Fragen an Bundesinnungsmeister Joachim Barth

Nach einem Jahr "Regierungszeit"

Bundesinnungsmeister Joachim Barth hat seine ersten Erfahrungen im Amt als Bundesinnungsmeister gesammelt. Die Arbeit des Vorstandes bewertet er als effektiv, die Stimmung im Zentralverband als gut. Seine bisherigen Begegnungen mit den Handwerkskammern und dem Dachverband ZDH bilanziert Barth als "ernüchternd und trostlos".

ParkettMagazin: Im April 2002 - bei der Jubiläumsveranstaltung der Holzpflastergruppe - nannten Sie als dringliche Aufgaben: die Steigerung der Mitgliederzahlen, eine verstärkte Ansprache und Einbindung von Bodenlegern und Raumausstattern, eine möglicherweise gemeinsame zweijährige Grundausbildung von Parkett-, Boden- und Estrichlegern und weitere Veränderungen im Ausbildungswesen. Welche Fortschritte wurden auf diesen Feldern erzielt?

Barth: Die Erhöhung der Mitgliederzahlen in unseren Innungen ist nach wie vor ein zentrales Thema. Einerseits hat das mit der Finanzierung wichtiger Aufgaben zu tun, andererseits mit dem Anspruch, repräsentativ für die Parkett- und Bodenleger zu sprechen. Obgleich die Anzahl der Insolvenzen stetig ansteigt, ist es einigen Innungen gelungen, Mitglieder hinzu zu gewinnen. An dieser Stelle möchte ich den betreffenden Obermeistern und Fachgruppenleitern meine große Anerkennung für diese Leistung aussprechen.

Dass ein Zuwachs durch den Ausbildungsberuf Bodenleger erwartet wird, ist nicht unberechtigt. Über die Ausbildung von Bodenlegern in Nichtmitgliedsbetrieben stellen sich automatisch Verbindungen zur Innung her. Allein in Berlin gibt es 22 Bodenlegerlehrlinge. Deren Ausbilder, die Nichtinnungsmitglied sind, werden über kurz oder lang die Vorteile der Innungsdienste im Rahmen der Ausbildung kennen und schätzen lernen.

Generell ist die verstärkte Ansprache an Bodenleger oder all jene Betriebe, die sich mit Parkett- und Bodenbelagsarbeiten beschäftigen, wichtig. Noch wichtiger als die Zahl der in den Innungen organisierten Betriebe ist allerdings die Qualität eines jeden Betriebes. "Klasse statt Masse" ist entscheidend im Überlebenskampf, dessen Ende aufgrund der stümperhaften Regierungspolitik nicht absehbar ist.

Hinsichtlich der Ausbildung ist vieles in Bewegung. Die Grundausbildung im 1. Ausbildungsjahr von Parkett-, Boden- und Estrichlegern in gemeinsamen Klassen ist vorerst noch im Stadium eines Denkmodelles für die Zukunft.

PM: Bei der Jahresversammlung des Verbandes der deutschen Parkettindustrie im April vorigen Jahres signalisierten Sie Kooperationsbereitschaft gegenüber der Parkettindustrie. Kam es zu Treffen und Gesprächen? Welchen Inhalten und Zielen dienten sie?

Barth: Mit der Parkettindustrie wurden und werden Gespräche geführt. Inhalte waren insbesondere der Gedankenaustausch über gemeinsame Werbemaßnahmen, Beteiligung an Messen, die Schaffung einer Gesprächsrunde aller Hersteller, Zulieferer und Verarbeiter von Parkett. Außerdem wurde eine europäische Dienstleistungsnorm in Anlehnung an VOB, Teil C, ATV DIN 18356 diskutiert. Zu konkreten Ergebnissen führten die Gespräche bisher leider nicht.

PM: Bei Ihrem Amtsantritt bekundeten Sie "keine Angst vor klaren Worten". Im Hinblick auf die Innungen: Wie hat sich der Dialog entwickelt? Waren "klare Worte" erforderlich?

Barth: Ein Besuch aller Innungen war nicht realisierbar und auch nicht angedacht. Werden Einladungen ausgesprochen, werden sie selbstverständlich wahrgenommen. Und selbstverständlich besteht auch keine Scheu vor klaren Worten. Innerhalb des Zentralverbandes gibt es keine Tabus. Die einheitliche Sprache des Vorstandes schafft zusätzliche Stabilität.

PM: Welche Erwartungen knüpfen sich an den neuen Geschäftsführer und die künftige Arbeit der Verbandsgeschäftsstelle in Bonn?

Barth: Unser neuer Geschäftsführer, Herr Leonhardt, ist ein weiterer Stabilitätsfaktor. Unter seiner Leitung und der sehr engagierten Mitarbeit von Frau Claaßen wird die Leistungsfähigkeit der Geschäftsstelle verstärkt und verbessert.

PM: Vom ZV zum ZDH: Erleben sie den ZDH als offen für "klare Worte" und für die konstruktive Kritik, die Sie einzubringen versprachen? Was sind dort Ihre vorrangigen Anliegen?

