Care & Fair zeigt Durchhaltevermögen

Hilfsmaßnahmen sind bis Ende 2006 gesichert

Trotz drastisch gesunkener Einnahmen kann die Initiative Care & Fair - Teppichhandel gegen Kinderarbeit ihre Arbeit fortsetzen. Bis Ende 2006 ist die
Finanzierung der wichtigsten Hilfsprojekte in Indien, Nepal und Pakistan durch Reserven gesichert. Generell aber müssen in der Zukunft die Hersteller und
Exporteure in ihren eigenen Ländern tiefer in die Tasche greifen und ihre Verpflichtungen erfüllen, wenn die bisher erarbeiteten sozialen Standards Bestand haben sollen.

Wie üblich war die Jahresmitgliederversammlung der Hilfsorganisation äußerst schwach besucht. Ganze zwei ordentliche Mitglieder hatten sich neben dem Vorstand bei der Decor Union in Hannover eingefunden, die mit Enno Kramer als Geschäftsführer des Einkaufsverbandes und als Vorstandsmitglied von Care & Fair als Gastgeber fungierte. Dennoch war die Versammlung für die wichtigen Regularien beschlussfähig, da im Vorfeld schriftlich Stimmen abgegeben wurden. So wurden Vorstand und Geschäftsführung einstimmig entlastet.

In den neuen Vorstand wurden Enno Kramer von der Decor Union, Wendelin Meier aus der Schweiz, Volker Heinrich als bewährter Schatzmeister sowie Frits Janssen aus den Niederlanden gewählt. Dr. Ali Ipektchi gehört dem C & F-Vorstand als 1. Vorsitzender der EUCA - European Carpet Importer Association weiterhin satzungsgemäß an. Peter W. Engmann, ehemaliger Geschäftsführer des liquidierten Bundesverbandes des deutschen Teppich- und Gardinenhandels, schied aus dem Vorstand der Organisation aus und wurde von seinen Vorstandskollegen in Anerkennung seines langjährigen Einsatzes gebührend verabschiedet.

Zur Lage auf dem Teppichmarkt erklärte Enno Kramer, dass die besten Geschäfte momentan von den Möbel- und Einrichtungshäusern, den Versendern und den Flächenanbietern gemacht würden. Darüber hinaus sahnen die Veranstalter von Sonderverkaufsaktionen nach wie vor ab. Auch die Nachfrage bei den Importeuren ist bei weitem nicht so schlecht, wie es die Stimmung erscheinen lässt. Schwach zeigt sich nach Worten von Kramer der klassische Teppichfachhandel. Geld ist genügend da beim Verbraucher, um Teppiche kaufen zu können. Aber er braucht Anreize und lässt sich vor allem über den Preis reizen, wobei es, wie Dr. Ipektchi erklärte, durchaus auch echte Räumungsverkäufe gibt. Die Einzelhandelslandschaft wird ausgedünnt. Die Importzahlen haben sich nach seinen Worten in den letzten Jahren halbiert. Es findet eine Strukturveränderung statt. Es wird zum einen deutlich weniger konsumiert. Es gibt zum anderen weniger Anbieter in der Fläche. Es kommt zu Konzentrationen. Diese Entwicklung lässt sich auch auf der Importeursebene mit wesentlich weniger Großhandelsfirmen verfolgen.

Als positiven Aspekt entdeckte Volker Heinrich den spürbaren Rückgang der Eigenimporte durch den Einzelhandel. Gleichzeitig allerdings stellt der Einzelhandel sein Angebot zunehmend auf bisherige Randsortimente um. Teppiche aus Naturfasern, wie Kokos, Sisal oder Jute und darüber hinaus der Tuft-Teppich gewinnen an Bedeutung. Für Care & Fair bedeutet die gesamte Entwicklung nach Worten von Heinrich, dass weniger Geld in die Kassen kommt. Care & Fair muss verstärkt auf Sparkurs gehen. Die Folge davon ist, dass die Partner vor Ort in den Knüpfländern stärker in die Verantwortung genommen werden müssen.
In Pakistan ist dieses Problem nach Worten von Frits Janssen momentan kaum akut. Die dort für 350.000 DM von Care & Fair errichtete Schule läuft hervorragend und trägt sich selbst durch das lokale Finanzaufkommen. Weitere Bildungseinrichtungen in den Flüchtlingslagern für Afghanen wurden aufgelöst, da auch die Lager selbst nicht mehr existieren. Pakistan stellt damit für Care & Fair zur Zeit keine finanzielle Belastung dar.

