Tipps zur Estrich-Trocknung - Interview mit Michael Sungen, Lanxess Deutschland

"Was nicht drin ist, muss auch nicht raus"

Wer seinen Estrich schnell fertig bekommen muss, kann mit Schnellzementen viel Zeit sparen. Aber er kann sich auch Risiken einhandeln. Besser ist es, etwas vorausschauender zu planen. Dann kann man mit Calciumsulfatestrichen, Austrocknungsbeschleunigern und Zwangstrocknung ebenfalls den Turbo einlegen - ganz zu schweigen von der Sicherheit, die der Umgang mit einem gewohnten Material mit sich bringt. Michael Sungen, Estrich-Experte bei Lanxess in Leverkusen, erläutert praxistaugliche Lösungen und gibt Trocknungstipps.

FussbodenTechnik: Herr Sungen, die Bauchemie macht rasante Fortschritte. Es gibt heute Estriche, die in wenigen Stunden aushärten. Sind die Tage Ihres Austrocknungsbeschleunigers Meborapid gezählt?

Michael Sungen: Nein, definitiv nicht, ganz im Gegenteil. Es gibt eine Menge guter Argumente dafür, dass es mit Meborapid sogar eher weiter aufwärts gehen wird. Lassen Sie es mich so sagen: Wenn Sie öfter zum Beispiel von Leverkusen nach Hamburg fahren müssen, können Sie sich natürlich einen Sportwagen zulegen. Aber warum ist die Autobahn dann nicht voller Flitzer? Ganz einfach: Weil man die Strecke auch mit einem Mittelklassefahrzeug bequem fahren kann - dann allerdings unterm Strich erheblich kostengünstiger. Jeder, der ein Auto kauft, zieht das ins Kalkül: Brauche ich wirklich einen Sportwagen oder nehme ich doch lieber ein gehobenes Arbeitstier und gebe das gesparte Geld für etwas anderes aus? Auf der anderen Seite muss es natürlich auch nicht gleich ein Kleinwagen sein. Letztlich ist das immer ein Rechenexempel.

FT: In den meisten Fällen ist Zeit ja Mangelware auf der Baustelle...

Sungen: ... Und darum muss der Estrichleger sicherstellen, dass der Boden rechtzeitig fertig ist - und auch, dass er funktioniert, wie in der Ausschreibung festgelegt. Schnellestriche sind natürlich sinvoll, gar keine Frage. Aber man darf nicht vergessen, dass das hochgezüchtete Spezialisten sind. Für extrem eilige Projekte sind sie sicher ein Segen. Aber nichts ist umsonst: Wer viel Zeit sparen will, muss dafür kräftig zahlen. Oft merkt man dann hinterher: Hätte ich mir nur eine Woche mehr Zeit gelassen, wär ich jetzt ein paar tausend Euro reicher. Denn zwischen "normal" und "ultraschnell" gibt es eben noch "ziemlich fix" - und das zu einem Bruchteil der Kosten einer Highspeed-Lösung bei viel geringerem Risiko. Auch sind für viele Projekte Schnellestriche schlicht und einfach ungeeignet.

FT: Also warnen Sie vor Schnellzementestrichen?

Sungen: Nein, das nicht. In einem florierenden Unternehmen kostet jeder Tag, der den laufenden Betrieb aufhält, eine Stange Geld. Denken Sie etwa an eine Zahnarztpraxis. Da sind die paar Euro mehr für einen schnell abbindenden Estrich beim Neu- oder Umbau gut angelegt, damit der Praxisbetrieb rasch wieder aufgenommen werden kann. Aber es gibt Grenzen, wo selbst die besten Estrichleger die weiße Fahne hissen müssen. Wenn ich für das Verlegen weniger als eine Stunde habe, scheiden allzu große Flächen natürlich aus - oder ich muss sie teilen. Das ist nicht immer zu empfehlen, denn Fugen sind ja potenzielle Schwachstellen. Und wie schnell gibt es Nachfragen etwa wegen der Oberflächenrauhigkeit, weil der Estrich nicht mehr richtig geglättet werden konnte; auch in Sachen Verformungsverhalten und Anfälligkeit für Rissbildung bergen Schnellestriche gewisse Risiken, wenn nicht alles perfekt läuft. Die meisten Estrichleger verwenden diese Produkte daher nur, wenn es unbedingt sein muss. Natürlich bleiben sie unbestritten das beste Mittel, wenn der Kunde es wirklich eilig hat. Aber es gibt auch Alternativen.

