Roundtable mit Enno Kramer, Regina Hebbeln-Röttjer, Dietmar Eis, Hubertus Nocker und Herbert Schmitmeier

"Wir bieten dem Großhandel Perspektiven, wie er seine Kunden optimal unterstützen kann"

Die Decor Union will mit ihrer 3-Säulen-Strategie weiter wachsen. Nachdem zunächst die Einzelhandels-Sparte und die Objekt-Gruppe gestärkt wurden, steht jetzt der gezielte Ausbau der sogenannten Master-Group im Focus, in der die Großhandels-Aktivitäten gebündelt sind. Den Schwerpunkt bildet dabei der Farben-Großhandel. Dazu hat sich die Kooperation Dietmar Eis ins Boot geholt. Der frühere VFG-Geschäftsführer ist seit 1. April als Generalbevollmächtigter für den weiteren Aufbau der Großhandels-Säule verantwortlich. Ziel ist, bis zum Jahr 2009 zirka 20 Grossisten hinzu zu gewinnen. Über die weitere Marktentwicklung diskutierte BTH Heimtex Chefredakteur Claudia Weidt mit Enno Kramer und Regina Hebbeln-Röttjer von der Decor Union-Geschäftsführung, Dietmar Eis, Hubertus Nocker, der den Bereich Farben und Lacke betreut und Herbert Schmitmeier von der Marketingagentur Intermarket, die die Decor Union seit vielen Jahren begleitet.

BTH Heimtex: Sie haben in der letzten Zeit sehr viele Projekte angeschoben: erst die Einbindung der nrc, dann die Neupositionierung der Fachmarkt-Betriebstypen Wohnen & Sparen, Wohnstore und Mäx innerhalb Ihrer Einzelhandels-Sparte, die Integration der "Objekteure"-Gruppierung und schließlich das Projekt Health & Care Network-Group. Und nun wollen Sie auch noch Ihre Großhandels-Aktivitäten vorantreiben. Ist das nicht ein wenig zuviel auf einmal? Können Sie das alles noch managen?

Enno Kramer: Zeit wird immer mehr zu einer erfolgskritischen Unternehmensgröße. Die noch vor fünf Jahren kaum vorstellbare Veränderung der Prozess-Abläufe in allen Marktsegmenten, insbesondere die vertikale Integration der Farbenindustrie zwingt zu schnellen unternehmerischen Entscheidungen.

Uns hat sich jetzt durch die Entwicklung speziell in der Farbenbranche, aber auch im gesamten Großhandel ein Zeitfenster geöffnet, das wir nutzen wollen. Wir haben sehr sorgfältig den Markt studiert, Zahlen recherchiert, eine Machbarkeitsanalyse erstellt und unsere Idee dem Beirat vorgestellt. Und der ist unserer Empfehlung gefolgt und hat die Entscheidung für den Ausbau der Master Group mittels zusätzlicher Dienstleistungen und der Akquisition weiterer Großhändler getroffen.

Und für den konsequenten Ausbau unserer Säule Großhandel haben wir uns mit Dietmar Eis, dem langjährigen Geschäftsführer der VFG, einen der profiliertesten Köpfe der Branche ins Boot geholt. Das werden wir also managen können.

BTH Heimtex: Was heißt "ins Boot geholt" konkret? Welche Aufgaben hat er, wie ist er eingebunden, wie lautet die Zielsetzung?

Kramer: Herr Eis ist seit 1. April als Generalbevollmächtigter für die Expansion der Großhandels-Säule verantwortlich und hat gemeinsam mit Frau Hebbeln-Röttjer, die übrigens seit Anfang März neben mir Geschäftsführerin der Decor-Union ist, die Marktsituation im Farben- und Lackbereich sehr genau analysiert.

Dietmar Eis: Dabei sind wir auf ein Marktvolumen von 860 Mio. EUR für den Großhandel mit Farben und Lacken gekommen....

BTH Heimtex: Auf Basis Industrieabgabepreis Großhandel?

Dietmar Eis: ...ja, von dem ca. 25% derzeit über inhabergeführte Großhandelsunternehmen vertrieben werden, die keiner Kooperation angehören. Das ist unser Potenzial, das wir für uns gewinnen wollen.

