Bodenbeläge auf der Domotex

Wo war die Teppichboden-Industrie?

Trotz neuer Rekordzahlen bei Ausstellern, Besuchern und Fläche ist das Fazit der Domotex 2001 gemischt. Denn die Masse allein macht's nicht. Die Qualität muss auch stimmen. Und da gibts vor allem im textilen Bereich Probleme.

Die Domotex 2001 ist gelaufen. Das Fazit: Mehr Besucher als je zuvor (rund 45.000 gegenüber 38.841 im Jahr 2000), mehr Aussteller (1.116 gegenüber 1.070), größere Ausstellungsfläche (95.110 qm gegenüber 90.614). Besonders auffällig: der hohe Anteil ausländischer Einkäufer, vor allem aus Osteuropa, den USA und Asien.

Angesichts dieser Zahlen überschlagen sich die Messemacher in Hannover geradezu vor Begeisterung. Von "entscheidenden Impulsen für eine positive Trendwende" ist die Rede, von "sehr zuversichtlicher und gelöster Stimmung" bei den Ausstellern.

Das klingt alles ganz schön, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn: die Domotex mag zwar in der Quantität weiter wachsen, sie hat aber in den letzten Jahren eindeutig an Qualität verloren. Das gilt vor allem für die Teppichbodenbranche. Bei den Ausstellern ist fast der gesamte Hochwertbereich weggebrochen, genauso aber die großen deutschen Anbieter, von den Objektspezialisten gar nicht zu reden... Trotz Contract-World - die Domotex entfernt sich immer weiter vom Bodenbelags- Objektsortiment. Nur noch sporadisch oder gar nicht mehr kommen: Anker, Carpet Concept, Dura, Durmont, Filzfabrik Fulda, Girmes, Globus, Interface, M.I.D., Mira-X, Filo, Object Carpet, Ruckstuhl, Textimex, Toucan T, Vorwerk.... Die Reihe könnten wir mit fehlenden Objektanbietern aus dem elastischen Bereich beliebig fortsetzen. Beim bewussten Blick durch die Hallen 4,5 und 6 fiel auf: Bis auf die üblichen Ausnahmen sind nur noch die Teppichboden-Konsum- und Massenanbieter auf der "internationalen Leitmesse für Bodenbeläge" vertreten. Hier müssten bei der Deutschen Messe längst die Alarmglocken schrillen. Umso mehr, als das Gerücht geht, dass einige Hochwertanbieter mit der Heimtextil 2002 liebäugeln, die das erste Mal für Publikum geöffnet sein wird.

Wir wollen den "Schwarzen Peter" aber nicht allein der Messegesellschaft zuschieben. Die Domotex-Abstinenz der Teppichbodenindustrie ist auch ein Armutszeugnis für die Branche. Offenbar nehmen die Hersteller weder Hannover als Branchen-Treffpunkt ernst, noch interessieren sie ihre Kunden aus aller Welt, die dort hinfahren und schon gar nicht ihre Zulieferer, die auf der Domotex ausstellen. Das gibt es in anderen Branchen nicht. Für die Automobilindustrie beispielsweise ist die Frankfurter IAA Pflichttermin, für die DOB-Produzenten die Düsseldorfer Igedo. Kein namhafter Anbieter würde es sich leisten, dort zu fehlen. Darüber muss man nachdenken.

Gesprächsthema Nr. 1 in Hannover war die Übernahme von Balsan durch Associated Weavers. Jeder fragte sich erstens, warum AW die Franzosen gekauft hat und zweitens, wie der in den letzten beiden Jahren kränkelnde belgische Tufter die Akquisition finanziert. Frage 1 ist schnell beantwortet: Über Balsan will AW zum einen den französischen Markt erschließen - dort ist die neue Tochter unangefochten Marktführer - zum anderen endlich den deutschen Großhandel ins Boot holen. Dafür wurde Ingo Weigt als Verkaufsleiter engagiert, zuvor in gleicher Position bei Ossfloor. Dorthin ist nach der Übernahme durch die Condor-Gruppe Jens Pröfrock zurückgekehrt, der bereits bis 1997 bei Ossfloor auf der Payroll stand und dann zu AW wechselte. Weigts Vorgänger bei Balsan wiederum, Rudi Goosens, ist jetzt als neuer Geschäftsführer der Thüringer Teppichfabriken unter Vertrag.

Noch mehr Branchenbekannte segeln unter neuer Flagge: Klaus Dieter Struve, früher TWN, danach als Berater bei HWP, leitet jetzt die Entwicklungs- und Designabteilung von Dan Floor. Jürgen Madry hat sich nach verschiedenen Stationen in der Faserbranche in diesem Geschäft selbständig gemacht. Addi Zerenner verkauft doch keine Pommes Frites auf Ibiza, sondern Teppichböden von Sit-In.

Komplett aus der Branche verabschiedet hat sich kurz nach der Messe Hiltjo Bos, Vorstandsvorsitzender der Armstrong DLW-Textiltochter Desso DLW. Bereits in Hannover wurde über seinen Abgang spekuliert, Ende Januar kam dann die Nachricht, dass er sich im Februar in den Ruhestand zurückziehen wird. Hintergrund soll das von Bos angestrebte Management-Buy-Out bei Desso DLW sein, dem die amerikanische Mutter damit offiziell eine Absage erteilte.

Vermisst wurde in Hannover von manchem Manfried Bolender, vielen lange Jahre bekannt als ebenso kompetenter wie menschlicher Leiter der Entwicklung im Teppichbodenwerk Ramstein, das seit einigen Jahren zur Ideal-Gruppe von Francis de Clerck gehört.