FT: Welche Alternativen meinen Sie?

Sungen: Es gibt ja eine ganze Reihe von Möglichkeiten, mit denen der Bauherr die Estrichtrocknung bei Bedarf beschleunigen kann. Zunächst einmal würde ich aber immer raten, zu klären, was mit "trocken" eigentlich gemeint ist. Begehbar, belastbar oder belegbar? In der Regel geht es dem Bauherrn ja nur um den Termin, an dem der Oberboden verlegt werden kann; manchmal ist ihm nicht bewusst, dass man den Estrich bereits lange vorher - bei Calciumsulfatestrichen schon nach wenigen Tagen - begehen kann, so dass der Innenausbau überhaupt nicht behindert wird. Die Trockenzeit ist also nicht verloren. Wenn es dann trotz allem fix gehen muss, muss man eben doch zum Zauberstab greifen - aber das muss nicht unbedingt mit hohen Kosten verbunden sein. In 95% der Fälle reicht es meiner Erfahrung nach völlig aus, wenn der Estrich schon nach drei bis vier Wochen belegbar ist - statt in den sonst üblichen sechs bis acht Wochen. Meist ist nach der Estrichverlegung ohnehin noch so viel zu tun, dass alle Kosten, die für eine noch schnellere Belegreife aufgewendet werden müssen, zum Fenster herausgeschmissen wären. Wichtig ist doch meist nur, wie schnell der Estrich begehbar ist.

Das Problem ist, dass der Estrich das letzte große Gewerk vor dem Einzugstag ist. Wenn vorher irgendwelche Termine nicht gehalten werden konnten, ist der Estrichleger oft derjenige, der die Zeit wieder reinholen muss. Das darf aber nicht auf Kosten der Qualität gehen. Die Nachbearbeitung von Fehlern im Estrich kostet Zeit und Geld. Der Bauherr kann zu Recht auf die Ausschreibung verweisen und auf ein einwandfreies Produkt pochen. Estrichleger tun also gut daran, einen kühlen Kopf zu bewahren: Mit einem gut gespitzten Bleistift kann man viele Kunden überzeugen, denn ordentlich durchgeführtes Handwerk schützt vor Reklamationen - und hilft, Kosten zu sparen. Wer auf Schnellzusatzmittel oder gar Schnellzementestriche verzichtet und ein wenig vorausschauend plant, spart bei 100 qm Bodenfläche locker einige hundert Euro. Damit kann man den Bodenbelag finanzieren - sogar einen guten.

FT: Was ist denn der Unterschied zwischen "Schnellzusatzmitteln" und "Austrocknungsbeschleunigern" wie Ihrem Meborapid?

Sungen: Schnellzusatzmittel funktionieren nach Angaben der meisten Hersteller, indem sie Wasser auf komplexe Weise chemisch binden. Damit können Sie in der Tat schon nach sieben bis acht Tagen am Ziel sein, müssen dafür aber auch einiges auf den Tisch legen. Meborapid arbeitet nach einem viel simpleren Prinzip: "Was nicht drin ist, muss auch nicht raus." Unser Zusatz erlaubt es, Estrich mit weniger Wasser herzustellen, also die gewohnte Konsistenz des Mörtels mit viel weniger Flüssigkeit zu sichern. Das eingesparte Wasser muss dann auch nicht verdunsten. Damit sparen Sie locker 30 bis 40% der Normaltrockungszeit ein und können in manchen Fällen die Trocknungszeit sogar halbieren. Und das zu einem Preis, der weit unter dem Preis von Schnellzusatzmitteln liegt - und bei einem Bruchteil dessen, was Sie für Schnellzementestriche ausgeben müssen.

