Ortstermin in Lancaster

Für Armstrong bleibt Europa wichtig

Das Europa-Engagement des US-Konzerns Armstrong war bislang nicht von Erfolg gekrönt. Immer wieder wurden deshalb Spekulationen laut, dass sich die Amerikaner von ihrer hiesigen Tochter trennen wollen. Dass dem keinesfalls so ist, sondern man nicht nur an den europäischen Aktivitäten festhalten will, sondern sogar in sie investiert, wurde BTH Heimtex von höchster Stelle versichert: im Gespräch mit Armstrong-CEO Michael D. Lockhart und der Führungsspitze von Armstrong DLW bei einem Besuch in der Zentrale des Konzerns in Lancaster im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Amerika pur: An einem Tag das schnelle, pulsierende Leben in New York, grell, hektisch, betriebsam, durch und durch urban - und am nächsten die ländliche Idylle, die Weite, die Abgeschiedenheit, die Ruhe von Lancaster im US-Bundesstaat Pennsylvania, wo die Amish-People wie in früheren Zeiten leben. Gegensätzlicher können Eindrücke gar nicht sein...

In Lancaster, gut 3 Stunden Fahrt von Philadelphia entfernt, schlägt das Herz eines der größten Bodenbelagsanbieter der Welt: Armstrong. Der 3,2 Mrd. USD Umsatz schwere Konzern gehört mit reinen Bodenbelags-Erlösen von 2 Mrd. USD (entsprechend 1,6 Mrd. EUR) nicht nur in den heimischen USA zu den Top-Playern der Branche, bei Holzböden beansprucht er dort sogar führende Marktposition, sondern auch in Europa.

Hier verfügen die Amerikaner seit der Übernahme der ehemaligen DLW über einen stabilen Brückenkopf; gleichwohl Armstrong Floor Products Europe, wie die europäische Organisation korrekt heißt, bewegte Zeiten hinter sich und die Turbulenzen auch noch nicht ganz überwunden hat.

Das weiß auch Michael D. Lockhart, seit 2000 Chairman of the Board und CEO von Armstrong, vergleichbar mit der Position eines Vorstandsvorsitzenden. "Europa ist schwierig, speziell in unserem wichtigsten Markt Deutschland herrscht ein schwieriges Umfeld. Die Bau-Investitionen sind jedes Jahr zwischen 5 und 10% zurückgefahren worden." Die Folge seien Umsatzrückgänge und Marktanteilsverluste gewesen. Das allein ist aber nicht der Grund für die schlechten Zahlen der europäischen Tochter, wie Lockhart sich durchaus bewusst ist.

"Kein Zweifel, dass wir Fehler gemacht haben", räumt er ein. Missmanagement, fehlgeleitete Strategien, Unverständnis für den deutschen Markt und die deutschen Kunden sowie Versäumnisse bei der Produktpolitik haben AFPE, in der Branche geläufigerweise unter dem eingeführten Namen Armstrong DLW bezeichnet, in eine unbefriedigende Lage geführt, aus der seit einiger Zeit ein neuer Vorstand das Unternehmen heraus zu manövrieren versucht.

David M. Randich löste den desinteressierten Gerard Glenn ab, Ton S. Raaphorst wurde von Interface geholt, um den Vertrieb in Schwung zu bringen und als jüngster Neuzugang wurde erst zum 1. September Thomas Diepenbruck zum neuen Finanzvorstand berufen.

Parallel setzte die US-Mutter weitere Signale, dass sie an ihren Europa-Aktivitäten unverändert interessiert und auch an diesen festhalten will und stellte ein großzügiges Budget für Investitionen in Produkte bereit. 2004 wurde eine wahre Neuheiten-Offensive gestartet: Zuerst wurde ein neues Linoleum-Programm vorgestellt, die im Markt auf Anhieb großen Anklang fand, Schlag auf Schlag folgten dann PVC-Objektbeläge, PVC-Designbeläge und diverse textile Kollektionen für Objekt und Wohnen. Aber nicht nur in die Aktualisierung und den Ausbau des Sortiments flossen Mittel, sondern auch in qualitative Aufwertungen, wie eine neue Oberflächenveredlung-Technologie für PVC-Beläge im Werk Bietigheim und die PUR-Vergütung von Linoleum im Werk Delmenhorst.