Der erste offizielle Auftritt auf der Domotex - im letzten Jahr war er nur als Besucher da - war zugleich sein letzter: Andreas Köllreuter, Vorstandschef von Tarkett Sommer hat am 24. Januar plötzlich - aber für Insider nicht überraschend - seinen Hut genommen. Kaum ein Jahr dauerte sein Gastspiel an der Spitze des Bodenbelagkonzers, davon drei Monate als Vorsitzender. Nachfolger wird sein Vorgänger Marc Assa, der dafür kurzerhand seine Position als Aufsichtsratsvorsitzender aufgibt.

Louis de Poortere - die gibt"s noch? fragte sich mancher angesichts des Standes in Halle 5. Allerdings: Lionel Callens und seine Mitstreiter Sylvain Verhaert und Willi Weishaar haben die Webschiene - der Tuftingbereich ging an Lano - des im letzten Jahr zusammengebrochenen Traditionsunternehmens einschließlich Maschinen und der Immobilien in Mouscron übernommen und wollen unter dem eingeführten Namen an frühere Erfolge anknüpfen. Callens zu BTH: "Das ist die wohl wichtigste Messe in der Geschichte von Louis de Poortere. Wir zeigen unser Gesicht. Jeder soll wissen: LdP ist wieder da !"

Selbstbewusst und optimistisch präsentierte sich Dr. Benjamin Fuchs, Kopf der Forbo-Textilsparte, auf der Messe - und hatte auch allen Grund dazu: Er erzielte "das seit Jahren beste Ergebnis" und erwartet nach einem guten Start auch für das laufende Jahr einen weiteren, deutlichen Zuwachs. In der Konzernleitung ist diese positive Entwicklung sehr genau registriert worden, die im letzten Jahr geäußerten Trennungsabsichten wurden inzwischen relativiert. "Akuten Handlungsbedarf gibt es nicht", ließ Vorsitzender Werner Kummer verlauten.

"Teppichboden und Laminat - das passt doch nicht" würde jeder ordentliche deutsche Teppichbodenhersteller sagen. Ihre belgischen Kollegen haben da weniger Be-rührungängste und investieren locker auch in textilfremde, lohnend erscheinende Sparten. Nachdem Luc de Clerck mit seiner Berry-Gruppe bereits vor einigen Jahren in Parkett und Laminat eingestiegen ist - sogar mit eigener Produktion - zieht sein Bruder Jan de Clerck jetzt nach. Er will vorerst nur in USA mit Laminatbelägen starten. Als Lieferant ist E.F.P. im Gespräch.

Mit Laminat befasst sich auch die Balta-Gruppe, die bereits mit ihren Tapeten-Aktivitäten und ihrer CV-Tochter IVC bewiesen hat, dass sie sich auch in anderen Bereichen als Teppichboden behaupten kann. Wobei das Thema ganz gelassen gesehen wird: "Wir sind sehr investitionsfreudig", sagt Category Manager Philippe van Hecke, "und dabei in verschiedenen Richtungen offen - dem Objektbereich, Stoffen oder auch Laminat." Eine Akquisition habe dabei zwar keine Priorität, "aber wir sind auch nicht abgeneigt."

Und was gab es auf Produktseite Neues in Hannover? Da musste man in diesem Jahr schon etwas auf die Suche gehen. Im Textilbereich herausragend waren unter anderem die Muster der neuen Millitron-Anlage von Ege, mit der sich jetzt auch Schlingen präzise bedrucken lassen, die alte wird endgültig im Mai abgestellt. Zugleich hatten die Dänen einen der schönsten Stände der Domotex gestaltet. Bemerkenswert auch die neue Premium-Kollektion von Wollspezialist TWN, die Spitzenqualitäten bis 3.000 g (!) Poleinsatzgewicht bietet. Schön anzusehen sind viele der Strukturen von den neuen FRS-, Servoscroll- und Multiroll-Maschinen. Aber offenbar ist ihnen der Durchbruch im Markt noch nicht gelungen. Kreative Ideen für neue Konstruktionen und Optiken fanden die Entwickler bei Aquafil. Eine Variation zum Thema Vliesrücken steuerte Dan Floor mit seinem laminierten Vliesrücken bei, der mit dem Träger vulkanisiert wird.

Nicht zuletzt ist im Bereich Faserschutz einiges zu erwarten: 3 M will im Laufe des Jahres die neue Scotchgard-Formel herausbringen, die zur Zeit mit einigen Herstellern getestet wird. Auch Du Pont investiert in seine Market Teflon - und zwar sowohl in die Produkt- Weiterentwicklung des Fluorpolymers als auch in Marketing und Werbung. Und Bayer schließlich hat einen Kombi-Schutz gegen Flecken und chlorhaltige Mittel präsentiert - als Alternative zu chlorbeständigen produktionsgefärbten Garnen.

Ein deutlicher Entwicklungsschub macht sich derzeit bei CV- Belägen bemerkbar. Nachdem Tarkett Sommer sein Flaggschiff Ornamenta sowohl in der Optik als auch in den Nutzungseigenschaften optimiert hat, kam Forbo Novilon zur Domotex mit einer neuen Generation an hoch strapazierfähigen Verbundbelägen, die als Kalanderbeläge bezeichnet werden und vornehmlich auf den Klein- und Semiobjektbereich zielen.

Nicht vergessen werden darf die neue Linoleum-Kollektion von Forbo - außergewöhnlich in der Optik durch den neuartigen Relief-Effekt und ebenso außergewöhnlich in Hannover präsentiert.
aus BTH Heimtex 02/01 (Wirtschaft)