FT: Die Hälfte der Trocknungszeit ist immer noch eine Menge.

Sungen: Ja, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Zunächst einmal hängt die Trockenzeit natürlich auch von anderen Faktoren ab wie der Dicke des Estrichs. Ganz entscheidend ist, wie effektiv man das Wasser entfernt. Auch Schnellzemente brauchen länger, wenn man das nicht für das Abbinden benötigte Wasser am Verdunsten hindert. Typische Fehler sind liegengelassene Baumaterialien oder auf dem Boden ausgebreitete Folien, die das Trocknen des Estrichs verhindern. Außerdem ist auf einen vernünftigen Luftaustausch zu achten - wenn die Fenster verhängt sind, bleibt das Wasser im Gebäude. Bei Schnellestrichen handelt man sich dann zum Teil Probleme durch Rückfeuchtung ein.

FT: Eine Halbierung der normalen Trocknungszeit könnte dann immer noch mehr als 3 Wochen Trocknungszeit bedeuten, wie kommen Sie runter auf die angesprochenen drei Wochen?

Sungen: Durch Heizen und künstliche Trocknung. Ideal ist eine Fußbodenheizung in Kombination mit einer wirtschaftlichen künstlichen Trocknung. Ein Estrich, der mit Meborapid gefertigt wurde und dem das Wasser per "Föhn" und "Feuer von unten" forciert entzogen wurde, ist in 10 bis 20 Tagen belegreif. Je schneller die Feuchtigkeit abgegeben werden kann, desto besser ist übrigens auch die Festigkeitsentwicklung des Estrichs.

Die künstliche Trocknung hat sogar noch einen weiteren Vorteil: Sie entfernt Wasser auch aus dem Rest des Gebäudes. Viele kennen noch die Weisheit: "Durch einen Bau muss der Winter gegangen sein." Das hat einen ganz einfachen Grund: In der kalten Jahreszeit ist die Luft bekanntlich trockener als im Sommer. So kann sie insbesondere bei Erwärmung viel Wasser aufnehmen. Fachleute wissen, dass Feuchtigkeit die Schadensursache Nummer eins ist: Sie fördert zum Beispiel das Wachstum allergieauslösender Schimmelpilze und führt zu höheren Heizkosten, denn Wasser leitet die Wärme nun mal exzellent. Wer also den Bau aktiv trocknet, gibt nicht nur seinem Estrich die Sporen, sondern tut auch was fürs Portemonnaie, denn das Gebäude hält die Wärme dann von Anfang an besser in den beheizten Innenräumen.

FT: Gilt das Prinzip "Heizung und künstliche Trocknung" auch für Zementestriche?

Sungen: Da gibt es in der Tat ein paar Unterschiede zu beachten. Calciumsulfatestriche trocknen von Haus aus anders als Zementestriche. Bei letzteren kann man erst zehn Tage nach der Verlegung mit der künstlichen Trocknung beginnen; die Fußbodenheizung darf man gar erst 21 Tage nach der Verlegung des Estrichs einschalten - bei Calciumsulfatestrichen kann es dagegen schon nach sieben Tagen mit dem Heizen losgehen, und ab dem Zeitpunkt der Begehbarkeit mit der künstlichen Trocknung.

Die Ursache liegt in der unterschiedlichen Festigkeitsentwicklung begründet: Zementestriche neigen dazu, das in ihnen enthaltene Wasser zunächst sehr rasch abzugeben. Darum muss man sie in den ersten Tagen nach der Verlegung sogar vor zu schnellem Austrocknen schützen, sonst trocknet die obere Randschicht zu schnell und zieht die Fläche zusammen - der Grund für die gefürchteten Aufschüsselungen. Hier liegt übrigens auch die Erklärung für das weitaus geringere Schwindverhalten der Calciumsulfatestriche: Sie trocknen einfach schneller und homogener durch als Zementestriche. Dadurch kann man Calciumsulfatestriche auch eher der Zugluft aussetzen und früher den Kondensationstrockner anschalten.

