Chancen und Risiken des E-Commerce für den Großhandel

"Wer online nicht präsent ist, wird es bald gar nicht mehr sein"

Der in Dresden versammelte Heimtextilien-Großhandel muss aufpassen, dass er online nicht ins Hintertreffen gerät. Der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln (IfH) Dr. Kai Hudetz riet den Führungskräften der Großhändler in seinem faktenreichen Vortrag, die eigenen Online-Shops kundenfreundlich auszubauen und Wert auf die ansprechende Präsentation der Produkte und den Service zu legen. Denn: Der Handelskunde wird mehr und mehr zu einem Online-Kunden, belegen die vom Institut repräsentativ erhobenen Marktdaten. Und diese sprechen eine eindeutige Sprache: 81,5% des Online-Umsatzes sind Zusatzumsätze - von Kannibalisierung zwischen online und offline kann also nicht die Rede sein.

Eine der Stärken eines gut aufgestellten Großhändlers ist der direkte Kundenzugang und die Präsentation eines möglichst marktgerechten Sortimentes. Weil die Kunden sich aber immer häufiger online über Produkte informieren und sie auch dort kaufen, "muss der Handel seiner Kundschaft einen Mehrwert bieten, den sie anderswo nicht bekommt", betonte Kai Hudetz vom IfH während seines Vortrags. Schaffe der Handel es nicht, "online für seine Kunden präsent zu sein, wird er langfristig gar nicht mehr präsent sein." Eine düstere Aussicht. Der Wissenschaftler hatte aber auch Lösungen im Gepäck. Und vor allem viele Zahlen, die die großen Chancen des E-Commerce für den Großhandel in all seinen Facetten ausdrücken.

Insgesamt steige der Umsatz, den der Handel im B2C-E-Commerce mache in den vergangenen Jahren kontinuierlich zweistellig an. 2010 waren das 23,7 Mrd. EUR Gesamtumsatz. Die Schätzungen für 2011 kommen auf 26,1 Mrd. EUR - ein Plus von abermals 10,1%.

Das sogenannte Multi- und Cross-Channel-Verhalten der Konsumenten untersucht Hudetz seit 2002 in Studien. Dabei wird sich online informiert und im Laden gekauft oder andersherum. Der Kunde kombiniert auch Vertriebskanäle unterschiedlicher Anbieter oder eben die desselben Händlers. Bereits heute geht jedem fünften Kauf in Ladengeschäften eine Informationssuche in Online-Shops voraus. Diese Käufe machen 30,8% des Umsatzes des stationären Geschäftes aus. Der umgekehrte Weg wird auch beschritten: 27,0% der Käufe im Online-Shop geht eine Informationsrecherche im Geschäft voraus. Diese Käufe machen 31,2% des Umsatzes des Online-Shops aus.

Bei 10 % des Umsatzes im Ladengeschäft lieferte eine vorangegangene Informationssuche im Online-Shop des Anbieters den Impuls zur Wahl dieses Anbieters, erläuterte Hudetz.

Suchmaschinen sind mit Abstand die wichtigste Informationsquelle (71,2%) im Internet vor dem Kauf im Geschäft. Online-Shops oder Shopping-Plattformen suchen 44,8% der Befragten auf. Preisvergleichsseiten (30,0%), Marken- oder Hersteller-Webseiten (29,1%), Websiten der stationären Händler (25,2%) und Bewertungsplattformen (14,8%) folgen.

Das Produkt sehen, es anfassen und es auch gleich mitnehmen zu können, sind die wichtigsten Gründe, im Geschäft zu kaufen.

Mittlerweile bewerten rund 30% der Käufer, die sich sowohl on- als auch offline informiert haben, die Informationen aus dem Internet als wichtiger - unabhängig von der Produktkategorie. Fast die Hälfte der Kunden im Geschäft kaufen nach einer Beratung doch online, weil sie dort oft weniger bezahlen müssen, ergibt die IfH-Studie außerdem.

Generell sieht Hudetz die größere Preistransparenz im und durch das Internet kritisch für die Position des Großhandels. Auch der zunehmende Direktvertrieb, der sich durch die Möglichkeiten des E-Commerce für Hersteller ergebe, bedeute eine Ausschaltungsgefahr für den Handel allgemein.

Aus all diesen Gründen bliebe dem Handel keine Wahl, seine E-Commerce-Aktivitäten auszubauen. Denn nur diejenigen Handelsunternehmen, die online kunden- und produktorientiert präsent sind, werden bis 2015 ihre Umsätze verdoppeln. Die anderen müssten mit einer Halbierung rechnen, zitierte Hudetz eine Prognose der IBH Retail Consultants für die Entwicklung im Internet- und Versandhandel.
aus BTH Heimtex 10/11 (Großhandel)