Halbjahreskonferenz des HDH und VDM in Köln

Deutsche Möbelindustrie stoppt Abwärtstrend

Das "Tal der Tränen" könnte die deutsche Möbelindustrie langsam durchwandert und die Konsolidierung der Branche erreicht haben, so der optimistische Tenor auf der Halbjahreskonferenz des Hauptverbandes der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie e.V. (HDH) und des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Köln. In den ersten sechs Monaten des Jahres hatte vor allem das Holzgewerbe aber auch die Möbelindustrie einen Umsatzzuwachs zu verzeichnen. Um diesen Aufwärtstrend fortschreiben zu können, hat sich die Möbel-Verband um ein 5-Punkte-Programm bemüht.

Fast alle Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen nach oben revidiert, die Holzbranche insgesamt weist wieder positive Zahlen auf, nun scheint auch in der deutschen Möbelindustrie der Abwärtstrend gestoppt, so der Hauptgeschäftsführer des HDH und VDM, Dirk-Uwe Klaas. Immerhin ist in den vergangenen acht Jahren der Inlandsmarkt der Möbelbranche um durchschnittlich 3 % im Jahr geschrumpft (Tabelle 1). Im ersten Halbjahr 2004 zeigte sich nun für die gesamte Holzindustrie ein vierprozentiges Umsatzwachstum von 17,7 Mrd. EUR auf nunmehr 18,4 Mrd. EUR.

Diese positiven Impulse wirken sich nach Verbandsangaben auch auf die Beschäftigungssituation aus. So hat sich der Stellenabbau in der deutschen Holz- und Möbelindustrie im ersten Halbjahr 2004 merklich verlangsamt: Von Januar bis Juni ist die Zahl der Stellen branchenweit um rund 2.000 auf jetzt 225.000 zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren rund 7.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Aktuell zählt die Branchenstatistik 2.823 Industriebetriebe, das sind 30 weniger als zu Jahresbeginn.

Zuwachs bei Holzwerkstoffen

Die beiden großen Teilsparten, die Möbelindustrie und das Holzgewerbe im Einzelnen:

Im Segment Holzgewerbe, also bei den Herstellern von Säge-, Platten- und Holzprodukten im baunahen Bereich, ist es zu einer merklichen Erholung gekommen. In den ersten sechs Monaten stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich um 7,5 %. Der Halbjahresumsatz lag mit 7,8 Mrd. EUR rund 500 Mio. EUR höher als im Vergleichshalbjahr (Diagramm 1).

Auch die Holzwerkstoffindustrie liegt laut HDH mit einem Plus von 12,5 % merklich über Vorjahresniveau, wobei dieser Zuwachs in erster Linie aus der Auslandsnachfrage gespeist werde. Die Sägeindustrie verbesserte ihre Umsatzzahlen im ersten Halbjahr um 8,8 %. Die Hersteller von Holzverpackungen legten mit 15,3 % sehr deutlich zu, was laut Verband auch ein Indiz für das anziehende Exportgeschäft der deutschen Industrie ist, dem Hauptabnehmer solcher Verpackungen.

Der größte Bereich im Segment Holzgewerbe - die Bauelemente aus Holz - verzeichneten in den ersten sechs Monaten einen Zuwachs von 2,9 %. Hier spiegeln sich nach Ansicht des Hauptverbandes u.a. die derzeit noch gut gefüllten Auftragsbücher der Fertighausindustrie wieder, die von der anhaltenden Diskussion um eine Abschaffung der Eigenheimzulage profitieren.

Küchenmöbel als Spitzenreiter

Doch auch in der Sparte Möbel, dem mit einem Umsatzanteil von 55 % dominierenden Bereich der gesamten deutschen Holzindustrie, zeigten sich nach der Flaute der letzten Jahren wieder eine Umsatzverbesserung - um 1,5 % auf 10,1 Mrd. EUR. Dabei entwickelten sich die einzelnen Segmente der Möbelindustrie recht unterschiedlich: Spitzenreiter war der Bereich Küchenmöbel mit einem Zuwachs von 4,4 % (Diagramm 2).

