Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Orient-Warenkunde

Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.

Perepedil - Kaukasische Teppichprovenienz


Perepedil ist eine bekannte Unterprovenienz der nordkaukasischen Kuba-Teppiche. Kuba galt bis Anfang des 20. Jahrhunderts als das bedeutendste Knüpfgebiet im Kaukasus. Heute werden im gesamten Kaukasus - nicht zuletzt wegen der politischen Umwälzungen / Unruhen - kaum noch kommerziell Teppiche gefertigt. Die Teppiche der zwischen Schirwan und Daghestan gelegenen Region Kuba zeichnen sich allesamt durch ihre vergleichsweise feine Knüpfung und den niedrig geschorenen Flor aus. Die Stadt Kuba liegt gute 150 km nordwestlich von Baku im heutigen Aserbaidschan. Keine 50 Kilometer weiter östlich, unweit des Kaspischen Meeres, liegt Perepedil.

Hier wurden die feinsten Teppiche des gesamten Kuba-Gebietes geknüpft, Teppiche mit einer Dichte über 250.000 Knoten / m2 sind nicht ungewöhnlich. Das Grundgewebe der Perepedil besteht zumeist komplett aus Wolle, bei neueren Stücken sind aber auch Baumwollschüsse zu finden. Die Fransen sind an beiden Seiten gleich gearbeitet - im Gegensatz zu Teppichen aus dem südlichen Kaukasus, die auf einer Seite Schlingen statt beidseitig geschnittener Fransen aufweisen.

Ein typisches und leicht zu erkennendes Dessin der Perepedil ist ein (meist blaugrundiges) Innenfeld, das Widderhorn-Muster zeigt. Dieses auch als "Wurma" bekannte Muster wird wiederum von zahlreichen Füllmotiven begleitet. Es handelt sich dabei um viele florale Motive, Tier- und Menschen-Motive werden ebenfalls eingeknüpft. Die Bordüre ist typischerweise als Weinlaub- oder aber Kufi-Bordüre ausgeführt, es finden auch Stern-Motive ihren Einsatz. Ein weiteres Dessin, für das Perepedil bekannt ist, erinnert stark an persische Teppiche: Es zeigt ein Herati-gemustertes Innenfeld mit einer ebenfalls persisch inspirierten Bordüre.

Neben Perepedil zählen zum Kuba-Gebiet noch die Unterprovenienzen Konagkend, Sejschur, Zejwa, Tschitschi und Karagaschli.

Double - Marokkanische Knüpfeinstellung


Teppiche in Marokko werden traditionell mit einem eigenen Knoten, dem Berberknoten geknüpft. Er unterscheidet sich deutlich von den zwei bekannten Knotenarten, dem symmetrischen oder türkischen Knoten und dem asymmetrischen oder persischen Knoten. Der Berberknoten umfasst mit seinen beiden Knotenbögen dieselben Kettfäden.

Unterschieden werden bei den Berberknoten vor allem die Ausführungen simple und double. Diese französischen Bezeichnungen geben an, ob der Knüpffaden einfach oder doppelt parallel gelegt wird und dann so gelegt geknüpft wird. Auch triple, also dreifach gelegte Florfäden, kommen vor.

Berberknoten mit einem einfachen Wollfaden, der zwei Florspitzen (Polenden) pro Knotenschenkel ergibt nennt man also simple (französisch für "einfach"). Die Knüpfeinstellung double (doppelt) wird mit einem doppelt gelegten Wollfaden geknüpft, woraus sich vier Florspitzen pro Knoten bilden.

Eine Sonderform ist demi double: Geknüpft wird abwechselnd in zwei verschiedenen Einstellungen, eine Reihe mit einfachen, die nächste Reihe mit doppelt gelegtem Knüpffaden. Auch möglich sind abwechselnd nebeneinander ein einfacher und ein doppelt gelegter Knüpffaden. Dieses Verfahren ist allerdings recht selten anzutreffen. Die Florspitzen sind hier also alternierend zwei- oder vierendig. Werden die Knoten mit einem dreifach gelegten Wollfaden eingetragen, so dass sechs Florspitzen pro Knoten gebildet werden, wird von triple (dreifach) gesprochen.

Ein weiterer Begriff, der bei marokkanischen Teppichen verwandt wird, ist torsadé. Der Knüpffaden besteht hier aus einem verzwirnten Florgarn, im Gegensatz zu dem einfach parallel liegenden Florgarn der Einstellungen double oder triple. Dieses Knüpfgarn ergibt einen körnigen Floreffekt und hat den Vorteil, dass dieses Garn weniger verfilzt.

Die heutigen Manufakturteppiche werden ausschließlich im symmetrischen Knoten gearbeitet werde, egal ob simple, double, demi-double, triple oder torsadé.

