Laminatbeläge auf der Domotex

Die Großen rüsten auf

Die Laminatbranche verspürt Gegenwind. 2001 gab's einen herben Rückschlag im bis dato größten Einzelmarkt Deutschland, die USA und Asien wachsen langsamer als gedacht, so dass es weltweit nur zu einem mageren Plus von 3,7 % reichte. Die Kapazitäten sind inzwischen mehr als doppelt so hoch wie der Absatz. Das heißt: Der Kampf wird noch härter. Die Großen sind bereits am Aufrüsten - mit Investitionen in Produktivität und Ausstoß wie Classen oder in professionelle Marketingkampagnen wie Egger und Parador.

Hier Partystimmung, dort leere Gänge: Nicht ohne Neid blickten die Bodenbelags-Aussteller in den Hallen 5 und 6 zur Halle 7, in der sich die Laminatbranche versammelt hatte und einen regen Besucherstrom verzeichnen konnte. Vor allem Exportkunden waren viele nach Hannover gekommen. Trotz lebhafter Messe und guter Kontakte wurde in diesem Jahr vermehrt Überlegungen laut, nur noch alle zwei Jahre an der Domotex teilzunehmen - wie bei Egger-Geschäftsführer Stefan Pletzer, den vor allem der Druck stört, jedes Jahr Neuheiten präsentieren zu müssen.

Auch Epi-Vertriebsleiter Claude Campo plädiert für einen zweijährigen Rhythmus: "Das wäre nicht nur ideal, sondern sogar erforderlich und sollte im EPLF-Kreis besprochen werden". Als Begründung nennt er die wachsende Bedeutung von außereuropäischen Konkurrenzmessen wie der Surfaces in Las Vegas, die Besucher aus Hannover abziehen würden - zumal die Niedersachsen-Metropole international nicht optimal angebunden sei. Außerdem bemängelte er den frühen Termin: "Um für das kommende Jahr Verträge abzuschließen, wäre eine Messe im Frühsommer oder Herbst besser. So, wie es jetzt läuft, ist die Domotex nur eine Präsentationsmesse."

Sicher werden auch die Laminathersteller künftig genauer überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Es verdient sich nämlich schwerer als früher. Der Weltmarkt weitet sich nicht in dem Maße aus wie erwartet, die Nachfrage schwächelt. Im vergangenen Jahr ist der Absatz nach Ermittlungen des EPLF nur um 3,7 % auf 363 Mio. qm gestiegen. In Europa zog das Geschäft 2001 nach einem schwachen Auftakt zwar im Sommer an, doch gelang es nicht, an die Zuwachsraten des Vorjahres anzuknüpfen, der Absatz verharrte bei 200 Mio. qm. Im wichtigsten Einzelmarkt Deutschland und auch den Niederlanden mussten zweistellige Einbußen hingenommen werden, Frankreich stagnierte auf dem Vorjahresniveau. Positive Ausnahme war lediglich Großbritannien, das mit einer stolzen Marktausweitung um 64 % auf 42,5 Mio. qm zum Aufsteiger des Jahres avancierte.

Auch die Exportmärkte blieben hinter den Erwartungen zurück. Wohl legte Osteuropa um knapp 10 % auf 35 Mio. qm zu - dort wird auch noch weiteres Potenzial gesehen - doch kam die Asien/Pazifik-Region nach einer unbefriedigenden ersten Jahreshälfte nicht über die 68 Mio. qm des Vorjahres hinaus. Ohnehin ist die Euphorie im Hinblick auf Asien Ernüchterung gewichen: Gerade China hat sich als billiger, zwar markenbewusster, aber wenig qualitätsbewusster Massenmarkt erwiesen, der es europäischen Anbietern erschwert, mit den örtlichen Produzenten konkurrieren zu können. "Es ist unklar, ob wir Europäer die Mengen auf dem chinesischen Markt halten können", sagt Stefan Pletzer von Egger offen, will dort aber noch präsent bleiben. Andere Anbieter haben sich bereits aus der Region zurückgezogen.

Als der strategische Markt der Zukunft gilt nun Nordamerika, das 2001 gut startete, im Verlauf des Jahres dann nachließ, aber unter dem Strich doch um 10 % auf 55 Mio. qm zunahm und damit jetzt weltweit der größte Einzelmarkt ist. Und nicht nur das: Dort sind die Margen auch noch auskömmlicher. Das Preisgefüge ist deutlich höher als in Deutschland, wobei auch in den USA die Preise allmählich unter Druck geraten. Zumal immer mehr Anbieter auf den Plan treten, die zum Teil erhebliche Summen in die Marktetablierung investieren - sowohl in den Aufbau einer Produktion vor Ort als auch in den eines Vertriebsnetzes. So konstatierte einer unserer Gesprächspartner lakonisch: "Unilin gibt in den USA richtig Gas". Auch die Classen-Gruppe hat ihr Engagement jenseits des Atlantik verstärkt und meldet die ersten Erfolge, nachdem Vertriebsprofi Roland Elbracht dort das Ruder in die Hand genommen hat. Nicht ohne Stolz wiesen er und Classen-Geschäftsführer Ralf Eisermann auf der Domotex darauf hin, dass es gelungen ist, mit Carpet One den größten US-Bodenbelagshändler zu gewinnen. Darüber hinaus lockt Laminat zunehmend auch branchenfremde Anbieter wie die Shaw-Gruppe. Die Nr. 1 auf dem Teppichboden-Weltmarkt steigt selbst in die Laminatbodenfertigung ein und will noch im Frühjahr die Produktion aufnehmen.

