50 Jahre Ipektchi

Tradition geht ihren Weg - Iranische Teppiche in einem modernen Unternehmen

"Nie in der Qualität nachlassen" lautet das Motto des Teppichimporteurs Ipektchi. Ein Teppich darf preiswert, aber nicht billig sein. Und selbst die Preiswerten müssen dekorativ wirken und eine anständige Verarbeitung aufweisen.

Gezielte Produktion billiger Ware gibt es im Iran kaum", sagt Dr. Ali Ipektchi, in zweiter Generation Leiter des Unternehmens, das seine Produkte ausschließlich aus dem Iran bezieht. Jeder will einen guten Teppich knüpfen." Da die Produktion aber individuell stattfindet, ist der Warenausfall unterschiedlich."

So kommen Preisunterschiede für vergleichbare Teppiche zustande. Ware im Iran bleibt nach dem Aussortieren durch die Händler auf den Stapeln der Basare übrig. Diese ist dann natürlich auch billiger zu erwerben, da in vielerlei Hinsicht schwächer. Dr. Ali Ipektchi: "Wir kaufen deshalb nie ganze Partien, sondern beteiligen uns selbst am Aussortieren, um gute Qualitäten zu finden."

Familienursprung liegt in Täbriz

Die Geschichte der Familie Ipektchi wird zurückgeführt auf Hadji Nasrollah Ipektchi, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Textil- und Seidenhändler in Täbriz lebte. "Ipek" heißt auf türkisch "Seide". 1942 zog die Familie nach Teheran und schon 1949 kam Seniorchef Abolghassem Ipektchi nach Deutschland. Hier gründete er 1952 seinen Teppichimport, ursprünglich als Filiale zu Teheran.

Bis Mitte der 90er Jahre saß die Firma in der Speicherstadt des Hamburger Freihafens. Dann wuchs der Platzbedarf und man zog an die Borsteler Chaussee - vor allem, um das erweiterte Angebot in der Menge darstellen zu können.

1984 war Dr. Ali Ipektchi in das Geschäft seines Vaters eingetreten. Der studierte Mediziner musste sich nicht in die Branche einarbeiten, schon als Schüler und Student hatte er das Wesen des Orientteppichs in sich aufgesogen. "Ich liebe Teppiche und alles, was darum herum ist." Als Akademiker ist er auch historischer Forschung gegenüber aufgeschlossen. "Die Teppichwissenschaft ist relativ jung. Literatur gibt es erst seit etwa 100 Jahren. Teppiche reflektieren die ganze Kulturgeschichte Persiens."

Am liebsten würde er ein Buch über den persischen Teppich verfassen, aber die Zeit erlaubt es nicht. Wissen hat Dr. Ali Ipektchi reichlich zusammen getragen. "Den Teppich und sein Geschäft kann man nur aus Erfahrung lernen. Was ist typisch für eine Provenienz? Was sagt das Knüpfbild auf dem Rücken? Dazu muss man in die Knie gehen und den Teppich anfassen."

Der persische Teppich in der Nachkriegszeit

Der persische Teppich ist nicht nur ein traditionelles Stück Bodenbelag. "Er lebt. Da kommt immer etwas Neues", begeistert sich Dr. Ipektchi. "Das macht die Sache spannend."

Bis Ende der 70er Jahre ging es mit dem Geschäft steil bergauf. Persien konnte die Nachfrage allein kaum decken. Nachknüpfländer kamen ins Spiel. Weil sich auch neue Vertriebswege auftaten - Flächenanbieter boten Teppiche feil - war der Schritt zur Massenware getan. Nach 1983 lockerte der Iran schrittweise seine Exportbestimmungen. Nun wurden auch die "echten" Perser preisgünstiger und somit auch interessant für großflächige Vermarktung.

Heute ist der Iran wertmäßig wieder die Nr. 1 im Teppichexport. Das Land hat seine Anpassungsfähigkeit an veränderte europäische Wohnmaße und Vorlieben bewiesen. Beispielhaft ist die Erfolgsstory des Nain. Selbst erst seit 1920 ein Teppichknüpfort, wurden die Muster dieser Provenienz im Iran kommerzialisiert und bald schon an den verschiedensten Orten geknüpft. "Musterverschleppung" gibt es also nicht nur über Landesgrenzen hinweg.

Einzelstück und Mengenware

Die strukturellen Veränderungen vom Konsumenten über den Einzelhandel, Importeur bis zum Knüpfer haben auch die Einzelstückphilosophie des Perserteppichs aufgeweicht. Es gilt, den Bedarf von Möbelhändlern, Verbänden und anderen Großeinkäufern zu befriedigen. Mittlerweile gibt es aus dem Iran Ware, die in der Menge geordert werden kann und damit über Prospekte verkauft werden kann.

Ein Vergleich mit indischen und chinesischen Knüpfmanufakturen, die völlig identische Muster produzieren, aber zeigt: Auf den Stapeln im Ipektchi-Lager ist kein Teppich wie der andere. Auch wenn es Ware gibt, die in größeren Stückzahlen angeboten wird, bleibt jedes Stück letztlich ein Unikat. Dr. Ali Ipektchi sieht darin eine Stärke: "Verbraucher haben heute exakte Wünsche. Der Boden gehört zum Einrichtungsstil. Den persischen Teppich muss man über die Faszination verkaufen und diese Faszination muss auch vermittelt werden." Das sollte im Ipektchi-Lager nicht schwer fallen, da viele außergewöhnliche Offerten wie z. B. sortierte 2 x 2 Stapel dem Besucher ins Auge fallen.

