Dr. Frank Steffel über Perspektiven, Chancen und Strategien des Großhandels

"Leistung lohnt"

Dr. Frank Steffel hielt auf der diesjährigen GHF-Tagung in Magdeburg (Bericht in BTH Heimtex 10/06) einen vielbeachteten Vortrag über die Perspektiven, Chancen und Strategien des Großhandels. Besondere Brisanz erhielt seine Rede dadurch, dass er einen Tag vorher Mitbewerber Dresing und kaum drei Wochen vorher den Hamburger Grossisten Rettberg übernommen hatte und er diese Akquisitionen in seine Ausführungen miteinfließen ließ. Dabei hielt er sich mit Kampfansagen zurück, verteilte nur dezent kleine Spitzen in Richtung Wettbewerb. Die Rede im Wortlaut:

Der Wettbewerb ist härter geworden und die Konsolidierung unserer Branche schreitet mit zunehmender Geschwindigkeit voran. So fragen sich viele mitteiständische Unternehmer und traditionsreiche Firmen, was die richtige Strategie für die Zukunft ist.

Herr Wagner hat in einem beachtenswerten Interview im Sommer zu Recht gesagt: "Der Großhandel wird leider oft von der operativen Tagesarbeit überrannt und vernachlässigt deshalb den strategischen Bereich der Unternehmensführung!

Der Vorstandsvorsitzende von Tarkett, Marc Assa, hat auf dem Copa Forum im Mai gesagt: "Konsolidierung und Konzentration führt zu effizienten Marktstrukturen. Die Dynamik der Märkte wird die langsamen Mitspieler überrollen."

Ich weiß nicht, ob Herr Assa recht hat und ich weiß auch nicht, ob seine Prognose Produzenten oder Dienstleistern galt. Aber ich weiß, dass Wachstum und Expansion mittel- und langfristig die einzigen Möglichkeiten sind, dauerhaft positive Betriebsergebnisse zu erzielen und somit den Lebenszyklus eines Unternehmens zu verlängern.

Denn jedes Unternehmen, dass länger als zwei bis drei Jahre stark rückläufige Umsätze hat, wird selbst bei hartem cost cutting Ergebnis-, Liquiditäts und Kapitalprobleme bekommen. Dieses Unternehmen vernichtet sein Vermögen und stirbt in der Falle zwischen sinkenden Roherträgen und proportional höheren Kosten. Die Möglichkeiten für einen Befreiungsschlag oder eine Sanierung werden mit zunehmendem Zeitablauf immer geringer.

Wenn Unternehmen in eine schwierige Situation geraten, sind auch wir Unternehmer und Führungskräfte selten um eine Ausrede oder Begründung verlegen. Es ist dann "die Konjunktur", "die Globalisierung", "die Politik", "der unfaire Wettbewerb", "die schlechten Mitarbeiter" oder gar "die untreuen Kunden".
Wir sollten aber selbstkritisch eines festhalten: Für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens sind zuerst wir, die Unternehmer und Führungskräfte verantwortlich, niemand sonst.

Da eine allgemeine wirtschaftliche Konjunktur in Deutschland ebenso wie eine Branchenkonjunktur eher unwahrscheinlich sind, bleibt uns allen nur eine Firmenkonjunktur als Ausweg.

Sehr passend hat der außergewöhnlich erfolgreiche Großhandelsunternehmer Reinhold Würth einmal gesagt: Jedes Unternehmen wird eines Tages sterben. Es ist ein sterblicher Organismus, wie jeder andere auch. Die unternehmerische Kunst ist es, das Unternehmen lange genug jung zu halten. Wachstum durch Ideen ist das beste Rezept."

Und nur deshalb sitzen heute viele unter uns, die zufrieden sind, Geld verdienen und positiv in die Zukunft blicken und hoffentlich nur wenige, die pessimistisch sind, Geld verlieren und keine Freude an ihrem Unternehmertum haben.

Eine alte Weisheit behauptet: "Sparen tun Narren, Geld sinnvoll einsetzen, ist die Kunst der Unternehmensführung."

Diese einfache Einsicht scheint heute aber vielerorts nicht mehr zu gelten. Denn es geht nur noch um Sparmaßnahmen, Kostensenkungen, Entlassungen oder sog. Restrukturierungen, mit denen eher destruktiver denn konstruktiver Umbau gemeint ist. Dabei wird bei aller notwendigen Differenzierung ein wesentlicher Zusammenhang vergessen: Noch nie ist etwas durch Sparen entstanden oder gar geschaffen worden immer nur durch sinnvolle Investitionen.