Die USA stehen momentan auch im Blickpunkt, weil die Branche mit Spannung erwartet, wie das bei der International Trade Commission anhängige Verfahren ausgeht. Diese Regierungsorganisation soll US-Hersteller und -Patente vor Importlieferungen schützen, die gegen US-Rechtsgrundsätze verstoßen. Die Berry-Gruppe, ihre Tochter Alloc und Välinge Aluminium hatten eine Sammelklage gegen 7 Wettbewerber angestrengt - Unilin, BHK of America, Pergo, Meister Leisten, Akzenta, Tarkett und Roysol - und ihnen darin vorgeworfen, mit ihren Produkten die US-Patente von Välinge zu verletzen. Sollte die ITC der Klage stattgeben, würde das ein Import- und Vermarktungsverbot der betreffenden Produkte nach sich ziehen - was die Beklagten empfindlich treffen würde.

Nachdem im Sommer und im Herbst mehrere Anhörungen aller Parteien stattgefunden hatten, legte Richter Paul Luckern als Administrative Law Judge Anfang November eine 195 Seiten starke Vorentscheidung vor - die uns im Original-Wortlaut komplett vorliegt -, nach der die beklagten Laminatbodenhersteller nicht die amerikanischen Välinge-Patente 907, 410 und 267 verletzen. Wenn diese "Initial Determination" auch eine mögliche Tendenz angibt, bedeutet sie doch noch keinen endgültigen Beschluss. Der war ursprünglich für den 5. Februar anberaumt, wurde aber nach einer Berufung ("Review") der Kläger und nochmaliger - schriftlicher - Argumentationsmöglichkeiten aller Parteien auf den 7. März vertagt.

Noch weiß keiner, wie sich die ITC tatsächlich entscheidet. Während Berry, Alloc und Välinge erwarten, dass sich das Blatt zu ihren Gunsten wendet, gehen die beklagten Unternehmen davon aus, dass sich die ITC der Bewertung von Richter Luckern anschließt. Kein Wunder, dass die Emotionen überkochen: Auf der Domotex reagierte Berry-Chef Luc de Clerck höchst unwirsch auf eine das ITC-Verfahren betreffende Meldung im ParkettMagazin und in der BTH 11/01 und machte seinem Unmut Luft - was zeigt, dass seine Nerven blank liegen.

Aber auch in Europa ist derzeit einiges am Kochen. Beispiel Pergo: Jeder fragt sich, ob und wie es bei dem einstigen Branchenprimus aus Schweden weitergeht. Nach einem tiefroten Geschäftsjahr wurde Anfang 2002 sogar kurzzeitig der Aktienkurs ausgesetzt. Daraufhin wurde die Notbremse gezogen und Anfang Februar eine außerordentliche Generalversammlung einberaumt, in der erstens eine Kapitalerhöhung durch die Emission weiterer Aktien beschlossen wurde und zweitens Mikael Nachemson als neues Vorstandsmitglied berufen wurde. Aber wer kauft schon die Aktien eines hochdefizitären Unternehmens....

Kitzlig ist die ungeklärte Situation in Trelleborg nicht nur für die Kunden, sondern auch für Witex, denn Pergo hält an den Augustdorfern einen Anteil von 25,1 % - und eine Option auf weitere Anteile. Was passiert damit, wenn die Schweden illiquide oder verkauft werden?

Ein Fragezeichen steht auch hinter zwei weiteren Pleite-Kandidaten - Hornitex und Osmo, die beide im vergangenen Jahr Insolvenz angemeldet haben. Bei Osmo soll die Entscheidung unmittelbar bevorstehen, unter anderem ist ein Management-Buyout im Gespräch. Bei Hornitex werden von Insolvenzverwalter und Gläubigerversammlung zwei Finanzgesellschaften favorisiert, mit denen man jetzt in die Due dilligence-Untersuchungen eingetreten ist. Pikant: Hinter dem einen Bewerber soll Friedrich Wilhelm Künnemeyer stehen, dem zweiten werden über die Muttergesellschaft Verbindungen zu Otto und Klaus-Otto Künnemeyer nachgesagt. Auch Pfleiderer ist noch interessiert. Hier soll zum 1. April entschieden werden.