Alles in allem hat im Möbelbereich das Auslandsgeschäft deutlich an Fahrt gewonnen. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres stiegen die Ausfuhren deutscher Möbel um 5,8 % auf 2,6 Mrd. EUR. Exportschlager ist vor allem Dingen der Bereich Küchen, der um 8,6 % zulegen konnte und dank der intensiven Exportbemühungen der Hersteller gute Erfolge gezeigt hätte. Die Küchenhersteller sind nach Ansicht von Klaas ein gutes Beispiel für die Bedeutung einer ausgeprägten Markenpolitik.

Die zunehmenden Auslandserfolge lassen die Exportquote auf mittlerweile 26,4 % steigen. Innerhalb der vergangenen acht Jahre hat sich die Exportquote damit verdoppelt, 1996 lag sie noch bei 13,6 %. Beim Blick auf die Importzahlen wird deutlich, dass Polen bei Weitem der wichtigste Zulieferer ist. Allerdings geht der VDM davon aus, dass dort rund zwei Drittel aus von deutschen Unternehmen gesteuerter Produktion stammt. Deswegen sind auch die Importzahlen alleine nicht immer ausreichend. So gibt es in Deutschland hinsichtlich Möbelprodukte zwar einen deutlichen Importüberschuss, obgleich er sich dank des Exportwachstums im ersten Halbjahr um 6,2 % auf 988 Mio. EUR reduzierte. Da allerdings viele Möbelhersteller im Ausland fertigen lassen, dürften sich Import und Export in etwa ausgleichen, wenn die ausländische Produktion, die sich in deutscher Hand befindet, herausgerechnet wird, schätzt der VDM. Für die Zukunft erwartet der Hauptgeschäftsführer, dass - wie in anderen Branchen auch - die deutsche Möbelindustrie noch weiter in den Osten abwandern wird - auf der Suche nach noch günstigeren Arbeitskräften. Momentan lasse zwar noch kein deutsches Möbelunternehmen in Asien produzieren, entsprechende Überlegungen gebe es aber bereits.

Wachstum setzt sich fort

Auch insgesamt bleibt die Frage, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Für die Möbelindustrie erwartet der VDM nach dem ermutigenden Verlauf im ersten Halbjahr ein stabiles bis leicht positives Ergebnis für das Jahr 2004, von einer schwarzen Null bis 1,5 % ist hier die Rede. Die Meldung des Möbelhandels wiederum, wonach 2004 eine Umsatzsteigerung von 3,5 % prognostiziert wird, kann im Übrigen die deutschen Möbelhersteller nur bedingt beruhigen, merkte Klaas an, da sich der Zuwachs des Handels in erster Linie aus den Importen speise. Die übrige Holzindustrie wiederum dürfte im Gesamtjahr ein deutliches Wachstum von 5 bis 6 % erreichen. Getragen werde diese positive Einschätzung in erster Linie von den stabilen Wachstumszahlen im Verpackungsgeschäft und der bis zum Ende des Jahres gesicherten Auftragslage im Bereich Holzfertigbau. Auch die starke Auslandsnachfrage bei Spanplatten könnte voraussichtlich anhalten.

Nach wie vor liegt die Nettoumsatzrendite in der Möbelindustrie nur bei ungefähr 1 %, machte Klaas in Köln deutlich, von einer echten Erholung könne also noch nicht die Rede sein, wenngleich sicherlich eine erste Konsolidierung eingetreten sei.

Die Achillesferse der deutschen Konjunktur bleibt nach Einschätzung des Verbandes der private Konsum. Die Verbraucher halten ihr Geld aus Unsicherheit vor der wirtschaftlichen und persönlichen Zukunft zusammen. Was der Möbelbranche ebenso wie der gesamten Konsumgüterindustrie derzeit zu schaffen macht, sei die Flucht der Verbraucher ins Angstsparen, erklärte Klaas weiter. Mit insgesamt 151,3 Mrd. EUR haben die privaten Haushalte im vergangenen Jahr erneut 3,4 % mehr auf die hohe Kante gelegt als im Jahr zuvor. Die Sparquote stieg von 10,6 auf 10,8 % des verfügbaren Einkommens.