Mutige Menschen haben in Ideen, Erfindungen und Träume investiert und somit die Welt verändert. Oft taten diese Unternehmerpioniere das unter Einsatz ihres ganzen Vermögens und sogar ihrer eigenen Gesundheit.

Wenn ich hier in die Reihen schaue, denke ich sofort an große Unternehmerfamilien und Persönlichkeiten wie die Familien Geiger, Veeser, Jordan, Fries, Engelhard aber auch an meine Eltern.

Hätte die Generation meiner Eltern und Großeltern, übrigens unter weitaus schwierigeren Rahmenbedingungen, nicht an die Gegenwart und Zukunft Deutschlands geglaubt, wäre das deutsche Wirtschaftswunder nicht möglich gewesen.

Mut, Risikobereitschaft und eigenverantwortliches Handeln waren neben dem Engagement vieler zumeist mittelständischer Unternehmer und deren Mitarbeiter die entscheidende Grundlage für diese großartige Aufbauleistung.

So wurden gerade in Deutschland nach dem Krieg von fleißigen Männern und Frauen im Mittelstand Werte geschaffen, die nun kleingeistige Kostenmanager wieder zerstören oder die nach lauter Kostenmanagement so am Boden liegen, dass nur noch ein Sanierer oder Insolvenzverwalter helfen kann.

Auch bei radikalsten Sparmaßnahmen handelt es sich niemals um eine Strategie, sondern immer nur um eine Notfallmaßnahme. Umso mehr ist es falsch, wenn reine Kostensenkungsmaßnahmen als Strategie verkauft werden, obwohl sie nur zur kurzfristigen Steigerung des Gewinns und der Vorstandsgehälter mancher DAX Unternehmen führen. Ein Zeichen nachhaltiger Unternehmensführung ist es jedoch auf keinen Fall.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: In einer Krise kann es notwendig sein, große Einschnitte auf der Kostenseite zu tätigen, aber nur für kurze Zeit und nur als Krisenstrategie ist diese besondere Form des kurzfristigen Sparens sinnvoll. Sobald die Genesung einsetzt, geht es wieder darum, sinnvoll zu investieren.

Deshalb haben wir als Unternehmensgruppe vor zwei Jahren unsere Kampagne "Leistung lohnt!" ins Leben gerufen. Wir wollten beweisen, dass auch in volkswirtschaftlich schwierigen Zeiten Wachstum und Expansion möglich und auch in unserem Markt die Chancen größer als die Risiken sind. Wir haben auf Firmenkonjunktur gesetzt und auf die Kraft und Motivation unserer Mitarbeiter für ein großes Ziel auch großes zu leisten.

Und es gibt in unserer Branche viele unterschiedliche Wege und Beispiele für erfolgreiches Unternehmertum. Schauen Sie sich die Entwicklung der Firma Jordan an, die Konzepte der Decor Union, die Dynamik der Farbhersteller und ihrer Großhändler, die Zukäufe der Dura oder der Condor Gruppe, die Betriebsergebnisse von Uzin, die Kraft von Tarkett, die Erfolge von AS, die Kreativität von JAB, das Wachstum der Malereinkaufsgenossenschaften, die Entwicklung von Headlam in Großbritannien und vieles andere mehr.

Und so haben auch wir uns in den vergangenen Jahren gegen den Markt für eine klare Wachstumsstrategie entschieden und setzen diese mit kontinuierlich steigenden Betriebsergebnissen konsequent um. Wir haben unseren Umsatz durch externes und internes Wachstum in den vergangenen 15 Monaten fast verdoppelt und wollen unseren Umsatz in den kommenden Jahren bei weiterhin steigenden Jahresüberschüssen nochmals verdoppeln und mittelfristig verdreifachen.

Einen weiteren wichtigen Schritt haben wir durch die Übernahmen der Firmen Rettberg und Facta sowie der Dresing Gruppe realisieren können. Aber auch ohne Zukäufe wachsen alle unsere Firmen im Jahr 2006 und alle unsere Vertriebsunternehmen haben für 2007 die Zielstellung zweistellig zu wachsen.

