern auch Umbaumaßnahmen, Betriebskonzepte und Aktivitäten im Bereich Stadtentwicklung.
www.leed.org


Produktzertifikate:


Blauer Engel
Der Blaue Engel wurde bereits 1978 vom Bundesministerium des Innern als weltweit erste umweltbezogene Produktkennzeichnung ins Leben gerufen. Sein Bekanntheitsgrad liegt in Deutschland bei 80 %. Vergeben wird er vom Deutschen Institut für Güte-
sicherung und Kennzeichnung (RAL).

Ausgezeichnet werden Produkte, die verglichen mit Produkten gleichen Nutzens umweltfreundlicher sind. Gleichzeitig sollen sie hohen Ansprüchen an Gesundheits- und Arbeitsschutz aber auch Gebrauchsfreundlichkeit genügen. Sparsamer Einsatz von Rohstoffen sowie Herstellung, Gebrauch, Lebensdauer und Entsorgung werden bewertet.

Dass Produktgruppen, die von Hause aus umweltfreundlich sind, nicht zertifiziert werden können, ist ein wesentlicher Kritikpunkt am Blauen Engel.
www.blauer-engel.de


Eco-Prüfzeichen
Das Kölner Eco-Institut bietet seit 2007 ein Prüfzeichen an, das dem Verbraucher Sicherheit sowie toxikologische Unbedenklichkeit und weitgehende Umweltverträglichkeit der zertifizierten Produkte garantieren soll. Es ersetzt die Eco-Zertifikate "Produkt Emissionsarm schadstoffgeprüft" und "Ökologische Produktprüfung". Ausgezeichnet werden Holz- und Laminatböden sowie Paneele mit Oberflächenbeschichtungen auf Basis synthetischer Rohstoffe, Holzwerkstoffe und Klebstoffe.
www.eco-institut.de


Emicode
Mit dem Emicode bietet die Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) seit 1997 eine firmenübergreifende und wettbewerbsneutrale Kennzeichnung emissionsarmer Kleber, Grundierungen, Vorstriche, Spachtelmassen und Unterlagen. Die Vergabe erfolgt ausschließlich an Mitgliedsunternehmen.

Unlängst wurde das Klassifizierungssystem überarbeitet und mit "EC 1 Plus" eine neue Premium-Klasse eingeführt, die die hohen Anforderungen der bisherigen bisherigen obersten Kategorie "EC 1 - sehr emissionsarm" noch übertrifft. Im Gegenzug wurde die Klasse "EC 3 - nicht emissionsarm" ersatzlos gestrichen.
www.emicode.com


FSC
Der Forest Stewardship Council (FSC) wurde 1993 nach der UN-Konferenz "Umwelt und Entwicklung" in Rio de Janeiro gegründet, um die dort erhobene Forderung nach einer "nachhaltigen Entwicklung" für Wälder umzusetzen. Dabei werden soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte der Nutzung von Naturgütern gleichwertig berücksichtigt. Die internationale gemeinnützige Organisation hat Arbeitsgruppen in 43 Ländern und Umweltorganisationen, Sozialverbände, Unternehmen und Privatpersonen als Mitglieder.

Der FSC hat 10 verbindliche Prinzipien und 56 Kriterien für gute Forstwirtschaft festgeschrieben. In Ländern mit nationalen Arbeitsgruppen werden die Regelungen an klimatische und geologische Rahmenbedingungen oder nationale Gesetzgebung angepasst. Grundsätzlich muss die gesamte Verarbeitungs- und Handelskette (Chain of custody) vom Wald bis zum Großhändler zertifiziert sein. Über die ökologische Qualität des Endproduktes sagt das FSC-Siegel allerdings nichts aus.

Aktuell sind weltweit 134 Mio. ha Waldfläche FSC-zertifiziert, in Deutschland 409.000 ha.
www.fsc-deutschland.de


Giscode
Giscode ist eine Einteilung von Baustoffen hinsichtlich ihrer chemisch gefährlichen Inhaltsstoffe und daher keine Zertifizierung im eigentlichen Sinne. Erstmals wurde die Klassifizierung 1989 von Gisbau (Gefahrstoff-Informationssystem der Bauberufsgenossenschaften) - bei Klebstoffen in Gemeinschaft mit der TKB (Technische Kommission Bauklebstoff des Industrieverbandes Klebstoffe) - vorgenommen. Sie zielt auf den Gesundheitsschutz der Verarbeiter. Produkte mit vergleichbarer Gesundheitsgefährdung und demzufolge identischen Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln bei der Verarbeitung werden durch den Giscode zusammengefasst. So soll es kleinen und mittleren Betrieben erleichtert werden, ihren Verpflichtungen nach der Gefahrenstoffverordnung nachzukommen.

Hersteller von Beschichtungsstoffen, Betonzusatzmitteln, Farben und Lacken, Holzschutzmitteln, Oberflächenbehandlungsmitteln für Parkett und Holzfußböden, Reinigungs- und Pflegemitteln sowie Verlegewerkstoffen ordnen ihre Produkte eigenverantwortlich den Produktgruppen des Giscodes zu. Anhand der Sicherheitsdatenblätter und technischen Informationen erfolgt die Vergabe des Giscodes durch Gisbau.
www.gisbau.de


IBR
Das IBR-Siegel dient als bau- und wohnbiologischer Qualitätsnachweis und kann neben den Gütezeichen einer technische Eigenschaften sichernden Gütegemeinschaft geführt werden. Es zeichnet umweltschonend erzeugte und gesundheitlich unbedenkliche Baustoffe und -elemente aus. Die Verbraucher sollen sich anhand des Siegels orientieren und vor Wohnumwelt bedingten, gesundheitlichen Schäden schützen können. Dabei wird neben der Wohngesundheit auch der Gedanke des Umweltschutzes in der Produktion gleichberechtigt berücksichtigt.