Khorasan - Nordost-Iranische Provinz


Die Provinz Khorasan liegt im äußersten Nordosten des Iran und grenzt an die Länder Turkmenistan im Norden und Afghanistan im Osten. Politisch ist die Region in drei Verwaltungsgebiete geteilt: Nord-Khorasan mit der Hauptstadt Bojnurd, Razavi-Khorasan mit der Hauptstadt Mesched und Süd-Khorasan, das Birjand als Hauptstadt hat. Die gesamte Provinz gilt als eine der produktivsten Teppichregionen des Landes.

Bis ins 19. Jahrhundert reichten die Grenzen von Khorasan weit über den heutigen Iran raus. Nach der Eroberung durch die persische Dynastie der Safawiden im 16. Jahrhundert gehörten auch der südliche Teil des jetzigen Turkmenistans und ein großer Teil des Westens des heutigen Afghanistans zur ostpersischen Provinz. Das ist insofern auch für die Geschichte des Teppichs bedeutend, als in diesem Zeitraum Herat die Provinzhauptstadt war. Diese Stadt gilt als Knüpfort vieler Teppiche des Safawidenreichs und war namensgebend für das mittlerweile in ganz Iran verbreitete Herati-Muster.

Aus dem heutigen Khorasan kommen Teppiche aller Qualitätsstufen; vom äußerst feinen Manufakturteppich bis zum Nomadenteppich. Die in Europa bekanntesten Provenienzen sind dabei sicherlich Mesched und Birjand / Moud aber auch weitere Orte haben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Teppichmarkt. Als Beispiele seinen Sabsewar, Ferdows oder Kaschmar genannt. Besonders Teppiche der preislichen Mittelklasse kommen aus Khorasan, häufig auch gut verkäufliche Muster anderer iranischer Provenienzen, die hier nachgeknüpft werden.

Hauptumschlagplatz ist der Bazar von Mesched. Neben den schon angesprochenen Provenienzen werden hier zusätzlich sowohl die Teppiche iranischer Tekke- und Yomut-Turkmenen gehandelt, als auch die der Belutsch-Nomaden.

Timuri - Westafghanische Teppichprovenienz, Nomadenstamm


Die Timuri sind ein teppichknüpfender Nomadenstamm, der vor allem im Westen Afghanistans lebt. Einige wenige Familien haben ihre Heimat aber auch im äußersten Osten des Iran, in der Provinz Khorasan. Die Timuri leben in sehr enger Nachbarschaft zu den Belutsch-Nomaden, weshalb sich ihre Knüpferzeugnisse sehr stark ähneln. Azadi schreibt daher auch passend von Teppichen in Belutch-Tradition und zählt den Stamm beziehungsweise die Unterstämme der Timuri zu den wichtigsten Erzeugern von Teppichen in diesem Stil.

Der Name "Timuri" leitet sich von Timur Lenk (auch Tamerlan genannt) ab, einem Nachfahren des mongolischen Herrschers Dschingis Khan. Timur Lenk eroberte im 14. Jahrhundert große Bereiche Zentralasiens und des Vorderen Orients. Um die Verbindungen dieses Stammes zu dem Eroberer Timur Lenk gibt es zahlreiche Geschichten und Sagen. Auch wenn es spannend klingt und gut möglich ist, dass sie Nachfahren der Armeeangehörigen Timur Lenks gewesen sein sollen, kennt man ihren exakten Ursprung nicht.

Sicher ist, dass die Timuri die angesehensten Knüpferzeugnisse der in Belutsch-Tradition knüpfenden Völker herstellen. Das soll vor allem für die sehr wenigen auf der iranischen Seite des Siedelgebiets hergestellten Stücke gelten. Die geschickten Hände der Nomadenfrauen fertigen alle Arten von Teppichen und Gebrauchstextilien, vom großen Hauptteppich bis zu kleinen Salztaschen. Wie schon beschrieben, sind die Teppiche der Timuri und Belutschen schwer auseinanderzuhalten. Brian MacDonald gibt in seinem Buch den hilfreichen Hinweis, dass "die antiken Teppiche der Timuri im Allgemeinen an ihrer intensiven blauen Grundfarbe, ihren Krapp-roten Bordüren und den schön gearbeiteten Schürzen identifiziert werden können. Natürlich gibt es Ausnahmen zu dieser Regel, wie die Teppiche des Stammes der Sangtschuli, die eine vollständig pink-rote Farbpalette aufweisen." Neben den Sangtschuli gehören die Yaghub Khani zu den bekanntesten Unterstämmen der Timuri.
aus Carpet Magazin 04/11 (Teppiche)