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Je dicker desto besser? Estrichmehrstärken aus juristischer Sicht


Sachverhalt: Der Estrichleger E hat den Auftrag, 2.400 m Zementestrich als Heizestrichkonstruktion auf Fußbodenheizung einzubauen. Die Heizungsschlangen sind bündig mit der Wärmedämmung eingebaut. In der Einheitspreisposition für den Estrich wird eine Stärke von vertraglich geschuldeten 5 cm vereinbart. Zusätzlich ist im Leistungsverzeichnis eine Eventualposition (vgl. untenstehende Definition) enthalten, wonach Estrichmehrstärken zwischen 1 und 5 cm abgefragt werden. Der Einheitspreis wird je 1 cm Estrichmehrstärke gebildet. Der Estrichleger hat die Eventualposition für sich vorteilhaft kalkuliert.

Zwei Tage vor Bauausführung stellt der Estrichleger fest, dass der Heizungsbauer seine gesamte Fußbodenheizungskonstruktion nicht dem Meterriss entsprechend eingebaut hat. Es gibt auf allen Flächen Estrichmehrstärken zwischen 1 und 4cm. Dies meldet der Estrichleger vor Ort gegenüber dem Architekten an und erklärt, man solle den Heizungsbauer anhalten, eine entsprechende Ausgleichsschüttung einzubringen. Der Architekt erklärt lapidar, dass dies aufgrund des zeitlichen Ablaufes der Baustelle und der Fertigstellungsfristen nicht mehr möglich sei. Man könne ja über die Eventualposition entsprechende Estrichmehrstärken abrechnen. Der Estrichleger freut sich und beginnt am nächsten Tag mit seiner Arbeit. Seinem Auftraggeber teilt er die Estrichmehrstärken aber nicht mit.

Im Anschluss an die Estricharbeiten wird auf der Fläche Hochkantlamellenparkett verlegt. Schon während der Bauausführung gibt es in Teilbereichen massive Feuchtigkeitsschäden. Der Parkettleger argumentiert, er habe CM-Prüfungen durchgeführt, die Mehrstärkenproblematik sei ihm überhaupt nicht aufgefallen. Der Auftraggeber beauftragt den Parkettleger entgeltlich mit der Mangelbeseitigung. Die Kosten für die Parkett-Neuverlegung zieht der Auftraggeber von der Schlussrechnung des Estrichlegers ab. Er sei von seinem Architekten nicht über die Mehrdicken informiert worden.

Der Estrichleger klagt seinen Restwerklohn ein und erklärt, er habe einen ordnungsgemäßen Estrich erstellt. Die Prüfung der Belegreife sei Sache des Parkettlegers. Es sei ihm völlig unverständlich, dass der Bauherr den Parkettleger mit dem eigentlichen Lohn des Estrichlegers bezahlt habe.

Entscheidungsgründe: Sowohl das Land- als auch Oberlandesgericht haben dem Estrichleger den von ihm begehrten Werklohn nicht zugesprochen, vielmehr die Klage aufgrund ordnungsgemäßer Aufrechnung des Auftraggebers mit einem Ersatzanspruch abgewiesen. Wir halten die Entscheidung insbesondere wegen der zugelassenen Aufrechnung mit den Kosten des Parkettlegers für bedenklich. Nichtsdestotrotz wurde die Entscheidung von einem Oberlandesgericht getroffen und sollte daher beachtet werden.

Beide Gerichte argumentieren, dass man zwar auch gut vertreten könne, dass der Parkettleger seinen Prüfungspflichten in Bezug auf die Belegreife der Estrichkonstruktion nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Diese Frage müsse jedoch in einem Folgeprozess zwischen Parkett- und Estrichleger geklärt werden. In jedem Fall muss ein Estrichleger gegenüber seinem Auftraggeber ausdrücklich auf die Mehrstärkenproblematik und deren Folgen hinweisen. Bei extremen Höhenunterschiede muss der Estrichleger dem Auftraggeber in schriftlicher Form mitteilen, dass es zu Trocknungsverzögerungen kommen könne. Die Information gegenüber dem Architekten reiche nicht aus.


Was ist eine Eventualposition? - Was ist eine Einheitspreisposition?


Eine Eventualposition wird im Allgemeinen auch als Bedarfsposition bezeichnet. Dabei steht in der Regel noch nicht fest, ob und in welchem Leistungsumfang ausgeführt wird. Sie wird nur auf besondere Anordnung des Auftraggebers zu einer Ausführungsposition.

Der Einheitspreis ist der Preis, der je Einheit einer in einem Leistungsverzeichnis beschriebenen Teilleistung berechnet wird. Der Bauvertrag, bei dem der Einheitspreis die Grundlage der Vergütung darstellt, wird Einheitspreisvertrag genannt.
aus FussbodenTechnik 01/12 (Recht)