Fachanwalt Andreas Hanfland berichtet über die aktuelle Rechtsprechung

Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte der Handwerker

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.06.2011 (C-65-09 und C-87-09) hat sowohl bei Handwerkern wie auch bei Juristen zu einem Aufschrei geführt. Der Gewährleistungsanspruch des Handwerkers, der mangelhaftes Baumaterial verbaut hatte, sah nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15.07.2008, VII ZR 211/07 "Parkett" und Beschluss vom 14.01.2009, VIII ZR 70/08 "Fliesen") so aus: Er konnte von seinem Lieferanten lediglich eine Ersatzlieferung, also mangelfreies Material verlangen.

Ein Ersatz für den erforderlichen Ausbau des mangelhaften Materials war ebenso ausgeschlossen, wie der Ersatz der Kosten des Einbaus des neuen Materials. Diese Rechtsprechung stützte sich auf die Vorschrift des § 439 BGB. Hieraus ergäbe sich laut BGH nicht, dass den Verkäufer im Rahmen seiner Nachbesserungspflicht über seine eigentlichen Pflichten aus dem Kaufvertrag hinaus weitergehende Pflichten treffen. Aus dem Kaufvertrag sei er eben nur zur Lieferung verpflichtet. Der Verkäufer soll nicht für Aus- und Einbaukosten haften, da sie nicht zu seinen ursprünglichen Verkäuferpflichten gehören.

Der EuGH hat aktuell entschieden, dass diese Rechtsprechung des BGH gegen die europäischen Richtlinien zum Verbrauchsgüterkauf verstoßen. Der in diesen Richtlinien bezweckte Verbraucherschutz werde durch die BGH-Rechtsprechung verkürzt. Der Handwerker oder der Verbraucher, der von dem Mangel der Baumaterialien nichts wisse, bliebe unverschuldet auf den nicht unerheblichen Kosten des Aus- und Wiedereinbaus sitzen.

Die Entscheidung des EuGH erfolgte vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes. Ob sie jedoch ausschließlich auf das Verhältnis Unternehmer/Verbraucher begrenzt ist, bleibt fraglich. Dies würde bedeuten, dass eine einzelne Vorschrift unterschiedlich auszulegen wäre. Je nachdem, ob an dem Kaufvertrag zwei Unternehmer oder ein Verbraucher und ein Unternehmer beteiligt sind. Eine solche gespaltene Anwendung sollte vermieden werden. Auch eine umfassende Anwendung der Grundsätze dieser Entscheidung scheint nicht geboten, da der EuGH ausschließlich auf den Verbraucherschutz abstellt.

Hier ist der deutsche Gesetzgeber gefragt, der die durch die EuGH-Entscheidung entstehenden Unsicherheiten, beseitigen sollte. Möglich wäre beispielsweise eine Klarstellung, dass die beschränkte Ersatzpflicht (nur Nachlieferung) im Verhältnis Unternehmer/Verbraucher nicht gilt.

Die Entscheidung kann auch Folgen für den Großhandel haben. Die Vorschrift des §478Abs.2BGB, die bislang von wenig praktischer Relevanz war, könnte zu neuer Bedeutung kommen. Hiernach kann der Verkäufer von seinem Lieferanten Erstattung der Kosten verlangen, die er im Rahmen seiner Gewährleistung gegenüber dem Verbraucher aufwenden musste. Der Verkäufer könnte also die Kosten des Aus- und Wiedereinbaus an seinen Lieferanten weiterreichen. Die Entscheidung des EuGH könnte also auch in diesem Verhältnis für Bewegung sorgen.


Andreas Hanfland - zur Person


Andreas Hanfland ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Lennestadt.

Rechtsanwälte Hanfland & Partner
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aus FussbodenTechnik 05/11 (Recht)