Diesjährige Ambra-Unternehmertagung in Salzburg verlief unter besonderen Vorzeichen

"Ambra ade - willkommen ABK!"

SALZBURG/A - Mit der diesjährigen Ambra-Unternehmertagung, die vom 5. bis 7. Oktober im schönen Salzburg stattfand, hat sich einerseits der geplante Abschied von einem überaus erfolgreichen Einkaufsverband angekündigt, während andererseits der Beginn einer neuen Verbandsära unmittelbar bevorsteht. Wie schon mehrfach berichtet, wird zum 1. Januar 2004 die bereits gegründete und konstituierte ABK ihre offiziellen Geschäfte aufnehmen und sämtlichen Ambra-Gesellschaftern sowie einem Großteil der jetzigen Bettenkreis-Gesellschafter eine neue unternehmerische Heimat bieten.

Folgerichtig überwog in der Begrüßungsrede von Hans-Günter Schucht, Ambra- und ABK-Geschäftsführer in Personalunion, erwartungsvoller Optimismus, als er insgesamt 95 Teilnehmer(innen) - darunter einige Bettenkreis-Mitglieder und etliche Partner aus den Reihen der Industrie - in der Mozart-Stadt willkommen hieß. Allerdings bedauerte Schucht ausdrücklich, dass - "wie jedes Jahr" - nicht alle Ambra-Gesellschafter an der letzten Chefsitzung ihres Alt-Verbandes teilnehmen konnten oder wollten. Jedenfalls verpassten diejenigen, die nicht da waren, ein tolles Vortrags- und Rahmenprogramm, das, basierend auf einem durchgängig hohen Spaßfaktor, sowohl informelle als auch "kulturelle" Akzente setzte. Vor allem bei einer Ruderbootpartie auf dem Chiemsee, einer von Referent und Ur-Bayer Christian Klotz geleiteten Stadtführung durch Salzburg, einem aufregenden Go-Cart-Rennen in Bogenhausen und natürlich während der gemeinsamen Abendveranstaltungen konnten alle Beteiligten fernab vom Tagesgeschäft in lockerer Atmosphäre neue Kontakte knüpfen bzw. bestehende vertiefen. Dem standen im offiziellen und internen Teil der Tagung thematisch aktuelle und brisante Referate gegenüber, die den Gesellschaftern nicht nur praktikable Lösungsansätze für die mittlerweile vielschichtigen (wirtschaftlichen) Probleme des Bettenfachhandels aufzeigten, sondern mit Blick auf das allgemein verbreitete Branchen-Gejammer auch berechtigte kritische Töne enthielten. Den Abschluss der gelungenen Veranstaltung bildete eine Werksbesichtigung bei der Firma Optimo.

"Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben!"

Hans-Günter Schucht nahm zum Auftakt kein Blatt vor den Mund, als er mit leicht ironischem Unterton anmerkte, "dass bei allen Vorträgen, Referaten und sonstigen Äußerungen die Anwesenden nicht gemeint sein können und sollen". Erstaunliche Defizite bei der Wahrnehmung der mittlerweile harten Branchen-Realität gehören im Übrigen - allen Bemühungen von Organisatoren und Referenten zum Trotz - zu den gängigen Phänomenen sämtlicher (Verbands-) Tagungen des Bettenfachhandels. Andererseits sind derartige Anflüge von unternehmerischer Apathie verständlich, denn auch etliche von denen, die ihre Geschäfte modernisiert, ihre Mitarbeiter qualifiziert, die Sortimente gestrafft und ihr Marketingkonzept runderneuert haben, leiden unter "unserem schwierigen Markt mit Umsatzstagnation seit Anfang der 90er Jahre und deutlichen Minuszahlen in diesem jungen Jahrtausend". Deshalb ist es für Hans-Günter Schucht keineswegs verwunderlich, "dass mancher Einzelhändler mit starrem Blick wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt". Aber obwohl sich diese Schlange auf Grund von allgemeiner Depression, Konsumverweigerung, hoher Arbeitslosigkeit, Reformstau oder -drohung, Liquiditätsproblemen usw. als Hydra mit vielen Köpfen erweist, vermutet der Ambra-Geschäftsführer stark, "dass das eigene Gejammer einen Großteil unserer Misere ausmacht".