Gleichzeitig machte der Möbelverband deutlich, dass auf Grund gestiegener Öl-, Stahl- und Aluminiumpreise in den nächsten Monaten auch die Preise für Möbel in einer Größenordnung von 5 % erhöht werden müssten. Ob die Preissteigerungen gegenüber dem Möbelhandel aber wirklich durchzusetzen sind, hänge entscheidend von den kommenden Verhandlungen mit den Einkaufsverbänden ab. Ikea habe mit seiner aktuellen Werbekampagne allerdings gezeigt, wie man Preiserhöhungen am Besten kommunizieren könnte, erklärte Dirk-Uwe Klaas mit einem Schmunzeln. Immerhin habe das Unternehmen, das offiziell Preissenkungen angekündigt hat, rund 120 Produkte um durchschnittlich 5,6 % erhöht, rechnete der VDM vor. Ikea habe vor allem dort die Preise gesenkt, wo die Einrichtungshäuser nicht besonders wettbewerbsfähig waren, wie beispielsweise im Bereich Küchenmöbel.

Doch letzten Endes hängt mit der Preispolitik auch die Wahl der Vertriebskanäle zusammen, wo es in den letzten Jahren beträchtliche Veränderungen gegeben hat. Seit 1996 hat sich interessanterweise der Versandhandel mit einem Plus von 60 % am stärksten nach oben entwickelt. Im Jahr 2003 wurde allerdings dennoch nur ein vergleichsweise geringer Umsatz mit Möbeln von 2,29 Mrd. EUR über den Versandhandel generiert. Der am zweitstärksten wachsende Bereich waren die Bau-/Heim- und Gartenbaumärkte mit einer Verdoppelung der Umsatzzahlen auf rund 1 Mrd. EUR. Gleichzeitig sank die Nachfrage im Kaufhaus um 73 % und die des kooperierenden Möbelhandels um 22,6 % auf immerhin noch 17,5 Mrd. EUR.

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Das Fünf-Punkte Programm von VDM

Um den beginnenden Aufwärtstrend unserer Branche erfolgreich in die Zukunft fortschreiben zu können, bedarf es aus Sicht des VDM eines umfassenden Fünf-Punkte Programms :

1. Noch mehr Energie in die Erschließung von Exportmärkten investieren, um den Inlandsmarkt aufzufangen.

2. Qualität der Möbel offensiv vermarkten und den Unterschied zu Billigangeboten deutlich herausstellen. Gemeinsam mit dem Handel die Reklamationsquote weiter senken und die Lieferzeiten kürzen.

3. Markenbildung bei Möbeln forcieren, um die Austauschbarkeit im Handel zu erschweren. Die Verbraucher könnten irgendwann der Schnäppchenjagd müde werden und dann sind wieder Marken und Werte verlangen, hofft der VDM.

4. Möbelhandel zu besseren Vertriebskonzepten bewegen: Bessere Präsentation, gut geschulte Verkäufer und ein überzeugendes Servicepaket. Parallel muss die Industrie über alternative Vertriebskonzepte nachdenken, wie etwa den Direktvertrieb oder die Anmietung von Handelsflächen über Shop-in-Shop-Lösungen. Diese Flächen im Handel würden nicht nur selbst geplant, sondern eventuell auch von den Möbelherstellern selbst gepflegt. Es könnte soweit gehen, dass die Produzenten ein Clusterbild entwickeln, um in Nachbarschaft mit bestimmten anderen Anbietern im Handel präsent zu sein. Gleichzeitig erklärte der VDM, dass der Möbelhandel aber nicht zu einer Art "Flächenvermieter" degradiert werden soll, da dieses dem großen Know-how des Möbelhandels nicht gerecht würde.

5. Kosten - insbesondere die Lohnkosten - senken, da sie im internationalen Vergleich deutlich zu hoch seien. Die Branche brauche flexiblere Lösungen. Dabei muss die Leistung der Arbeitnehmer im Vordergrund stehen und der Unternehmenserfolg etwa in Form von Sonderzahlungen belohnt werden. Kostensenkungen seien zum Beispiel bei der gesetzlichen Unfallversicherung und der Insolvenzgeldumlage möglich, die sich zwischen 1990 und 2002 mehr als verzehnfacht habe. Eine mittelständische Firma der Möbelindustrie zahlt alleine rund 35.000 EUR jährlich an Insolvenzgeld.
aus Parkett Magazin 05/04 (Wirtschaft)