Die Firmenzusammenbrüche, Übernahmen und Fusionen des letzten Jahres kündigen die einsetzende Marktbereinigung in der Laminatbranche an. Einige der "Big Player" haben bereits klar erkannt, dass es jetzt gilt, ihre Pfründe zu sichern und das Terrain für die Zukunft abzustecken. Wie die Egger-Gruppe, die in eine breit angelegte Marketingkampagne investieren, mit der sie ihren Bekanntheitsgrad in Fachhandel und Handwerk erhöhen wollen - im engen Schulterschluss mit ihrer angestammten Großhandels-Klientel. "Wir starten mit unserer Initiative "Lifestyle Partners" eine neue partnerschaftliche Philosophie der Laminatboden-Vermarktung", erklärt Michael Egger. Im "Zusammenspiel von Handel, Handwerk, Architektur und Egger soll zum Vorteil aller Beteiligten der Stellenwert von Laminatböden gesteigert werden." Dazu werden Anzeigen geschaltet und die PR-Arbeit intensiviert, sind Mailings, VKF-Aktionen und Schulungen geplant - und als Höhepunkt "Lifestyle Events". Das erste hat übrigens bereits auf der Domotex stattgefunden. "In Zeiten, in denen sich alle zurückhalten, wollen wir powern".

Antizyklisch in Marketing investieren will auch Parador - allerdings in Richtung Verbraucher. Die Hülsta-Tochter hat ein Budget von 6 Mio. EUR für Anzeigen in der Publikumspresse, TV-Werbung, Großflächenplakate und ein Faltblatt in 34 Mio. (!) Auflage bereitgestellt. Originell: Das Faltblatt soll nicht nur den Verbraucher auf Parador aufmerksam machen, sondern dient zugleich als Gutschein für 1 qm Laminat.

Die Classen-Gruppe hat ebenfalls ordentlich Geld in die Hand genommen und meldet mit Nachdruck Anspruch auf die "Champions League" in der Laminatbranche an. "Unser Ziel ist, zu den Top 3 aufzurücken", gibt Geschäftsführer Ralf Eisermann die ehrgeizige Marschroute vor. Dazu hat sich der große Holzsortimenter und -verarbeiter für 2002 eine strategische Neuausrichtung verordnet, die auf drei Pfeilern basiert: Der Forcierung von Classen als Dachmarke, der "Innovationsführerschaft" bei Laminatbelägen und vor allem der produktionstechnischen Aufrüstung durch das neue Werk in Baruth bei Berlin. Mit diesem "einzigartigen Holztechnologie-Zentrum mit Sägewerk, MDF-Produktion und Laminatbodenfertigung" will Classen seine Kapazität auf über 35 Mio. qm ausweiten und hat sich durch eine Beteiligung an der MDF-Produktion zugleich unabhängiger auf der Beschaffungsseite gemacht. "Die Classen-Gruppe muss man künftig sicher im Auge behalten", kommentierte ein Insider die Pläne in Kaisersesch.

"Echte" Neuheiten waren dieses Jahr auf der Domotex eher rar gesät - sind vielleicht auch eine Definitionsfrage. Classen kündigte seine Neuentwicklung "Cleancare" stolz als Weltpremiere und "wegweisende Innovation" an, andere sahen den antibakteriellen Laminatbelag eher als Marketing-Gag an. Nach einem australischen Patent wird bei den Cleancare-Belägen ein antibakterielles Additiv - unter anderem auch bei Zahnpasten verwendet - ins Melamin integriert, das Bakterien durch seine "stachelige" Membranstruktur abstößt, sich nicht abnutzt und dauerhaft wirksam bleibt. Auch die Transparenz des Overlays werde nicht beeinträchtigt, versicherte Eisermann.

Mehr optischer Natur war die "Weltneuheit" von Kaindl: das 3D-Dekor mit seinem Holzwürfel-Motiv, das tatsächlich sehr plastisch wirkte.

Egger präsentierte mit Globart ein neues, interessantes Kollektionskonzept im Modulsystem mit verschiedenen Licht- und Designelementen, avantgardistischen Dekoren und unterschiedlichen Dielenformaten, gedacht als "kreative Spielwiese" ohne Laufzeitbindung.

Kronosuisse ist in Großbritannien mit seinen FSC-zertifizierten Laminatbelägen gut im Geschäft und will damit jetzt auch in Deutschland starten. Zunächst sind 3 FSC-Kollektionen im Angebot. Den Exklusiv-Vertrieb hat zum Jahresanfang Kenth Möller mit seinem Unternehmen Weston übernommen.

Das Dekor-Thema in diesem Jahr waren Fliesen. In USA mögen sie laufen - in Deutschland haben sie höchstens Außenseiter-Chancen. Obgleich die neuen Fliesen deutlich besser und naturgetreuer als frühere Versuche aussehen. Am gelungensten sind die registergeprägten Fliesen von Berry, die aus Faus-Produktion stammen und durch ihre authentische Optik, Struktur und Fugen überzeugen.
aus Parkett Magazin 01/02 (Wirtschaft)