Dennoch erweist sich entgegen aller wirtschafts- und sozialpolitischen Kapriolen made in Berlin' die deutsche Volkswirtschaft im Vergleich zu anderen als international wettbewerbsfähig. Rein statistisch gesehen ist zum Beispiel der Durchschnittsamerikaner hoffnungslos überschuldet, weil jeder US-Privathaushalt mehr Schulden angehäuft hat, als er pro Jahr an Einkommen erzielt. - Aber in den USA wird weiter konsumiert! Dagegen verfügt laut Statistik jede deutsche Familie über ein Geldvermögen von 95.000 Euro, während sich der heimische Konsum momentan extrem zäh gestaltet. Insgesamt haben wir Deutschen rund 3,7 Billionen Euro auf Sparbüchern und in Aktiendepots gehortet. Würde nur 1 Prozent dieser Ersparnisse in den Konsum fließen, hätten wir nach Einschätzung von Hans-Günter Schucht ein direkt wirksames Konjunkturprogramm mit einem Volumen von 37 Mrd. Euro. Doch um das in Gang zu setzen, müsste Vertrauen in die Politik vorhanden sein, das allerdings im Gegenteil schwer erschüttert ist. Nach einer Emnid-Umfrage vertrauen derzeit lediglich 8 Prozent der Bundesbürger den politischen Parteien. Etwa 70 Prozent vertreten die Meinung, die Zeit sei - unabhängig von der Agenda 2010 - reif für sofortige Reformen; aber gleichzeitig fürchten sich 77 Prozent vor diesen notwendigen Reformen und den daraus resultierenden (finanziellen) Konsequenzen. Selbst eine vorgezogene Steuerreform würde nur dann belebend auf den Konsum wirken, wenn sie flankierend mit einer wirklich zukunftsorientierten, halbwegs berechenbaren Politik einherginge.

Die eigene Beratungsqualität durchleuchten

Mit den meisten Insidern stimmte Hans-Günter Schucht darin überein, "dass die Anzahl der Bettenfachgeschäfte in Deutschland von jetzt etwa 3.500 in den kommenden Jahren weiter schrumpfen wird". Unter anderem deshalb, weil sich der Bettenfachhandel "als beratungs-, innovations- und erkenntnisresistent erweist". Klar, nicht jede vermeintliche Produkt- und Marketing-Innovation entpuppt sich als brillant und marktfähig, "aber wenn in der Zeitschrift test' der Stiftung Warentest die Beratungsqualität von renommierten Bettenfachgeschäften mit derjenigen von Matratzenmärkten verglichen wird und das Ergebnis aller Vertriebsformen fast gleich schlecht ausfällt, dann geht ein großes Aufbegehren durch die Branche". Inwieweit dieses Aufbegehren berechtigt ist oder nicht, sei einmal dahingestellt; doch Hans-Günter Schucht merkte zu Recht an, dass nun wahrscheinlich die wenigsten Fachhändler auf den Gedanken kommen werden, ihre eigene Beratungsqualität zu durchleuchten und die diesbezügliche Qualifikation ihrer Mitarbeiter zu verbessern. - Das ist aber unverzichtbar für ein gutes Fachgeschäft.

"Wissen ist Erfolg - nichts wissen ist Insolvenz!"

