Die Domotex verliert den Objektbereich

Nicht nur in Halle 18 gehen die Lichter aus


Seinen wir doch einmal ehrlich: Man traf auf der diesjährigen Domotex nur wenige Branchenvertreter aus dem Objektgeschäft, die mit der Messe zufrieden waren. Auch wenn der Abschlussbericht der Messegesellschaft Hannover trotz eines leichten Aussteller- und Besucherrückgangs recht zufrieden stellend ausfiel - sich die "nackten" Zahlen angesichts der schwierigen konjunkturellen Rahmenbedingen also durchaus sehen lassen konnten.

Eine Messe mit so vielschichtigem Angebotsspektrum wie die Domotex lässt sich aber nur eingeschränkt in "nackten" Zahlen bewerten - zumal die verschiedenen Ausstellungsbereiche ganz unterschiedliche Zielgruppen erwarten. Man darf sich durch die gute Laune in anderen Angebotssegmenten nicht täuschen lassen: Für das Objektgeschäft zählt vor allem, wie die Messe in den Hallen 4, 5 und 18 empfunden wurde. Und dort lag die Stimmung vielfach auf unterstem Niveau.

Das derzeitige Veranstaltungskonzept hat Objektentscheidern nur wenig zu bieten

Woran liegt das? Die Domotex ist in ihrer Grundkonzeption keine objektorientierte Messe. Dafür wird den Entscheidern im Objektgeschäft zu wenig geboten. Die trübe Messebilanz bei den objektorientierten Ausstellern zeigt deutlich, dass sich deren wichtigste Zielgruppe von der Veranstaltung offensichtlich nicht angesprochen fühlt: Architekten, Innenarchitekten, Baugesellschaften sowie die privaten und öffentlichen Bauträger empfinden die Domotex nicht als Pflichttermin. Die sehen sie höchstens - sofern überhaupt bekannt - als wenig nutzenbringende "Teppichmesse".

Da hilft auch keine "Contractworld" mit bunten Würfelinstallationen und einer Handvoll teurer Vortragsredner. Zumal hier lediglich abstrakte Designideen "verkauft" werden - keine konkreten Lösungen für aktuell anstehende Bauvorhaben.

Null-Nutzen in schönem Gewand. Was soll der Architekt hier mitnehmen? Dass man Teppichboden auch an die Decke hängen könnte, wenn man wollte? Oder dass man auch auf styroporgefüllten Kunstleder-Bananen bequem sitzen kann? Welche Rolle spielte dort überhaupt der Fußboden?

Und die Vortragsthemen waren doch auch eher etwas für noch "unverbrauchte" Stundenten mit wilden Ideen im Kopf - mit wenig Nutzen für den gestandenen Architekten, der im hektischen Tagesgeschäft steckt. Der sucht realitätsnahe Lösungen.

Warum präsentiert man Architekten keine realitätsnahen Objektlösungen?

Was zum Status einer echten Fachmesse für Bodengestaltungen im Objekt fehlt, sind Präsentationen, die Architekten zeigen, was moderne Bodensysteme in der Praxis tatsächlich können. Und dabei geht es nicht nur um Gestaltungsfragen.

Auch Objektentscheider haben Probleme und erwarten gerade auf einer Fachmesse konkrete Lösungen - mit denen sich z.B. die neue, sehr anspruchsvolle Wärmeschutzverodnung erfüllen lässt, mit denen sich aufwendige Installationen realisieren oder knifflige Probleme im Sanierungsbau entschärfen lassen. All diese anspruchsvollen Vorgaben sollten sich dann auch noch ohne wesentliche gestalterische Einbußen umsetzen lassen. Beim Thema Objektdesign sind ebenfalls realitätsnahe Ansätze gefragt: Was entspricht den aktuellen Trends in der Büro- und Ladengestaltung? Und nicht: Wie könnte ein Arbeitsplatz oder ein Hotelzimmer möglicherweise in 80 Jahren aussehen?

Konsequenz: Die Objektbeläge wandern zunehmend ab

Es gibt in unserer Branche Anbieter, die tagtäglich komplexe Aufgabenstellungen im Objekt meistern und sicher viel zu einer wirklich objektorientierten Messe beitragen könnten. Gerade sie wandern jedoch zunehmend aus Hannover ab, weil sie ihre Zielgruppe vermissen. Dadurch finden Architekten noch weniger brauchbare Angebote - ein Teufelskreis.

Den Veranstalter scheint das wenig zu stören - konnten die freiwerden Flächen doch bislang auch anderweitig verkauft werden. "Wozu braucht die Domotex den Objektbereich?", scheint man sich zu fragen - die Messe funktioniert schließlich auch so, wie zumindest die nackten Zahlen vermuten lassen. Und die Handvoll Objektbelagsanbieter, die im nächsten Jahr nicht wiederkommen wollen, können wohl kaum die gesamte Veranstaltung in Frage stellen - oder doch? Wer die Branche kennt, weiß, dass sie zu klein und zu eng miteinander verflochten ist, als dass Entwicklungen in einem Marktsegment ohne Konsequenzen für andere blieben.