BTH Heimtex: 25% freie Großhändler erscheint mir sehr viel. Wir haben die VFG als stärkste Kraft im Farben-Großhandel, in der Proma sind einige bedeutende Unternehmen organisiert, und dann haben sich Caparol und Akzo inwischen einiges an Volumen im Großhandel zusammengekauft. Wenn ich richtig informiert bin, liegen beide mit ihren Beteiligungen inzwischen in einer Größenordnung von jeweils 280 Mio. EUR...

Eis: Uns hat die Zahl 860 Mio. auch erstaunt. Aber wir haben sie nach bestem Wissen und Gewissen sehr aufwändig recherchiert und dabei hat sich ergeben, dass ein Volumen von 25% des Marktes frei ist.

BTH Heimtex: Hat denn bislang keine Kooperation versucht, diese 25% freien Marktanteil zu akquirieren?

Hubertus Nocker: Nein, offensichtlich nicht oder wenn doch, jedenfalls nicht erfolgreich. Wir als Decor Union haben bislang nicht aktiv Großhändler akquiriert. Vielmehr ist der Kontakt zu Neu-Mitgliedern in der Regel auf Kollegen-Ebene zustande gekommen.

BTH Heimtex: Das mag bis Mitte der 90er Jahre noch so gewesen sein, aber nicht mehr in den letzten Jahren. Da haben die Kooperationen kräftig um neue Mitglieder geworben. Füllen wir das Ganze mal mit Leben und Zahlen: Wo liegt Ihre Messlatte? Wie viele neue Großhändler wollen Sie konkret gewinnen? Und in welchem Zeitrahmen?

Kramer: Wir wollen eine bedeutende Alternative zu der zur Zeit marktführenden Verbundgruppe auf- und ausbauen. Zur Zeit vereinen wir 31 Großhandels-Häuser mit 38 Standorten und planen bis 2009 einen Mitgliederzuwachs von 15 bis 20 Großhandelsunternehmen, wobei unser Ziel für 2009 zirka 50 Grossisten sind.

BTH Heimtex: Mit welchen Argumenten wollen Sie Großhändler überzeugen, der Decor Union beizutreten?

Eis: Die Decor-Union hat dem Großhandel in vielerlei Hinsicht etwas zu bieten und ist von daher geradezu prädestiniert für den Großhandel:

Erstens ist ein ganz klarer Trend im Großhandel zu erkennen, sich intensiv mit dem Einzelhandel zu beschäftigen und Expansion zu betreiben über eigene Verkaufsstellen. Wobei ich immer vom Farbengroßhandel rede. Und gerade in diesem Punkt sind wir stark: Es ist doch für die Decor Union mit ihrer 3-Säulen-Strategie und ihrer Einzelhandelserfahrung ein Leichtes, ein maßgeschneidertes Einzelhandelskonzept für den Großhandel zu entwickeln und das aktiv beim Großhandel zu vermarkten. Zweitens können wir die Schnittmengen-Potenziale der 3-Säulen-Strategie als Wettbewerbsvorteil nutzen. Und drittens unsere Best-Practice-Erfahrungen als Benchmarks säulenübergreifend einsetzen. Viertens wollen wir über unsere Großhändler mit unterschiedlichen Kundenbindungskonzepten "Markt machen für Maler".

Hebbeln-Röttjer: Wir denken auch, dass die mittelständischen Großhändler zunehmend die Notwendigkeit sehen, sich einer Kooperation anzuschließen. Nicht allein wegen der Einkaufsvorteile, sondern weil sie auch von der Gemeinschaft und dem Erfahrungsaustausch mit Kollegen profitieren. Bei unseren Tagungen werden schließlich eine Menge an Ideen transportiert.

BTH Heimtex: Ich kann mir vorstellen, dass die Einzelhandels-Konzeption ein schlagkräftiges Argument sein könnte, weil das kein anderer in dieser Form bietet.

Nocker: Genau richtig. Aber auch die ganzen Synergie-Effekte sind wichtig. Je mehr die großen Marktteilnehmer bei ihren Großhandels-Aktivitäten aufrüsten, desto notwendiger wird es für freie, mittelständische Großhändler, sich mit geeigneten Marketingmaßnahmen zu positionieren.

