Zu Besuch bei Berthold, dem Massivholzdielen-Spezialisten

Senkrechtstart mit Nischenprodukten

Die Bruno Berthold OHG mit Hauptsitz in Bornheim-Sechtem, einem Ort in der Nähe von Bonn, war vor weniger als 10 Jahren eine ganz normale Holzgroßhandlung, die das umliegende Schreinerhandwerk mit Schnittholz, Plattenwerkstoffen und Hobelware versorgte. Erst in den 90er Jahren entwickelte sie sich zu einem der größten und leistungsfähigsten Lieferanten von Leimholzplatten und Massivholzdielen. ParkettMagazin sprach in Bornheim-Sechtem mit Lutz Berthold und Heiner Böckmann über das Unternehmen Berthold und speziell über deren Konzept zur Herstellung und Vermarktung von Massivholzdielen.

Lutz Berthold, neben Udo Weisenhaus Geschäftsführer des Unternehmens, trat erst 1995 in die 1948 von seinem Vater gegründete Firma ein. Zuvor hatte er in Berlin studiert und mit einer Arbeit über den Untergang der Weimarer Republik promoviert. Eigentlich hatte er Hochschullehrer werden wollen. Doch als sein Vater ihn bedrängte, er möge sich um sein künftiges Erbe kümmern, legte er ein Forschungssemester ein. Dabei blieb es nicht. Er fand Geschmack am Kaufmannsberuf und entdeckte seine Leidenschaft für Holzfußböden.

Massivholzdielen galten Mitte der 90er Jahre als ein kommendes Thema. Der Markt signalisierte wachsenden Bedarf. Doch gab es kaum Anbieter, die ein marktgängiges Lieferprogramm auf die Beine stellen konnten. Die Bezugsquellen waren unstet, die Qualitätsstandards schwankend. Lutz Berthold erkannte die Marktlücke und handelte konsequent. Er kaufte amerikanische Laubschnitthölzer und ließ diese im Lohn zu Fußbodendielen verarbeiten. Da er selbst über so gut wie keine Holzkenntnisse verfügte, warb er einen Fachmann als Mitarbeiter: Heiner Böckmann arbeitete in einem alternativen Baustoffhandel, als ihn Lutz Berthold von der Idee begeisterte, die Massivholzdiele aus der ökologischen Nische zu holen und ihr zu größerer Verbreitung zu verhelfen. Auch Böckmann hatte in vergangenen Tagen einmal Geschichte studiert. Doch das war reiner Zufall. Zusammen entwarfen die beiden ein speziell auf die Gegebenheiten und Bedürfnisse des Holzfachhandels zugeschnittenes Lieferprogramm und hatten damit so viel Erfolg, dass sie heute noch staunen, wenn sie an die Anfänge zurück denken. "Wir hatten Glück", sagen sie.

Fraglos hat ihnen der Bau- und Renovierungsboom der späten 90er Jahre mächtig geholfen. Es gab Zeiten, da konnten sie nicht genug Holz heranschaffen, um die Nachfrage zu decken. Heute sind es allein in Deutschland über 200 Holzhändler, die sich von Berthold regelmäßig mit Massivholzdielen, aber auch mit Leimholzplatten, dem zweiten wichtigen Standbein des Unternehmens, beliefern lassen. Der Erfolg wurde schon bald im architektonischen Bild der Firma sichtbar. 1997 wurde am heutigen Hauptstandort eine 3000 qm umfassende und 10 m hohe Lagerhalle errichtet, in die ein zweistöckiges Bürogebäude integriert wurde. 1999 verdoppelte man die Lagerkapazität, in dem man eine zweite, fast identische Halle daneben setzte. Und 2001 kam es zum Bau einer dritten Halle, diesmal, um eine hochmoderne Produktionsanlage zu beherbergen. Die Pläne für eine vierte Halle werden soeben aus der Schublage gezogen. Weihnachten soll das Bauwerk fertig sein.

Als Baumeister fungiert immer noch der Firmengründer, Bruno Berthold. Der Senior wollte in jungen Jahren Architektur studieren. Doch der Krieg kam dazwischen, und als er zu Ende war, wurde Bruno Holzhändler. Dass ihm das Bauen im Blut liegt, sieht man seinen Werken an. Die Gebäude sind funktional und schön, eine durchgängige Kombination aus Stahl und Holz macht sie zum Werbeträger für den Baustoff, aus dem sie erschaffen sind. Übrigens hatte auch schon der Großvater, ebenfalls ein Bruno, mit Holz zu tun. Er begann als Rücker und Flößer in der österreichischen Steiermark. Als ihm 1930 bei Hochwasser das Holz davon schwamm, wanderte er mit Kind und Kegel nach Frankfurt, wo er eine kleine Holzhandlung eröffnete. Später gründete er auch noch ein Sägewerk in der Nähe von Fulda. Beide Unternehmen existieren heute noch, aber die familiären Bande zerrissen irgendwann in den 80er Jahren, als es zum Streit um Großvaters Erbe kam. Lutz ging übrigens leer aus: Er galt als Träumer und der Großvater hielt nichts von ihm.