Die Verlegewerkstoff-Hersteller haben sich bereits verabschiedet

Das Objektgeschäft ist schließlich nicht nur für einzelne Belaghersteller von Bedeutung, sondern auch für die Peripherie in Form der Verlegewerkstoff- und Zubehöranbieter. Hier zeigen sich ebenfalls deutliche Abwanderungstendenzen: Das Gros der deutschen Klebstoffindustrie war in diesem Jahr schon zum zweiten Mal der Messe ferngeblieben - viele wollen auch 2003 nicht mehr kommen. "Weil es sich nicht mehr rechnet", lautet die einhellige Antwort. Nur ein Beispiel: Ein namhafter Klebstoffhersteller registrierte auf seinem Stand in Halle 18 nach vier Messetagen trotz deutlich reduzierter Mitbewerberzahl ganze 35 neue Kundenkontakte. Wie viel Tonnen Kleber müssen diese 35 potentiellen Kunden nun in den nächsten Monaten bestellen, damit sich die Messepräsentation des Ausstellers rentiert? In jedem Fall zuviel, um einen erneuten Messeauftritt im kommenden Jahr zu rechtfertigen.

Mit der Verlegetechnik gehen auch die Handwerker

Damit ist das Ende der Negativspirale noch lange nicht erreicht: Durch das schrumpfende Messeangebot im Bereich Verlegetechnik verliert die Messe an Attraktivität für das verarbeitende Handwerk. Für Verarbeiter bedeutet ein Messebesuch eine verhältnismäßig großen Investition aus eigener Tasche - sie reagieren daher schnell, wenn das Angebot nicht den Erwartungen entspricht. Das war in diesem Jahr ebenfalls deutlich zu spüren - vor allem in der Halle 18 und gerade an den traditionellen "Handwerkertagen" am Wochenende. Sie waren von einer trügerischen Ruhe geprägt.

Das bekamen vor allem die Werkzeuganbieter zu spüren, deren Messeangebot ganz auf die Zielgruppe Verarbeiter ausgerichtet ist und die vielfach über "ungewöhnlich schlechte Geschäfte" klagten. Auch diese Entwicklung wird nicht ohne Konsequenzen bleiben: Dass mit Max Janser ausgerechnet einer der meistbeachteten Werkzeuganbieter - der mit seinen zahlreichen Vorführungen zudem für Leben in der Halle 18 sorgt - nicht mehr jedes Jahr nach Hannover kommen will, hat die gesamte Zubehör-Branche ins Grübeln gebracht. Nur eine kleine Minderheit der Aussteller in Halle 18 hat nach eigener Aussage bereits für 2003 gebucht. Viele wollen ganz wegbleiben.

Dann gibt es für das Handwerk noch weniger Anreiz für einen Messebesuch. Nur wegen Siegfried Heuers "Werkstatt" wird jedenfalls kein Verarbeiter nach Hannover kommen - in Halle 18 gehen die Lichter aus. Und ohne Handwerk wird es dann auch auf den Ständen mancher Parkettanbieter bald langweilig werden.

Hannover ignoriert die Chance einer fehlenden Alternative

Diese Wechselwirkungen könnten mittelfristig durchaus die gesamte Veranstaltung in Frage stellen - zumal allein der Objektbereich eine eigenständige Bodenbelags-Fachmesse braucht. Den "objektlastigen" Anbietern bietet sich nämlich keine Alternative zur Domotex: Frankfurt kann ebenfalls nicht mit Objektentscheidern dienen. Und auf den großen Baufachmessen in Berlin und München ist zwar zumindest die Zielgruppe Architekten in der Regel gut vertreten - hier spielt der Fußboden jedoch nur eine kleine Nebenrolle. So klein, dass sich selbst die Hersteller von keramischen und Naturstein-Belägen zunehmend von den Baumessen verabschieden und händeringend nach neuen Branchenforen suchen. Die Domotex - selbsternannte "Weltmesse für Bodenbeläge" - hat diese Belagarten bislang völlig ignoriert, obwohl sie im Objekt eine bedeutend größere Rolle spielen als Laminat oder abgepasste Teppiche.

Die überwiegend handelsorientierten Anbieter könnten hingegen prinzipiell auch ohne eine Spezialmesse leben. Die Einkäufer der großen Handelsketten trifft man auch anderswo - ebenso die Baumarktvertreter. Zum Groß- und Fachhandel unterhalten die einschlägigen Anbieter sowieso über das gesamte Jahr intensive Kontakte. Die Großhandelsmusterungen wurden schon ein halbes Jahr vor Messebeginn vorgestellt - die Hausmessen folgen. Wer diese Zielgruppen sucht, kann den Kontakt zu ihnen auch ohne den Zeit- und Kostenaufwand einer Messepräsentation pflegen.

Ade Domotex?

Durch die Vernachlässigung des Objektbereichs entzieht sich die Domotex langsam aber sicher ihre Existenzberechtigung. Dabei besteht nach wie vor Bedarf nach einer Fachveranstaltung für Bodenbeläge im Objekt. Warum nutzt man dieses Potential nicht? Sicher: Man müsste dafür vieles am derzeitigen Messekonzept auf den Prüfstein stellen und einiges wohl auch komplett ändern. Aber es könnte sich für alle Beteiligten lohnen. Ansonsten wird man unter Umständen irgendwann für die gesamte Domotex - als dann tatsächlich wenig attraktiver "Teppichmesse" - die Todesglocke läuten müssen. Wahrhaft kein Grund zum Jubeln, denn der Branche würde es mehr schaden als nützten.
aus FussbodenTechnik 01/02 (Wirtschaft)