Deutsche Heimtextilien-Industrie zur aktuellen Konjunkturlage

Weiterhin gute Chancen für "Made in Germany"

Die wirtschaftliche Situation hat sich für deutsche Anbieter von Heimtextilien insgesamt kaum verbessert. Zwar laufen die Geschäfte im Inland relativ gut, aber das kann sich angesichts der vielen Probleme auf dem Weltmarkt jederzeit ändern. Keine guten Aussichten also - oder vielleicht doch? BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz hat sich in der Branche umgehört.

Trotz sich zuspitzender Schuldenkrise in der Euro-Zone ist die Kauflust der deutschen Verbraucher ungebrochen. Angesichts guter Beschäftigungslage und steigender Einkommen verbessert sich nach Analyse der Marktforscher der GfK die Anschaffungsneigung der Deutschen. Statt das Geld zu historisch niedrigen Zinsen auf die Bank zu tragen, wird es in Sachwerte investiert.

"Wir hören viel Positives aus Handel und Handwerk", sagt denn auch Martin Auerbach, Geschäftsführer im Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie (VDHI). "Die Konjunktur am Bau läuft gut; vielerorts werden Renovierungsmaßnahmen durchgeführt." Dennoch kann er keinen klaren Wachstumstrend für seine Mitglieder ausmachen. Das liege an der heterogenen Branche und den zahlreichen Firmenkonjunkturen: "Je nach Ausrichtung läuft das Inlandsgeschäft bei vielen Mitgliedern gut. Aber strukturelle Ausfälle bzw. Insolvenzen mindern leider diese positiven Entwicklungen."

Gute Geschäfte in Deutschland

Für Apelt-Stoffe berichtet Donata Apelt-Ihling von einem hohen einstelligen Plus im ersten Halbjahr 2012, warnt aber gleichzeitig: "Unsere mittelständisch geprägte Branche muss sich mit gestiegenen Rohstoffpreisen, der EEG-Umlage, hohem Importdruck, aber auch dem demographischen Wandel auseinander setzen. Das erfordert flexibles, kluges und kreatives Handeln, sonst können wir nicht weiter erfolgreich sein."

Beim Objektspezialisten Drapilux spielt die Stimmung der Verbraucher nur eine untergeordnete Rolle, man zielt primär auf den professionellen Anwender. Gleichwohl nutzt die Marke der Schmitz-Werke auch den Heimtextilien-Fachhandel, um ihre Produkte für Kleinobjekte verfügbar zu machen. Mit der Entwicklung im Jahr 2012 ist man da bisher noch nicht zufrieden: "Die Nachfrage des deutschen Fachhandels ist im ersten Halbjahr unter unseren Erwartungen geblieben", erklärt Drapilux-Vertriebsleiter Dr. Norbert Rehle.

Das mag auch damit zusammenhängen, dass der Markt aus Rehles Sicht immer unübersichtlicher wird: "Markenartikler aus dem Top-Segment des privaten Wohnens drängen ins Objektgeschäft." Gleichzeitig vermisst er in der Heimtextilien-Branche die Konsequenz, mit der sich andere Wirtschaftszweige auf Markenpositionierung und Profilierung konzentrieren. "Bei uns will jeder überall mitmischen. Es wundert mich deshalb nicht, dass sich auch die Fachhändler nicht auf einige wenige Marken und Sortimente konzentrieren, sondern ihr Heil in der Erhöhung der Zahl ihrer Lieferanten suchen. Der Kuchen wächst dadurch aber nicht, die Stücke werden nur immer kleiner und kleiner."

Probleme in den Schwellenländern

Diete Hansl-Röntgen, Geschäftsführerin beim Textilverlag Nya Nordiska, weist noch auf eine andere Gefahr hin: "Die deutsche Konjunktur ist zu sehr vom Exportgeschäft abhängig." Und in der Tat sehen sich exportorientierte Unternehmen aller Industriezweige mit einer merklichen Abkühlung der Weltwirtschaft konfrontiert. Knapp 40% der deutschen Ausfuhren gehen in die EU, dem derzeit größten Sorgenkind der Ökonomen. 17,4Mio.Menschen sind hier momentan ohne Job, die Arbeitslosenquote liegt bei 11%. Griechenland, Italien und Spanien stecken in der Rezession.