In die gleiche Kerbe schlug Stefan Schnitzler, Inhaber der in Hude ansässigen Agentur bedbrain - Training, Moderation, Consulting, mit seinem Vortrag zu oben genanntem Thema. Schnitzler unternahm mit den Zuhörern zunächst einen Ausflug in das "Reich des Humankapitals", dessen Bewertung sich leider nicht in der Bilanz eines Unternehmens wiederfinden lässt. Im Verlauf eines Lebens fallen durchschnittlich 500.000 Euro an Investitionen zur Aufstockung des eigenen Humankapitals an, sei es für elterliche Erziehungszeiten, für Schule, Universität und Ausbildung oder für das regelmäßige Lernen im Erwachsenenalter. Von daher stellt sich die berechtigte Frage, wie ein solcher "Kapitalstock auf zwei Beinen", sprich Mitarbeiter, von den Unternehmen in Deutschland gepflegt bzw. gestärkt wird.

In einer EU-Studie von 1999, an welcher die 15 EU-Mitgliedsstaaten plus Norwegen sowie die potenziellen Beitrittsländer in Ost- und Südosteuropa teilgenommen haben, wurden folgende Kernfragen gestellt: Wie viele Beschäftigte nehmen in den einzelnen Ländern an Weiterbildungskursen oder ähnlichen Maßnahmen teil? Eine von vielen bezeichnenden Antworten: In Schweden rund 63 Prozent; in Deutschland rund 36 Prozent der Mitarbeiter! - Welche Beträge pro Beschäftigtem wurden 1999 von den nationalen Unternehmen in Weiterbildungsmaßnahmen investiert? Wiederum eine erhellende Antwort: in Dänemark 1438 Euro; in Norwegen 1283 Euro; in Schweden 1071 Euro und in Deutschland 620 Euro! - Eine deutliche Diskrepanz, die auch mit Blick auf das unterschiedliche Wirtschaftswachstum der aufgelisteten Länder einigermaßen tief blicken lässt. Ergänzend dazu belegt ein internes Papier einer deutschen Telekom-Tochter, dass zwecks kontinuierlicher Modernisierung eines Bildschirmarbeitsplatzes etwa 6.000 Euro pro Jahr in neueste Hard- und Software investiert werden müssen. Das ist nahezu das Zehnfache des jährlichen Pro-Kopf-Betrages, der 1999 für die Weiterbildung eines Arbeitnehmers ausgegeben wurde. Vor diesem Hintergrund darf getrost darüber spekuliert werden, ob bundesdeutsche Beschäftigte bei dieser Investitionsdiskrepanz überhaupt in der Lage sind, mit ihrem komplizierten technischen Arbeitsgerät produktiv umzugehen? - Oder sind die Menschen in anderen europäischen Staaten inzwischen einfach lern- und wissbegieriger?

Wettbewerb findet in Zukunft über Informationen statt

Das wäre fatal, zumal laut Stefan Schnitzler "der perfekte Umgang, die Top-Organisation und die Vernetzung von Informationen künftig die zwingende Voraussetzung für ein Überleben in unserer Wissens- und Informationsgesellschaft darstellen werden". Zwecks Erhärtung dieser These zählte Schnitzler drei Statements von Erik Händeler auf, der als freier Journalist unter anderem für die Süddeutsche Zeitung schreibt und als Autor des Buchs Geschichte der Zukunft' Aufmerksamkeit erregt hat:

"Wettbewerb findet künftig nicht mehr über den Preis statt, sondern über den Umgang mit Informationen. Die Fähigkeit zum Umgang mit Informationen basiert nicht vorrangig auf organisatorischer, sondern auf sozialer Kompetenz. In einer Informationsgesellschaft leben wir nicht nur von der Arbeit anderer, sondern auch von deren Ideen. Wir stehen jeden Tag vor so vielen Problemen, dass wir davon abhängig sind, dass andere sie bereits für uns gelöst haben."