Wesentlich schlechter sieht die Situation in Nepal aus. Weder Lieferanten, so Wendelin Meier, noch Importeure zahlen ihre Abgabe für die eingeführte oder ausgeführte Ware . Bei den Einfuhren gibt es nur viel zu niedrige Angaben. Für die Ausfuhren wird fast überhaupt nicht gezahlt. Volker Heinrich: " So lange das Geld aus Deutschland uneingeschränkt für die Hilfsprojekte kam, haben die Nepalesen selbst keinen Beitrag geleistet." Das soll jetzt anders werden. Heinrich: "Das Büro Care & Fair Nepal wird dicht gemacht, wenn von dort kein finanzieller Beitrag aufgebracht wird." Künftig werden die Mittel aus Deutschland nur noch im Verhältnis 3 : 1 fließen. Für jeden Euro aus Nepal direkt kommen 3 Euro aus Deutschland für die Bestandserhaltung der schulischen, medizinischen und sozialen Care & Fair-Einrichtungen. Neue Projekte sind in Nepal nicht geplant.

Problematisch sieht es auch in Indien aus. Die eigenen Care & Fair-Einrichtungen mit fünf Schulen und Hospitälern können noch im vollen Umfang gehalten werden. Die finanzielle Hilfe für zwar ebenfalls soziale, aber fremde Projekte muss stark gedrosselt werden. Volker Heinrich: "Wir geben den Schwarzen Peter an die Exporteure, die sich bloß stellen, wenn sich die Projekte, mit deren Lorbeeren sie sich geschmückt haben, nicht mehr halten lassen. Die Hersteller und Exporteure wollen sich ganz klar um das Zahlen drücken. Aber wir Importeure können und sollten sie unter Druck setzen."

Neue Einrichtungen sind auch in Indien nicht geplant. Aber es gibt, so berichtete Care & Fair-Geschäftsführer Peter Fliegner, eine neue und sehr erfolgreiche Initiative: die Women Empowerment Programme. Dabei haben nicht mehr schulpflichtige Mädchen und Mütter Gelegenheit, in den nachmittags nicht genutzten Schulräumen der Care & Fair-Einrichtungen Lesen und Schreiben oder handwerkliche Fertigkeiten, wie Knüpfen, Tuften oder Nähen, zu lernen. Der Andrang ist nach Worten von Peter Fliegner enorm. Mit dem Angebot wächst die Lebensqualität der jungen Frauen erheblich, ohne dass das knappe C & F-Budget spürbar belastet wird.

Insgesamt konnte Care & Fair einmal mehr eine stolze Bilanz ziehen: Seit 1995 bis zum einschließlich September 2003 gab die Initiative des Handels gegen die Kinderarbeit über 2,66 Mill. EUR für Hilfsmaßnahmen in den Knüpfländern aus. Zwar schrumpft mittlerweile der Finanzbestand, der hauptsächlich aus der Importabgabe, aus Mitgliedsbeiträgen und aus Spenden zusammen getragen wurde, deutlich, doch kann Care & Fair nach Worten von Schatzmeister Volker Heinrich noch etwa vier Jahre lang auf dem momentan niedrigen Einnahmeniveau durchhalten. Doch die Talsohle scheint durchschritten zu sein. Die Planziele könnten schon 2003 übertroffen werden. Nach Sponsoring-Einnahmen von etwa 56.000 US-Dollar im Jahr 2002 kann Care & Fair 2003 etwa 60.000 US-Dollar erwarten. Das Sponsoring, hauptsächlich initiiert von Wendelin Meier in der Schweiz, entwickelt sich zu einer zunehmend bedeutsamen Einnahmequelle, nachdem die Mitgliedsbeiträge durch Betriebsschließungen weiter rückläufig sind.

Einen kleinen Geldregen könnte Care & Fair auch von der Organisation "Children of Orient", einst von Volker Thiel ins Leben gerufen, erwarten. C & F hat eigene Bemühungen zurück gestellt, einen eigenen gemeinnützigen Verein ins Leben zu rufen, um auf Wunsch der Mitgliederversammlung von Children of Orient diese Institution zu integrieren. Ein gemeinnütziger Verein, als der Children of Orient anerkannt ist, wird dringend notwendig, um endlich steuerlich absetzbare Spenden entgegen nehmen zu können. Doch scheitert die Integration von Children of Orient und eines Teiles der erheblichen finanziellen Rücklagen trotz des Beschlusses der Mitglieder und des Vorstandes offensichtlich nach Feststellung der C & F-Mitliederversammlung bisher an der Person von Volker Thiel, der sich seit eineinhalb Jahren nicht in der Lage zeigt, diese Beschlüsse trotz seiner eigenen Zustimmung organisatorisch umzusetzen.
aus Heimtex Orient 06/03 (Wirtschaft)