Herbert Schmitmeier: Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Die Großhändler müssen lernen, bzw. wir müssen es ihnen vermitteln, dass sie sich nicht gegeneinander, sondern gegen die Kofas positionieren müssen. Vielfach ist es doch heute so, dass die Großhändler untereinander im Clinch stehen und sich die Preise um die Ohren schlagen, anstatt gemeinsam eine Phalanx gegen die Kofas zu bilden - gar nicht mal auf der Preisschiene, sondern durch Serviceleistungen, durch Kundenbindung. Immerhin besetzen sie 51% des Marktes. Ich denke, das ist eine sehr wichtige Aufgabe für Kooperationen wie die Decor-Union. Hier werden dem Großhandel Konzepte geboten und Möglichkeiten an die Hand gegeben, mit denen er seine Kunden unterstützen und zu mehr Umsatz verhelfen kann.

BTH Heimtex: Ich möchte noch einmal auf das Marktvolumen im Großhandels-Bereich zurückkommen. In den letzten Jahren ist ihre Anzahl erheblich zusammen geschmolzen. Haben Sie bei Ihrer Recherche auch eruiert, wie viele Grossisten es tatsächlich noch gibt?

Schmitmeier: Über alle Sortimentsbereiche hinweg sprechen wir etwa über 800 Betriebe.

BTH Heimtex: So viele? Die Zahl kommt mir viel zu hoch vor. Maximal die Hälfte würde ich schätzen.

Schmitmeier: Das hängt davon ab, wie Sie Großhandel definieren. Insgesamt kommt diese Zahl sicher hin, wenn man alle Großhändler mit einbezieht, auch die Kleinen. Wenn wir uns allerdings auf die überlebensfähigen Unternehmen konzentrieren, ist die Zahl sicher erheblich niedriger und wenn wir dann wiederum nur die großen Betriebe mit regionaler Durchsetzungskraft berücksichtigen, sind wir bei weniger als 100.

BTH Heimtex: Mit diesen Zahlen kann ich mich anfreunden...

Schmitmeier: Wobei ich noch etwas hinzufügen will: Es wird immer wieder unterschätzt, wie unterschiedlich der Bodenbelagsgroßhandel und der Farbengroßhandel sind.

Beispiel Abholquote: Die Abholquote der Handwerker im Bereich Farbe ist mindestens doppelt so hoch wie im Bereich Boden oder ähnlichen Sortimenten. Daher kann eine Größenordnung von 2 Mio. EUR bei dem Standort eines Farbengroßhandels durchaus profitabel zu führen sein, während es bei Bodenbelägen durch die höheren Fracht- und Lagerkosten schwierig wäre. Die Kalkulationsebene ist eine andere...

BTH Heimtex: Nach diesem kleinen Exkurs wieder zu Ihren Großhandels-Aktivitäten Welche sind Ihre strategischen Schwerpunkte - kurz- und mittelfristig? Was muss sich gegebenenfalls auf Sortiments-, was auf Lieferantenseite ändern?

Hebbeln-Röttjer: Eine besondere Position des künftigen Produkt-Portfolios soll unsere Marke "Meistergold" spielen, die von nrc kreiert wurde und bereits gut eingeführt ist.

BTH Heimtex: Kurze Zwischenfrage: Warum ist eine Eigenmarke bei Farben und Lacken so wichtig?

Hebbeln-Röttjer: Woanders sind die Produkte austauschbar. In der Farbe nicht. Und mit Meistergold haben die Mitglieder Exklusivität an ihrem Standort. Aber Meistergold ist ja nur ein Dienstleistungsaspekt, den wir bieten ...

Kramer: Außerdem werden wir innerhalb der Decor-Union einen neuen Unternehmensbereich "Zentrale Dienstleistungen" schaffen, in dem ein "Know-how-Pool" mit vier Schwerpunkten koordiniert und ausgebaut wird: Formulierung einer effizienten Marktnischenpolitik, Änderung der Sortimente zu Bedarfsbündeln, Profilierung der Mitgliedsunternehmen über attraktive, marktfähige Dienstleistungsangebote und Erarbeitung einer erkennbaren, differenzierten Angebotspolitik und Nutzenstrategie.

Mit dieser Ausrichtung aller Aktivitäten auf die Ausschöpfung profitabler Marktpotenziale wollen wir den Weg zu zahlungsbereiten Kunden finden und unsere Position als führende Branchenkooperation zielgerichtet mit unserer 3-Säulen-Strategie weiter ausbauen.
aus BTH Heimtex 05/06 (Wirtschaft)