Vergeben wird das IBR-Siegel vom Institut für Baubiologie Rosenheim (IBR).
www.baubiologie-ibr.de


Kork-Logo
1997 entwickelte das Eco-Umweltinstitut im Auftrag des Deutschen Kork-Verbandes (DKV) ein Qualitätssicherungskonzept für Korkprodukte. Damit sollte eine wissenschaftlich abgesicherte Kontrolle des Endproduktes unter Einbeziehung der Hersteller im Ursprungsland und der Nachvollziehbarkeit des Produktionsweges geschaffen werden. Getestet wird unter anderem auf Formaldehyd-, Phenol- und VOC-Abgabe. Außerdem werden die Herstellerangaben zur Bindemittel-Zusammensetzung überprüft. Darüber hinaus sind technologische Prüfungen gemäß EN 12104 (Korkparkett, Klasse 22) und EN 14085 (Korkfertigparkett, Klasse 22) vorgegeben.

Voraussetzung für die Nutzung des Kork-Logos ist die Mitgliedschaft im DKV.
www.kork.de


LGA-schadstoffgeprüft
Die Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA) untersucht und bewertet die ökologischen Auswirkungen der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten (Ökobilanz) wie Bodenbelägen, Dämmstoffen oder Klebstoffen. Das Label "LGA-schadstoffgeprüft" erhalten Waren, die eine minimale Schadstoffemission aufweisen und einer Überprüfung auf gesundheitlich bedenkliche Inhaltsstoffe standgehalten haben. Bauprodukte müssen zusätzlich einen ressourcenschonenden Lebensweg nachweisen.
www.lga.de


MTCS
Das Malaysische Institut für Forstwirtschaft (Malaysian Timber Council) hat 2001 mit dem MTCS (Malaysian Timber Certification Scheme) für in Malaysia geschlagenes Holz eine eigene Zertifizierung ins Leben gerufen. Ihr liegen ökonomische, ökologische und soziale Anforderungen an eine nachhaltige Forstwirtschaft zugrunde. Zertifiziert wird auch hier die Verarbeitungskette.

Seit Mai 2009 ist MTCS als erstes Zertifizierungssystem im asiatisch-pazifischen Raum durch den PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) anerkannt. Einige öffentliche Körperschaften wie die Stadt Hamburg haben diesen Schritt ebenfalls vollzogen.

Mit rund 4,5 Mio. ha ist etwa ein Drittel der malaysischen Waldfläche MTCS-zertifiziert.
www.mtcc.com.my


Natureplus
Das Natureplus-Label wird vom Internationalen Verein für zukunftsfähiges Bauen und Wohnen - Natureplus vergeben, dessen Mitglieder aus den Bereichen Baubiologie & Verbraucherschutz, Gewerkschaften, Industrie, Handel, Planer & Verarbeiter, Prüfinstitute und Umweltverbände kommen. Es soll europaweit nachhaltige, auf Gesundheit, Umwelt und Funktion geprüfte Wohn- und Bauprodukte kennzeichnen.

Zertifiziert werden ausschließlich Produkte, die zu mindestens 85 % aus nachwachsenden oder nahezu unbegrenzt verfügbaren mineralischen Rohstoffen bestehen. Gleichzeitig dürfen synthetische Anteile das technisch mögliche Minimum nicht überschreiten. Bereits die Herkunft der Rohstoffe wird kontrolliert. Darüber hinaus garantieren niedrige Richtwerte, etwa bezüglich des Energieverbrauchs, eine umweltverträgliche Herstellung. Strenge Schadstoffgrenzwerte und Untersuchungen zur Gebrauchstauglichkeit und Langlebigkeit zählen ebenfalls zu den Vergabekriterien. Außerdem müssen bei Herstellung, Vertrieb und Anwendung die gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes erfüllt werden.
www.natureplus.de


Österreichisches Umweltzeichen
Auf Initiative des österreichischen Umweltministeriums wurde 1990 das "Österreichische Umweltzeichen" geschaffen. Zertifizierte Produkte sind frei von Stoffen, die Umwelt oder Gesundheit belasten. Dies gilt auch für die Produktion und die verwendeten Materialien und Vorprodukte, teilweise sogar für die Verwertung nach dem Gebrauch. Außerdem muss der Verbraucher vom Hersteller über die Eigenschaften der Produkte informiert werden.
www.umweltzeichen.at


PEFC
PEFC steht für Pan European Forest Certification. Das Zertifizierungssystem des Programme for the Endorsment of Forest Certification Schemes - einer Vereinigung der Forst- und Holzindustrie - basiert inhaltlich auf Kriterien und Indikatoren, die auf den Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa seit 1993 verabschiedet wurden. Sein Ziel ist die Dokumentation und Verbesserung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Hinblick auf ökonomische, ökologische und soziale Standards. Die forstwirtschaftliche Zertifizierung des PEFC bezieht sich auf das forstliche Management und den Transport bis zum Waldweg. Die Produktkette (Chain of custody) wird mit der holzwirtschaftlichen Zertifizierung abgedeckt.

In 35 Ländern gibt es mittlerweile nationale PEFC-Gremien. Weltweit werden 221 Mio. ha Waldfläche nach den PEFC-Standards bewirtschaftet, in Deutschland sind es 7,3 Mio. ha. Dies entspricht rund zwei Dritteln des deutschen Waldes. Damit ist PEFC das am meisten verbreitete forstliche Siegel.
www.pefc.de
aus Parkett Magazin 04/11 (Nachhaltigkeit)