Wissen, was der Kunde braucht

Wie erklären sich Berthold und Böckmann ihren Erfolg? Natürlich hatte das Kind viele Väter, sagen sie. Aber ein paar Dinge lassen sich eben doch hervorheben. Zunächst war da die Entscheidung für ein sachliches Werbekonzept. Es war vor allem Böckmann, der die Idee hatte, auf das "Technische" zu setzen. Im Unterschied zu den meisten Parkettherstellern, die den Kunden über das "Emotionale" anzusprechen versuchen. Ein Massivholzboden stellt immer eine handwerkliche Herausforderung dar. Und gerade hier braucht der Kunde, egal ob es sich um den Bauherrn, den Architekten oder den Handwerker handelt, eine Hilfestellung. Berthold hat deshalb einen Prospekt entworfen, der auf ehrliche und leicht zu verstehende Art und Weise dem Leser die Informationen gibt, die er für eine rationale Kaufentscheidung benötigt. "Wir versprechen dem Kunden keine Wohnträume, sondern geben ihm etwas an die Hand, womit er professionell umgehen kann. Mit anderen Worten: Wir appellieren nicht an seine Gefühle, sondern an seinen gesunden Menschenverstand. Und der Kunde dankt es uns, weil er ernst genommen wird." Man mag das aus werbepsychologischen Gesichtspunkten für falsch halten, aber Berthold und Böckmann sind fest davon überzeugt, mit gediegenem Fachwissen mehr Menschen zu erreichen, als mit schönen Sprüchen und Bildern.

Gleichwohl erfüllen die Verkaufsunterlagen Bertholds hohe grafische Ansprüche. Die Holzsorten werden in hervorragender Foto- und Druckqualität illustriert, die Bauanleitungen bestechen durch didaktische Klarheit und nicht zuletzt die Texte sind sprachlich ausgefeilt. "Wir haben uns nie an eine Werbeagentur gewandt, weil die zu wenig von der Sache selbst verstanden hätte", sagt Lutz Berthold. "Stattdessen habe ich mir einen Grafiker geschnappt und mit diesem intensiv zusammen gearbeitet, bis ich hatte, was ich wollte. Jedoch: "Was heute so leicht und natürlich daher kommt, ist die Frucht schlafloser Nächte gewesen."

Als Berthold und Böckmann mit ihrem Produkt anfingen, war das Wissen um die Massivholzdiele im Holzfachhandel nur schwach verbreitet- von Ausnahmen abgesehen. Bei den ökologischen Baustoffhändlern war das etwas anderes. Die hatten sich auf die massiven Bodenbeläge spezialisiert, während der Holzhandel sich auf die wachsenden Umsätze mit Laminatböden warf. So war es vor ein paar Jahren durchaus nicht selbstverständlich, dass der Verkäufer im Holzfachhandel seine Kundschaft über die physikalischen Eigenschaften von Massivholz - das Quellen und Schwinden - aufklärte. Viele Reklamationen in der Anfangszeit, zum Beispiel wegen Fugenbildung, gingen auf Beratungsfehler zurück. Berthold und Böckmann glauben, dass sie in dieser Hinsicht eine Menge Aufklärungsarbeit geleistet haben, von der heute auch andere Anbieter des Produkts ihren Vorteil ziehen können.

Ebenso bedurfte es vieler Schulungen, um den Handel in die Lage zu versetzen, seine Kunden hinsichtlich des technischen Aufbaus von Massivholzböden fachgerecht zu beraten. "Wir hatten in vielen Läden den Eindruck, dass nur deshalb so viel Fertigparkett verkauft wurde, weil den Leuten das Thema Massivholzdiele ganz einfach zu heiß war", sagt Böckmann. "Estrich rein und Fertigparkett drauf, das war ja viel einfacher!" Mittlerweile ist aber die Nachfrage nach Massivholzdielen so stark geworden, dass sich immer weniger Händler dem Druck entziehen können und ihr Verkaufspersonal systematisch auf die Anforderungen des Marktes vorbereiten: "Und genau das ist der Punkt, wo sie zu uns kommen" erläutert Böckmann, "denn wir haben für den Handel nicht nur Holzbretter, sondern ein umfassendes Marketingkonzept einschließlich Präsentation, Bemusterung, Ausstellungsbau, Schulung, Fachwissen in Reklamationsfällen, vernünftiges Werbematerial usw."