Um zu zeigen, welche elementaren Probleme der Bettenfachhandel in einigen Jahren für den Verbraucher lösen könnte, entwickelte Stefan Schnitzler die Vorstellung, dass wir uns demnächst als weitestgehend eigenständige Manager unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens betätigen werden. Eine andere Chance hat das verkrustete bundesdeutsche Gesundheitswesen ohnehin nicht. Ein Umstand, der dem Bettenfachhandel ungeahnte Chancen eröffnet, wie folgende Zahlen und Fakten beweisen: 2003 sind erst ein Drittel aller Krankheiten therapierbar. Bald werden es zwei Drittel sein.

Ungefähr 90 Prozent unserer Kassenbeiträge werden für die Behebung von so genannten Zivilisationskrankheiten und die Folgen unseres degenerativen Lebensstils ausgegeben. Knapp 28 Prozent aller krankheitsbedingten Fehltage in deutschen Unternehmen haben ihre Ursache in Erkrankungen des Skelett- oder Muskelsystems; nur 5,8 Prozent beruhen auf Beschwerden im Herz-/Kreislauf-System. Eine verspannte Nackenmuskulatur ist in 80 Prozent aller Fälle der Grund für Kopfschmerzen. Schon die 40-jährigen leiden an Knorpeldeformationen, weil kaum bewegte Gelenke vom Organismus nur unzureichend versorgt werden.

Aus diesen an sich traurigen Tatsachen ergeben sich zukunftsträchtige Umsatzperspektiven für den Bettenfachhandel, sofern es ihm gelingt, im Konsumbewusstsein des Verbrauchers als kompetenter Informationsvermittler, Regisseur und Problemlöser auf dem Gebiet des gesunden und erholsamen Schlafs präsent zu sein. Parallel dazu bedarf es einer umfassenden Korrektur der auch im Bettenfachhandel verstärkt über den Rotstift definierten Preispolitik. Die vermittelt dem Konsumenten nämlich den trügerischen Eindruck, dass es sich bei den Produkten rund ums Bett um beliebig austauschbare Allerweltsartikel handelt, die auf sämtlichen Vertriebskanälen mehr oder weniger günstig verramscht werden. Hier gilt es massiv Kontrapunkte in Form von Werten und Wertigkeit zu setzen, was ausschließlich über besonders gut qualifizierte Mitarbeiter, also Humankapital, möglich ist. Entsprechend empfahl Stefan Schnitzler der Ambra/ABK den Aufbau eines Humankapital-Netzwerks, gemeinsam getragen vom Verband, der Industrie, den einzelnen Gesellschaftern sowie leistungsfähigen externen Beratern und Dienstleistern.

Natürlich kamen anlässlich der Chefsitzung noch weitere namhafte Referenten zu Wort. So behandelte Prof. Dr. Günter Olesch, ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes gewerblicher Verbundgruppen, das Thema "Kooperationen im Wandel - Profil der Verbundgruppen von morgen". Unternehmensberater Günter Streitbürger forderte analog zur diesjährigen VDB-Tagung "Kosten runter - LUG hoch". Christian Klotz, anerkannter Experte in Sachen Stadtmarketing, Einzelhändler und ebenfalls "VDB-erfahren", sprach über "Wut/Mut/Gemeinsamkeit/Lebensfreude/neue Energie". Dr. Elmar Wienecke von der Saluto - Gesellschaft für Sport und Gesundheit mbH skizzierte den Erfolgsfaktor Gesundheit unter der knackigen Überschrift "Fit statt fertig"; und Josef Rosen von der Düsseldorfer Unternehmensberatung Retail Concept klärte die Teilnehmer im internen Teil über die "Flächenbewirtschaftung sowie Shop-in-Shop-Konzepte im Bettenfachhandel" auf. - Alles spannende Themen, deren wichtigste Inhalte aber bereits in unserer ausführlichen Berichterstattung über die VDB-Tagung in Erfurt ("Haustex" 5/2003, S. 14 bis 21) und die Bed & More in Frankfurt (Sonderheft in "Haustex" 9/2003) eine zentrale Rolle gespielt haben.
aus Haustex 11/03 (Wirtschaft)