Fazit der Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichherstellung

Care & Fair will und muss die Arbeit in den Knüpfländern fortsetzen

Obwohl das Thema Kinderarbeit momentan in der Öffentlichkeit keine große Rolle spielt, besteht die Problematik unverändert weiter. Zwar haben die Hilfsorganisationen Care & Fair und Rugmark in den Knüpfländern gute Arbeit geleistet und die Beschäftigung von Kindern in den Knüpfereien drastisch reduziert, doch können sie sich noch lange nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen.

Die speziell von Care & Fair geschaffenen sozialen Strukturen mit Schulen und Krankenhäusern müssen erhalten und ausgebaut werden. Es bleibt noch viel zu tun. Diese Erkenntnis war für Care & Fair Anlass, Bilanz zu ziehen und zu weiterer Unterstützung durch die Orientteppich-Branche aufzurufen, auch wenn die Kinderarbeit zur Zeit nicht für Schlagzeilen in den Medien sorgt und so den Teppichabsatz gefährdet.

Hier der Bericht von Care & Fair:

"Auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen Kinderarbeit bei der Teppichherstellung in den Jahren 1993/94 durch die Hilfswerke, die in der Aussage der Hilfswerke gipfelte "die Teppichhändler wären die Profiteure der Kinderarbeit", gründeten verantwortungsbewusste Importeure und Händler den Berufsverband Care & Fair - Teppichhandel gegen Kinderarbeit e.V. mit Sitz in Hamburg. In kurzer Zeit konnten in Deutschland über 300, in der Schweiz knapp 100 und in Holland, Belgien und Luxemburg über 30 Mitglieder gewonnen werden.

Für alle Mitglieder wurde anfangs ein Jahresbeitrag von 250 DM festgelegt. Importeure, Großhändler und importierende Einzelhändler verpflichteten sich, außerdem eine Importabgabe von 1 Prozent auf den fob-Wert ihrer eingeführten Teppiche aus den Ursprungsländern Indien, Nepal und Pakistan abzuführen.
In den drei Herstellungsländern wurden Care & Fair-Büros eröffnet und viele Exporteure und Hersteller wurden ebenfalls Mitglieder. Sie verpflichteten sich einen Jahresbeitrag sowie 0,25 Prozent Exportabgabe zu entrichten. Durch Unterschrift verzichtete man auf die Beschäftigung von Kindern bei der Produktion sowie dem Finishing von Teppichen. Care & Fair verzichtete aus Kostengründen auf Kontrollen (ca. 250.000 Knüpfstühle sind bekannt) und Labels. Das Geld, das dafür hätte ausgegeben werden müssen, sollte besser in die Projekte investiert werden.

Die Hilfswerke dagegen setzen auf ein Siegel und die Rugmark Foundation International wurde gegründet. Inspektoren wurden eingestellt und die Produktion der Teppiche für Rugmark- Lizenznehmer wurden kontrolliert. Care & Fair setzte andere Prioritäten und investierte alle verfügbaren Mittel in Projekte wie Schulen und medizinische Grundversorgung für Teppichknüpffamilien und ihre Kinder. Da entsprechende Einrichtungen in den Knüpfgebieten nicht vorhanden waren, wurden diese von Care & Fair neu gebaut oder die Gebäude dafür angemietet.

Heute unterhält Care & Fair insgesamt 34 Projekte in Indien, Nepal und Pakistan. In den Care & Fair Schulen werden insgesamt etwa 10 000 Kinder kostenlos unterrichtet. Die Schülerinnen und Schüler erhalten Bücher und anderes Unterrichtsmaterial sowie Schuluniformen ebenfalls unendgeldlich. In den Kliniken werden jährlich rund 250 000 Patienten untersucht, betreut, behandelt und auch operiert. Medikamente, soweit bezahlbar, sind ebenfalls kostenlos. Für die Kliniken wurden bisher insgesamt sieben Röntgengeräte, ein Ultraschallgerät, ein Zeiss-Ikon-Mikroskop sowie drei Krankentransportfahrzeuge angeschafft. In den Care & Fair-eigenen Kliniken und Schulen werden die Gehälter und sonstigen Kosten für angestellte Ärzte und Schwestern sowie auch für Lehrer und Hilfskräfte gänzlich von Care & Fair getragen.

Die Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie hat Wirkung gezeigt. Die Regierungen der betroffenen Länder haben die bereits seit langem bestehenden Gesetze strikter angewandt und Vergehen teils hart bestraft. Care & Fair und Rugmark haben vor Ort sehr gute Arbeit geleistet. Nicht zuletzt haben auch viele Produzenten davon Abstand genommen, Kinder arbeiten zu lassen. In Indien ist von Kinderarbeit in unserer Branche nichts mehr zu hören. In Pakistan ist die Situation unübersichtlich. Während es in den großen Städten wenig Kinderarbeit gibt, ist in den ländlichen Gebieten, in denen Großgrundbesitzer noch uneingeschränkte Herrscher sind, Kinderarbeit noch vorhanden.