Der Schritt in die Eigenproduktion

Berthold produziert erst seit zwei Jahren auf eigenen Anlagen. Davor ließ man die Dielen von einem befreundeten österreichischen Hobelwerk, der Holzindustrie Leitinger, im Lohn bearbeiten. Die dortige Hobelanlage entsprach dem neuesten technischen Stand. "Verglichen mit deutschen Hobelwerken war und ist Leitinger die reinste Hightech-Schmiede", erinnert sich Lutz Berthold. Der Nachteil war nur, dass die Anlage auf die Produktion von Nadelholzdielen ausgerichtet war und sich die Lohnherstellung der Bertholdschen Laubholzböden nie als wirklich optimal erwies. "Wir hatten zu viel Verschnitt und zu viel Leistungsverlust. Dazu kamen die hohen Transportkosten, die uns drückten." Der wirtschaftlichen Logik folgend, entschloss sich Lutz Berthold vor drei Jahren, eine völlig neue Anlage zu bauen, die er speziell auf die Herstellung seines Produktes hin konzi-pierte. Natürlich konnte er dabei auf die Erfahrungen zurückgreifen, die er in dem jahrelangen Zusammenwirken mit Leitinger gesammelt hatte. Leitinger hat ihm den Schritt in die Eigenproduktion nicht übel genommen. Es war eine Entscheidung, die sich technisch und betriebswirtschaftlich aufdrängte. Außerdem ist die Kooperation der beiden Firmen eng geblieben, da die Nadelholzböden, die Berthold mit großem Erfolg in Deutschland vertreibt, weiterhin in Österreich produziert werden. "Und das wird auch so bleiben", sagt Lutz Berthold, "weil Leitinger im Nadelholzbereich, insbesondere bei den umsatzstarken Lärcheböden, Vorteile genießt, die weder wir noch sonst ein mir bekanntes Hobelwerk in absehbarer Zeit aufholen kann."

Berthold setzt, wie er es bei Leitinger gelernt hat, in seiner Produktion auf die beste Technik, um ein Höchstmaß an Qualitätssicherheit und Maßgenauigkeit zu erzielen. Das erfordert natürlich auch hohe Investitionen, die sich auf Dauer nur rechnen, wenn das Produkt in großen Mengen abgesetzt werden kann.

Als die Investitionsentscheidung getroffen wurde, hatte Berthold bereits einen gesicherten Absatzmarkt. Das war eine ganz wesentliche Voraussetzung. "Wir hätten die Sache nicht in Angriff genommen, wenn wir nicht von vornherein gewusst hätten, dass sich die Investition schon auf der Basis der bestehenden Umsätze auszahlt." Lutz Berthold will in diesem Jahr 160.000 qm Laubholzdielen produzieren. Davon rund 40 % mit fertiger Öloberfläche. Auf die Frage, ob die schwache Baukonjunktur ihm keine Schwierigkeiten bereite, antwortet er: "Das gleichen wir durch Neuakquisitionen vor allem auf Auslandsmärkten aus. Die Exportquote beträgt erst 15% und ist ausbaufähig. Eine bessere Konjunktur würde uns die Arbeit sicherlich erleichtern, aber wir sind nicht unzufrieden. Wir haben immer noch ein kräftiges Wachstum von weit über 10 % und arbeiten durchaus rentabel."

Vor einigen Monaten ist Parador bei Berthold eingestiegen. Die Fabrik wurde rechtlich auf eigene Beine gestellt und zur Hälfte an das Coesfelder Unternehmen verkauft. Berthold ist überzeugt davon, dass der neue Gesellschafter dem Produkt am Markt zu einem kräftigen Schub verhelfen wird. "Die Markenpower von Parador ist nicht zu unterschätzen", meint Berthold. "Und es war ja von Anfang an unser Ziel, die Massivholzdiele populär zu machen." Allerdings gehen Parador und Berthold im Vertrieb getrennte Wege. Es gibt am Markt keine Absprachen. Lutz Berthold meint sogar, es sei etwas ganz Normales, wenn sich konkurrierende Marken zu Produktionsgemeinschaften zusammenschließen. Im Elektronik- und Textilbereich sei dies Gang und Gäbe. Während es beim Marketing auf Charakter und Unverwechselbarkeit ankomme, zähle in der Produktion nur der zahlenmäßige Produktionskostenvorteil. Der lasse sich besser erzielen, je größer die Volumen sind, die auf einer einzigen Anlage produziert werden können.

Es fällt Berthold und Böckmann nicht schwer, die vertriebliche Doppelgleisigkeit von Parador und Berthold zu erklären. Sie sind von ihrem Vermarktungskonzept zu sehr überzeugt, als dass sie glauben könnten, vom großen Bruder Parador an die Wand gespielt zu werden.
aus Parkett Magazin 03/03 (Wirtschaft)