Das scheint sich auszuzahlen: "Wir spüren erste Ansätze einer Belebung der Umsätze, speziell bei elastischen Belägen", erklärt Raaphorst.
"Wir verfügen zur Zeit über die beste Produktpalette in Europa, seitdem Armstrong die DLW übernommen hat", fügt Jorge Haberl hinzu, Vertriebsdirektor für Zentral-, Süd- und Osteuropa.

Zugleich werden innerhalb des gesamten Konzerns Kosteneinsparungs- und Effizienzverbesserungsmöglichkeiten ausgelotet. In Bietigheim und dem schwedischen Werk Holmsund konnten bereits Produktivitätssteigerungen erreicht werden. "Momentan haben wir noch viele Chancen, internes Wachstum zu realisieren", sagt Lockhart. So wird die Homogen-Produktion am Standort Lancaster geschlossen und nach Bietigheim und Australien verlagert, ein Teil der CV-Fertigung aus dem britischen Teesside ist bereits in die USA abgezogen worden.

Im nächsten Schritt soll jetzt noch in den Vertrieb investiert werden. Vorgesehen ist, den Außendienst in Europa um 10% aufzustocken, wobei man sich auf bestimmte Segmente konzentrieren will. Und dann fühlt sich das AFPE-Management rundherum gut gerüstet - und kann sich voll auf die Kunden und den Markt konzentrieren...


Armstrong Daten und Fakten

Armstrong World Industries, Inc.
2500 Columbia Avenue
Lancaster, PA 17603
www.armstrong.com

Muttergesellschaft: Armstrong Holdings, Inc.
Board of Directors (vergleichbar dem Vorstand): Michael D. Lockhart (Chairman of the Board, CEO), H. Jesse Arnelle, Judith R. Haberkorn, James E. Marley, Ruth M. Owades, John J. Roberts, M. Edward Sellers, Jerre L. Stead

Umsatz: 3,2 Mrd. USD (2004)
- davon 2 Mrd. USD Bodenbeläge
- 1 Mrd. USD Deckensysteme
- 200 Mio. USD Küchenschränke
Mitarbeiter: 15.200
Werke: 42 in 12 Ländern, darunter 26 für Bodenbeläge
- in den USA: Beech Creek PA, Beverly WV, Center TX, Jackson MS, Jackson TN, Kankakee IL, Lancaster PA, Nashville TN, Oneida TN, Somerset KY, South Gate CA, Statesville NC, Stillwater OK, Warren AR, West Plains MO
- in Canada: Montreal, Quebec
- in Australien: Braeside und Thomastown
- in Großbritannien: Teesside
- in Schweden: Holmsund
- in Belgien: Dendermonde, Waasmunster
- in den Niederlanden: Waalwijk
- in Deutschland: Bietigheim-Bissingen, Delmenhorst

Geschäftsbereiche:

1. Bodenbeläge: Armstrong Floor Products (AFP) gehört mit seinen Tochtergesellschaften Armstrong Wood Products und Armstrong DLW, korrekt Armstrong Floor Products Europe (AFPE) zu den führenden Bodenbelagsanbietern weltweit mit einer breiten Palette an Produkten für den Einsatz im Wohnbereich wie im Objekt; nicht alle werden selbst produziert, einiges ist Handelsware:

- PVC-Beläge als Bahnenware und Fliesen
- CV-Beläge
- Linoleum
- textile Beläge getuftet und gewebt, als Bahnenware und Fliesen
- Holzböden und Parkett
- Sportbeläge
- keramische Fliesen
- Laminat

2. Deckensysteme: Armstrong Buildings Products (ABP) beansprucht führende Position bei abgehängten Decken und Deckensystemen; Zielrichtung ist zu 90% das Objekt

3. Küchenschränke: Armstrong Cabinet Products (ACP) produziert hochwertige Schränke für Küchen, Bäder und als Einbaumöbel für den privaten Haushalt.

Die europäischen Bodenbelagsaktivitäten

Von den 2 Mrd. USD Umsatz der Bodenbelagssparte entfallen 500 Mio. USD bzw. 25% auf die europäischen Aktivitäten. Sie verteilen sich wiederum ca. jeweils zur Hälfte auf elastische Beläge (davon 75% für das Objekt, 25% für den Wohnbereich) und textile Beläge (davon jeweils 40% Bahnenware und Fliesen sowie 20% Sportbeläge). Unter den verschiedenen Produktgruppen ist Linoleum Nr. 1, vor CV-Belägen und PVC- Objektbelägen (homogen und heterogen). Wichtigster Markt in Europa ist Deutschland.
aus BTH Heimtex 09/05 (Wirtschaft)