Der Rezession ein Schnippchen schlagen

Wie man trotz Konjunkturflaute Wachstum erzielt

Der Bausektor bleibt das Sorgenkind der Deutschen. Dort können auch Wirtschaftsweise nur schwer einen Anschub erkennen. Trotzdem: Wenn eine Branche kriselt, muss es nicht allen schlecht gehen. Wie ein Unternehmen aus sich selbst heraus Wachstum erzeugt, zeigt der Baumarkt-Franchiser Obi.

In den USA dauert die Unsicherheit an, die EU hängt im Schlepptau der Amerikaner und in Deutschland wächst der Konsum nur sehr langsam. Dieses wenig ermutigende Fazit zieht Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs.

Prof. Straubhaar, als Schweizer einer von Deutschlands Wirtschaftsweisen, entdeckt in der Bauwirtschaft keine konjunkturellen, sondern eher strukturelle Probleme. Seit den 80er Jahren schiebe man Reformen vor sich her. Der Bauboom im Osten nach der Wiedervereinigung habe das zeitweise überdeckt. Nun hätten die hohen Kosten des Mauerfalls den Staat als Nachfrager stark reduziert. Zudem würden hohe Lohnnebenkosten auf die Unternehmen drücken. Der Euro allerdings sei nicht schuld. "Wir haben stabile Preise. Es sind alte Probleme, wie Arbeitslosigkeit und hohe Steuerbelastung, die dem Konsum schaden."

Was Rohstoffpreise angeht, so liegen diese heute sogar 60 % unter dem Niveau der 80er Jahre. Während Holz im Jahr 2001 einen Preisverfall um minus 4 % erlebte, wird 2002 insgesamt mit einem Anstieg der Preise um 5 % gerechnet. Das soll sich 2003 fortsetzen.

Prof. Straubhaar empfiehlt als "Therapie" zur Wirtschaftsgesundung die Stärkung der Wachstumskräfte, allem voran die Änderung der schlechten Stimmung. In Deutschland sei, gerade tariflich, das Prinzip flächendeckender Gleichheit ein beengender Faktor. Dezentrale Willensbildung müsse erlaubt sein.
Obi: Firmenkonjunktur aus eigener Stärke

Die Baumarktkette Obi will nicht warten, bis die Makroökonomie in Fahrt kommt. Sie setzt auf hausgemachtes Wachstum. Vorstandsprecher Harald Lux nennt das Ziel. "Man kann im Wettbewerb eigenes Wachstum produzieren und aus eigener Stärke eine Firmenkonjunktur aufbauen, die über der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur liegt."

Die Strategie beginnt mit der Erkenntnis und Pflege eigener Stärken. An erster Stelle steht der Auftritt als Marke. Umfragen ermittelten für Obi einen ungestützten Bekanntheitsgrad von 72 %, gestützt von 91 %. Mit Sport- und Eventsponsoring (z. B. eine Udo-Jürgens-Tournee) versucht das Unternehmen, seinen Namen noch stärker im Verbraucherbewusstsein zu verankern.

Zweiter Ansatzpunkt: Zufriedene Mitarbeiter. Harald Lux: "Eine griesgrämige Mitarbeiterin an der Kasse erzeugt keine zufriedenen Kunden." Leistungshonorierung, Schulungen und andere Maßnahmen sollen die Zufriedenheit steigern. "Das Ergebnis muss immer wieder gemessen und beurteilt werden", erklärt Lux diesen fortlaufenden Ansatz der Unternehmenskultur.

Gemessen werden muss auch die Kundenzufriedenheit. Obi führt Befragungen auf Einzelmarkt-Basis durch. Dadurch wird regionalen Besonderheiten Rechnung getragen. Anschließend entwickeln die Märkte Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation. Ein Jahr später wird in einer erneuten Befragung die Erfolgsquote ermittelt.

Als großes Kreativitäts-Plus sieht Obi seinen Franchising-Charakter. Lux: "Dadurch haben wir vor Ort einen Unternehmer, der den Markt kennt. Außerdem müssen wir ihn von unseren Ideen überzeugen, sonst kauft er nicht. Die Obi-Zentrale muss selber innovativ bleiben. Sie ist nur ein Lieferant, der gegen Gebühr eine Leistung erbringt."

Differenzierung durch Sortiment, Merchandising und Personal hält Harald Lux für eine starke Waffe im Wettbewerb. Als Paradebeispiel sieht er Ikea. Der schwedische Möbelkonzern führt zu 100 % Eigenartikel, die man nirgendwo anders erhält.

Ergebnissicherung und qualitatives Wachstum

Das Obi-Konzept sieht in stagnierenden Märkten Ergebnissicherung vor. Sechs Einflussbereiche machen die Musik:

1. Umsatzproduktivität erhöhen (stärkere Sortimentsdifferenzierung, keine leeren Haken, aktives Verkaufen)

2. Kostenproduktivität erhöhen (Der "beste Markt" als Vorbild für andere, Personaleinsatz und Arbeitszeiten an Kundenfrequenz anpassen, Planung nach dem "zero-base budgeting - den Betrieb "neu erfinden")

3. Kapitalproduktivität erhöhen (Senkung der Lagerbestände, Abbau von Null- und Langsamdrehern)

4. Category Management (Den Kunden fragen, was er haben will!)

5. Optimieren der Warenflusskette (Logistik effektiver gestalten)

6. Optimieren der Systemvernetzung (Elektronische Datenaufbereitung nutzen)

Qualitatives Wachstum dagegen hat mit Zielgruppen und Vertriebswegen zu tun. Zwei neue Kundenbereiche hat Obi ausgemacht. Da sind Handwerker und Häusle-Bauer, für die ein Baumarkt das passende Angebot bereit halten sollte. Ganz neu ist der sogenannte "Buy-it-yourself"-Kunde. Diese aus Asien bekannte Verbraucherform besteht in Menschen, die von ihrem Handwerker oder Bauprofi eine Materialliste an die Hand bekommen und die Ware selbst einkaufen.

In der Vertriebsform "Obi fix" hat die Baumarktkette ihr Sortiment auf schnellen Einkauf ausgerichtet. An anderer Stelle wiederum will man sogenannte "Wohnmärkte" einrichten und hier dem Cocooning-Trend zum "Neuen Wohnen" folgen. 2003 sollen bereits 32,5 % des Umsatzes mit alternativen Wohnsortimenten erzielt werden.

"Multi-Channel" heißt ein weiteres Zauberwort. Auf drei Verkaufsebenen wird Obi künftig für seine Kunden rund um die Uhr erreichbar sein. Da bleibt zunächst der stationäre Baumarkt, hinzu kommen aber - in Kooperation mit dem Versandhaus Otto - ein Katalogangebot und das Internet als immer aktive Verkaufsplattform.

Mit all diesen Maßnahmen will Obi seine Kundenbindung verbessern. Selbst Stammkunden, hat man herausgefunden, kaufen 48 % ihres Bedarfs an anderer Stelle. Das soll nicht so bleiben. Deshalb hat Obi sich der Payback-Initiative angeschlossen, dank derer man Kunden nicht nur identifizieren und gezielter ansprechen, sondern ihnen ein vielversprechendes Bonussystem bieten kann.
aus Parkett Magazin 04/02 (Wirtschaft)