Besonders schlimm aber ist die Lage für die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan - und hier besonders in den großen Flüchtlingslagern. Dort werden aus wirtschaftlichen Gründen und zur Ausbeutung Kinder in der Teppichproduktion eingesetzt. Auch hier hat Care & Fair geholfen und zwei Schulen direkt in den Flüchtlingslagern unterstützt. Die Koordination vor Ort wird von Ursula Noelle vom "Verein zur Unterstützung von Schulen für afghanische Flüchtlingskinder e.V." mit Sitz in Hamburg wahrgenommen.

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes hat sich die Situation zwar gewaltig gebessert, doch ist für die Flüchtlinge in Pakistan und auch nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan noch viel zu tun.

Die schlechte Absatzlage bei Teppichen hat dazu geführt, dass immer weniger importiert wird. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Einnahmen aus der Import- und der Export-Abgabe stark rückläufig sind. Auch haben viele Einzelhandelsgeschäfte in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen oder auch Nachfolgerproblemen, ihre Tätigkeit eingestellt. Dadurch hat Care & Fair fast 20 Mitglieder verloren.

Wie stark die Importe zurückgegangen sind, verdeutlicht die 5-Jahres-Statistik.

Vor allem bei Indien und Nepal ist der Abwärtstrend klar erkennbar. Dass Pakistan zumindest in der Statistik Zuwachsraten verzeichnet, liegt ausschließlich an den afghanischen Flüchtlingen, die auf pakistanischem Boden knüpfen und sich so wenigstens ein Existenzminimum sichern wollen. Sollte sich die Einnahmesituation weiterhin verschlechtern (noch sind Reserven für etwa 12 Monate vorhanden), dann müssen die Ausgaben für die Projekte drastisch gekürzt werden. Vielleicht müssen sogar einige geschlossen werden. Besonders die Gesundheitsversorgung, bedingt durch die Kosten für Medikamente, wird unter den Sparmaßnahmen leiden müssen.

Care & Fair braucht also neue Mitglieder und Sponsoren. Die Gründer haben seinerzeit den Slogan "Eine Branche übernimmt Verantwortung" ausgegeben. Leider engagieren sich heute zu wenig Importeure und Händler. Es gibt zu viele "Trittbrettfahrer", die von unserer Arbeit profitieren, aber die weder bei Care & Fair noch bei Rugmark finanziell engagiert sind.

Leider hat sich bis heute fast der gesamte Möbeleinzelhandel verweigert, obwohl gerade er seine Unterstützung dem Endverbraucher gegenüber mit geeigneter Werbung hätte ausnützen können und müssen. Deshalb heute noch einmal der Aufruf an alle, die sich dem Orientteppichhandel verbunden fühlen: Unterstützen Sie uns! Werden Sie Mitglied oder Sponsor! Es gibt sogar Stimmen, die sagen, Care & Fair kann sich auflösen, da das Problem ja gelöst ist. - Weit gefehlt, wir haben noch viel vor und es gibt noch viel zu tun.

Die von mehreren Seiten geforderte Fusion von Care & Fair und Rugmark ist letztendlich gescheitert. Trotz langwieriger Verhandlungen und Zugeständnissen konnte keine Einigung erzielt werden. Das Ziel ist das Gleiche, Abschaffung der Kinderarbeit in unserer Branche, doch die Wege und Mittel sind verschieden. Care & Fair setzt auf Projekte als Schwerpunkt - Rugmark auf die Inspektionen sowie auf das Rugmark-Label. Als Ergebnis kann man festhalten, dass die Zeit der gegenseitigen Bekämpfung vorbei ist. Man hat Gemeinsamkeiten erkannt und kann in Zukunft auf vielen Gebieten zusammen arbeiten.

Rugmark bekommt seit Jahren massive finanzielle Unterstützung von der Bundesregierung. Care & Fair ist nach wie vor auf die finanziellen Mittel aus der Branche allein angewiesen. Wir können nur hoffen, dass die im November vorgenommene Besichtigung unserer Projekte durch das BMZ/GTZ ein positives Ergebnis bringt. Eventuell wird uns dann eine finanzielle Unterstützung zu Teil. Zum Schluss sei allen Dank gesagt, die Care & Fair bis heute moralisch und finanziell unterstützt haben. Nur durch diese Hilfe konnte eine große Leistung erbracht werden."
aus Heimtex Orient 01/03 (Wirtschaft)