Meborapid verkürzt aber auch die Austrocknungszeit von Zementestrichen. Und da damit weniger Wasser zu entfernen ist, verringert unser Austrocknungsbeschleuniger gerade bei Zementestrichen die Probleme, die mit einer falschen Trocknung verbunden sind, verringert also das Schwind- und Schüsselungsverhalten und sorgt für eine geringere Rissanfälligkeit. Das Mittel ist also ausdrücklich auch für Zementestriche zu empfehlen, auch wenn hier keine Temporekorde zu brechen sind.

FT: Ihre abschließende Empfehlung?

Sungen: Mit der Kombination Calciumsulfatbinder, Meborapid, künstliche Trocknung und Fußbodenheizung schafft man die Belegreife-Schallmauer in vielen Fällen schon in 17 bis 21 Tagen - und kann auf die Sicherheit setzen, die die Arbeit mit einem gewohnten Material mit sich bringt.


Dreimal schneller - trotzdem preiswert

Ein kleines Rechenexempel von Lanxess erklärt, wie man bei der Estrich-Trocknung den Turbo einlegen kann - ohne tief in die Tasche greifen zu müssen. Familie Mustermann baut ein Einfamilienhaus mit etwa 120 qm Wohnfläche. Sie hat sich für eine Warmwasser-Fußbodenheizung entschieden - optimale Voraussetzungen für die Verlegung eines modernen Calciumsulfatestrichs. Die Dicke des Estrichs soll 65 mm betragen. Die "normale" Trocknungsgeschwindigkeit lässt sich mit einer Formel aus der Betontechnologie bestimmen: "Trockenzeit = Dicke des Estrichs (in cm) zum Quadrat multipliziert mit dem Faktor 1,6" - in diesem Fall sind das 60 bis 70 Tage. Da der Bezugstermin aber bereits sehr nahe gerückt ist, soll der Estrich nun schon nach drei Wochen mit einem keramischen Belag versehen werden. Ist das ohne teuren Schnellzementestrich oder Schnellzusatzmittel zu schaffen?

Die Antwort ist: Ja. Bereits durch Zusatz des Trocknungsbeschleunigers Meborapid von Lanxess zum Mörtel reduziert sich die Wartezeit um etwa 30 bis 40%. Das bedeutet: 26 Tage abziehen - ohne, dass der Estrichleger auf vertraute Binder und gewohnte Konsistenz des Mörtels verzichten muss. Zweiter Vorteil: Calciumsulfatestriche können schon fünf bis sieben Tage nach der Verlegung beheizt werden (Zementestriche erst nach frühestens 21 Tagen). Das verkürzt Familie Mustermanns Wartezeit um weitere 14 Tage. Außerdem können die Bauherren schon zwei Tage nach Verlegung die künstliche Trocknung anwerfen. So sparen sie noch einmal sieben Tage Trocknungszeit - und im ersten Jahr nach dem Bezug einen Batzen Heizkosten, da die künstliche Trocknung auch wärmeleitende Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk entfernt.

Resultat: Der Oberboden kann schon 17 bis 21 Tage nach der Estrichverlegung aufgebracht werden. Drei Wochen sind also kein Problem - auch ohne deutlich kostspieligere Schnellzusatzmittel. Und der Estrich ist bereits zwei Tage nach Verlegung begehbar, so dass der Innenausbau zügig vorangehen kann.

Letztendlich spart man durch die verkürzten Trocknungszeiten auch noch Mietkosten für die bisherige Wohnung und Finanzierungskosten.
aus FussbodenTechnik 02/07 (Sortiment)