Persische Teppiche, die man nach gewissen Standards zusammen stellen kann, sind u.a. Nain, Bidjar, Täbriz, Moud oder Hamadan. In diesen und anderen Provenienzen ist das Ipektchi-Angebot deutlich gewachsen. Das Kunststück zu vollbringen, auch andere Provenienzen in die Standardisierung zu führen, ist eine der Aufgaben, die das Ipektchi-Team reizen.

Das geht im Iran nicht über eine gesteuerte Produktion, sondern über den Einkauf. Sobald Knüpfer feststellen, dass Einkäufer auf den Basaren "baugleiche" Exemplare suchen, eine bestimmte Provenienz oder ein Muster favorisieren, stellen sie ihre Tätigkeit darauf ein und das Angebot an ähnlichen Einzelstücken steigt. "Es gibt mittlerweile Auftragsproduktionen, die nahe an indische Erzeugnisweisen herankommen, aber immer noch individuell sind."

Handel tendiert zur Just-In-Time-Lieferung

Im Verhalten der Importeure gegenüber ihren Abnehmern nimmt der Service eine ständig bedeutsamere Stellung ein. "Immer weniger Kunden arbeiten sich im Lager durch viele Stapel", sagt Dr. Ali Ipektchi. "Entweder führen wir den Kunden anhand seiner Wünsche gezielt zu seiner Ware oder wir stellen sie sogar selbständig für ihn zusammen." Das, was nicht gewollt ist, schickt der Kunde dann zurück.

Den Warenbestand von Ipektchi allerdings nie mit eigenen Augen gesehen zu haben, ist für jeden Facheinkäufer ein Versäumnis. Der aufgeräumte, saubere Showroom - so gestaltet, wie auch eine Verkaufsfläche im Einzelhandel strukturiert sein könnte -, dazu das beeindruckende Lager, entführen jeden Teppichenthusiasten in die Vielfältigkeit der iranischen Knüpfkunst.

Heute baut der Handel seine Warenbestände immer weiter ab - aus Kostengründen. Die Just-In-Time-Lieferung kleinerer Mengen wird daher wichtiger. Deshalb muss ein Importeur auf Lieferfähigkeit achten und sein Sortiment in Breite und Tiefe gut gestaffelt haben. Ipektchi ist dazu in der Lage: "Es gibt kaum einen persischen Teppich, den wir nicht anbieten können. Bei den standardisierten Artikeln haben wir sogar eine Nachlieferungschance von 80 bis 90 %."

Mit großen Kunden, die etwa einen Werbeprospekt auflegen, vereinbart Ipektchi für bestimmte Artikel und Zeiträume gar eine Nachlieferungsgarantie. Eine solche Garantie können auch Händler mit geringem Warenbestand in Anspruch nehmen, wenn sie sich in das Ipektchi-Warenwirtschaftssystem einklinken. Dr. Ipektchi: "Wir sagen auch dem kleinen Einzelhändler: Wenn Dein Kunde keinen Teppich findet, lass ihn nicht gehen, sondern ruf bei uns an. Wir suchen das gewünschte Exemplar und schicken es über Nacht zu."

Der Exportanteil von Ipektchi liegt bei über 60 %, aber Deutschland bleibt trotz der Konsumflaute größter Einzelmarkt. Der persische Teppich ist nicht so vom Trend abhängig, wie ein Designerteppich. Modische Strömungen übertragen sich nur bedingt auf die Welt der Knüpfer. Diese "Schwerfälligkeit" sieht Dr. Ali Ipektchi als Plus. Sie stärkt das traditionelle Wesen des Perserteppichs.

Helle Teppiche im Trend - Rote Farbe wieder im Kommen

Trotzdem wird auf die Nachfrage reagiert. Deshalb finden sich im Angebot blasse, helle, pastellfarbene Teppiche. Aber auch die klassische rote Farbe hat gegenüber der zwischenzeitlich in den Vordergrund gerückten blauen Farbgebung wieder aufgeholt.

Für die einzige echte "Revolution" im persischen Teppich erachtet Dr. Ipektchi den Gabbeh. "Das ist wirklich ein neues Produkt gewesen. Stark mode- und farbenabhängig, angepasst an den westlichen Trend zum Naturton." Deshalb ist dieser Bereich eine der besonderen Stärken des Unternehmens.

Als wahren Teppichliebhaber zieht es ihn aber zu den alten, antiken Stücken, die eine Geschichte zu erzählen haben. "Bereits Anfang der 80er Jahre haben wir uns gefragt, wo Wachstum in der Branche möglich ist. Das war natürlich die Standardware. Aber wir haben die anderen Bereiche darüber nicht einschlafen lassen. Und so handeln wir nach wie vor auch mit alten Teppichen."

Für Leute, die etwas suchen, was nicht jeder hat, bietet der Showroom des Ipektchi-Lagers, reizvolle Stapel, wo jeder Teppich im Sortiment einen ganz eigenen Ursprung besitzt. Und auch besondere Größen liegen zur Ansicht bereit: Übermaße bis zu 30 qm und Galerien bis 20 m Länge - bei 80 cm Breite.
aus Heimtex Orient 04/02 (Wirtschaft)