Barth: Die zögerliche Handlungsweise von Handwerkskammern und vom Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH erfordert immer noch klare Worte. Die Diskussion um die Modernisierung der Handwerksordnung ist der jüngste Anlass. Die heftige Kritik des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik beim ZDH war sicherlich ein Baustein dafür, dass die Handwerkerdemonstrationen endlich durchgeführt wurden.

Zwar ist der ZDH "offen für Kritik". Nur: Kritik fließt kaum oder viel zu wenig in Beschlüsse und Meinungen ein. Nach wie vor wird die Diskussion an der Basis gescheut, nach wie vor werden in keiner einzigen Vollversammlung der Handwerkskammern so grundlegende Vorlagen wie die zur Modernisierung der Handwerksordnung diskutiert. Das bemängele ich entschieden.

PM: Wie also sehen die ersten Erfahrungen auf dem Berliner "Parkett" im Zentrum der Lobbyarbeit aus?

Barth: Leider ernüchternd und trostlos. Sie provozieren jedoch derart, dass es nur noch heißen darf: "Jetzt erst recht".

PM: Schon vor Jahren forderten Sie, das Handwerk müsse lernen, sich als politische Kraft zu verstehen und seine Interessen nachdrücklich zu vertreten. In Berlin gab es kürzlich eine Großdemonstration des Handwerks. Welchen Eindruck haben Sie "in erster Reihe" bei den Demonstranten gewonnen?

Barth: Keine der politischen Parteien kümmert sich ausreichend um das Handwerk bzw. den Mittelstand. Die Handwerksdemonstrationen waren ein erstes Signal über die Stimmung. Spätestens nach der Regierungserklärung des Kanzlers wäre die nächste Demonstration fällig gewesen, fand aber nicht statt. Trotz der Ankündigung des ZDH-Präsidenten Philipp, "das war nicht die letzte Demonstration" passiert weiter nichts, der Schwung wird nicht genutzt. Trotzdem ist etwas in Bewegung geraten, das hält letztendlich keiner mehr auf.

PM: Dass der Mittelstand von Politik und Gesetzgebung über Jahre hinweg vernachlässigt wurde, wird immer häufiger öffentlich thematisiert. Die Massenmedien haben das Problem "entdeckt" und lassen es nicht nur von Politikern, sondern auch aus der Sicht der Betroffenen diskutieren. Endlich eine gute Gelegenheit für Sie und das Parkettlegerhandwerk, Mikrofone oder Kameras auf sich zu lenken - oder?

Barth: Jedes Handwerk, jede Organisationsform des Handwerks ist aufgerufen, Mikrofone und Kameras auf sich zu lenken. Der Zentralverband wird versuchen, auch andere zum Protest zu ermuntern.

PM: Das Handwerk leidet unter der schlechten Zahlungsmoral, gegen die bisher kein Kraut gewachsen ist. Das bisherige Schutz-Instrumentarium hat versagt. Gibt es innerhalb des Vorstandes Empfehlungen, wie diesem Problem begegnet werden könnte?

Barth: Es gibt meiner Meinung nach eine Möglichkeit, Forderungen zu sichern. Gegen fadenscheinige Reklamationen mit der Absicht, die Zahlung zu verzögern oder zu verweigern, hilft die Zahlung auf ein Sperrkonto, die trotz Reklamation fällig wird.

PM: Der Gesamtvorstand des Zentralverbandes formierte sich zu einem Team mit verteilten Zuständigkeiten. Welchen Herausforderungen sehen sich die Vorstandsmitglieder gegenüber? Und was erscheint ihnen in ihrer Arbeit als Bundesinnungsmeister gegenwärtig als der "dickste Brocken"?

Barth: Die Vorstandsmitglieder leisten, jeder für sich auf seinem Gebiet, hervorragende Arbeit. Spezielle Herausforderungen sind die Zusammenführung von Interessen verschiedener Gewerke, die sich mit Parkett- und Bodenbelagsarbeiten befassen, ferner die Qualitätssicherung im Handwerk.

Meine Hauptaufgabe ist, die Handwerkspolitik zum Wohle unserer Betriebe und unseres Handwerks voranzutreiben. Konkret bedeutet das leider - ich muss es nachdrücklich wiederholen - zunächst gegen die eigenen Spitzenorganisationen antreten zu müssen.

PM: Aus Innungen ist zu hören, dass Zahlungen an Kammern oder Verbände auf Sperrkonten eingezahlt werden.

Barth: Das ist mir aus einem Bundesland bekannt. Ob Mitgliedsbetriebe unseres Gewerks dabei sind, ist mir derzeit nicht bekannt. Die Maßnahme ist mir sehr sympathisch.

PM: Auf der Domotex war der ZV vertreten. Für die Interzum hat er abgesagt.

Barth: Der Zentralverband wird auf der Interzum nicht vertreten sein, das ist richtig. Generell stehen wir Messeauftritten positiv gegenüber. Wir sehen in Messen die Gelegenheit, mit einer Vielzahl von Anbietern ins Gespräch zu kommen und zugleich den notwendigen Verbund zwischen Herstellern und Verarbeitern zu pflegen. Im Vordergrund unseres Standes auf der Domotex stand die Information über den Ausbildungsstand unseres Handwerks und da speziell über den neuen Ausbildungsberuf Bodenleger.
aus Parkett Magazin 02/03 (Wirtschaft)