Aktuell sinkende Rohstoffpreise wären eigentlich ein Grund zur Freude für die deutsche Wirtschaft, den am schnellsten wachsenden Exportmarkt belasten sie aber: Russland. Das industriell unterentwickelte Land lebt von seinen Rohstoffen und gerät aufgrund sinkender Ölpreise unter Druck. Der Rubel fiel unlängst auf den tiefsten Stand seit drei Jahren, was Importe merklich verteuert. Das ist schlecht für deutsche Firmen, die nach Russland verkaufen wollen.
Den USA - weltgrößte Volkswirtschaft und Top-Kunde der Deutschen - ging bereits im ersten Quartal 2012 die Puste aus: Das Wachstum verringerte sich auf 1,9%. Die Arbeitslosenquote stieg auf 8,2%. Damit droht hier der private Konsum als Konjunkturmotor auszufallen.

Und auch auf die boomenden Schwellenländer China, Indien und Brasilien ist derzeit kein Verlass: Für die mittelständische chinesische Industrie signalisiert der Einkaufsmanager-Index bereits seit acht Monaten in Folge schrumpfende Umsätze. Der Exportweltmeister bekommt die Krise in der EU - seinem wichtigsten Absatzmarkt - genauso zu spüren wie die sinkende Nachfrage aus Nordamerika. Zwar sagen Ökonomen für das Gesamtjahr immer noch ein Wirtschaftswachstum von 8,2% voraus, aber das wäre für China der schwächste Anstieg seit 1999.

Die indische Wirtschaft ist im ersten Quartal 2012 so langsam gewachsen wie seit neun Jahren nicht mehr. Sorge bereitet vor allem das verarbeitende Gewerbe, das sogar leicht schrumpfte. Der Industrie macht die schwache Währung zu schaffen. Die Zentralbank versucht, die Inflation mit hohen Zinsen zu dämpfen. Aber dadurch werden Kredite teurer, was Investitionen und Konsum belastet.

Brasilien schwächelt ebenfalls. Dem Land machen seine miserable Infrastruktur, eine überbewertete Währung und schlecht ausgebildete, aber vergleichsweise teure Arbeitskräfte zu schaffen. Ökonomen gehen davon aus, dass die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt 2012 erneut um weniger als 3% wachsen wird. 2010 waren es noch 7,5%.

Deutsche Produkte bleiben im Ausland gefragt

Aber auch wenn all dies auf trübe Aussichten hinaus zu laufen scheint, muss man die Situation für die deutschen Anbieter von Heimtextilien auch im Export differenziert betrachten. "Ja, der große Schwung fehlt, aber es gibt europäische Länder, wo es für uns gut läuft", berichtet etwa Diete Hansl-Röntgen für Nya Nordiska. Das Geschäft mit Indien und China befinde sich noch im Aufbau und wachse. Und selbst auf dem russischen Markt sehe man einen Silberstreif am Horizont.

Ähnlich zweigeteilt fällt die Exportbilanz von Donata Apelt-Ihling aus: "Unsere Produkte laufen trotz aller Probleme besonders in der Schweiz, Österreich, in Osteuropa und den USA. Der Export nach Griechenland und Portugal ist allerdings stark zurückgegangen."

Bei Drapilux springt angesichts schwacher europäischer Verkaufszahlen das Objektgeschäft mit Russland, dem Mittleren Osten, China und in jüngster Zeit verstärkt Indien in die Bresche. "In diesen Ländern wachsen wir in den Segmenten Healtcare und Hotellerie", gibt Vertriebsleiter Rehle zu Protokoll. "Der Schlüssel zum Erfolg liegt dort in der intensiven Objektbetreuung, die wir gemeinsam mit unseren lokalen Partnern leisten. Wir kombinieren das mit höchstem Qualitätsniveau und deutscher Zuverlässigkeit und finden so profitable Wege aus der in diesen Ländern dominierenden Preisdiskussion."

Made in Germany kommt eben an. Und dass das auch so bleibt, steht für Martin Auerbach außer Frage. "Im Ausland ist es vor allem eine zahlungskräftige Klientel, die Produkte aus Deutschland kauft", meint der VDHI-Geschäftsführer. "Bei der kann von Krise keine Rede sein."
aus BTH Heimtex 07/12 (Deko, Gardinen, Sonnenschutz)