Wir haben mit dem deutschlandweit flächendeckenden Vertrieb und der Bearbeitung aller Kundengruppen eine Alleinstellung. Unsere 180 Außendienstmitarbeiter arbeiten von der dänischen bis zur schweizer und von der französischen bis zur tschechischen Grenze. Wir beliefern von der Metro bis zum Sattler, vom Discounter bis zum Fachgeschäft 20.000 Kunden aller Größe und Struktur in ganz Deutschland.

Wir sind davon überzeugt: Nur Expansion und Wachstum sichern in der Zukunft einen leistungsfähigen Vertrieb im Interesse aller Marktteilnehmer vom Produzenten bis zum Konsumenten.

Unsere Branche braucht strategisch klar positionierte, zukunftsorientierte und deutschlandweit handelnde Vertriebsunternehmen. So sind auch unsere jüngsten Akquisitionen Rettberg, Facta und Dresing sowie die Gründung eines übrigens sehr schönen großen, neuen Thomas Standortes in Leipzig zu verstehen. Da ich die genauso bösartigen wie unqualifizierten Gerüchte über die Insolvenz der Firma Dresing kenne, möchte ich dazu klar Stellung beziehen.

Nur etwa 1 Prozent der Insolvenzen in der Bundesrepublik Deutschland können zurückgenommen werden. Die gesetzlichen Vorgaben für die Rücknahme einer Insolvenz sind zu recht sehr hoch.

Einer dieser wenigen Fälle ist durch unser Engagement bei Dresing möglich geworden.

Am gestrigen Tag hat das Amtsgericht Gütersloh unserem Antrag auf Rücknahme der Insolvenz zugestimmt und der am vergangenen Donnerstag zwischen Herrn Dresing und mir geschlossene Kaufvertrag ist wirksam geworden.

Am heutigen Tag sind alle Konten wieder geöffnet, frisches Kapital in erheblichem Umfang fließt dem Unternehmen zu und alle fälligen Rechnungen insbesondere die Gehälter von August und September werden durch uns in den nächsten Stunden bezahlt.

Ein Traditionsunternehmen konnte in vollem Umfang erhalten werden und alle Arbeitsplätze ebenso. Die durch uns ermöglichte Rücknahme des Insolvenzantrages war im Interesse unserer Branche und hat uns allen bei Kreditversicherern und Banken geholfen. Eine weitere bedeutende Insolvenz wäre zum Schaden aller Marktteilnehmer gewesen.

Während andere an der Zerschlagung bzw. Zerstörung der Firma Dresing gearbeitet haben, haben wir dafür gekämpft über 130 Arbeitsplätze zu erhalten, die Standorte fortzuführen, den Großhandel zu stärken und uns allen eine große Insolvenz zu ersparen und dafür zu sorgen, dass kein Warenlieferant oder Kreditversicherer Geld verliert.

Wir erwarten keinen Dank, aber eine ehrliche Kommentierung unseres Engagements und anstelle übler Nachrede Wahrhaftigkeit. Es hat kein Warenlieferant Geld verloren, kein Kreditversicherer auch nur einen Cent erstatten müssen und über 130 Arbeitsplätze konnten stichtagsbezogen erhalten werden. Wir werden Dresing als eigenständiges Unternehmen erhalten und fortführen und schnell wieder auf Wachstums und Ertragskurs bringen. Das ist die Wahrheit.

Auch dieses Engagement sehen wir als Ausbau unserer Marktführerschaft in dem für uns relevanten Markt und definieren Marktführerschaft dabei sehr weitgehend.

Für uns bedeutet Marktführerschaft nicht nur einen hohen Umsatz, sondern auch das umfangreichste und tiefste Produktsortiment, das größte Lagerprogramm, die beste und zuverlässigste Logistik, die stärksten Marken, die attraktivsten Kollektionen und vor allem die Trend- und Themenführerschaft.

Ich sage ausdrücklich nicht, dass wir das alles bereits erreicht haben. Aber unsere Mitarbeiter kennen diese Ziele, werden daran gemessen und arbeiten täglich hart an der Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele.

Wir sind davon überzeugt, dass wir mit über 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, über 180 fest angestellten Reisenden und je nach Definition 18.000 bis 20.000 Kunden ein Beweis für leistungsfähigen dreistufigen Vertrieb und damit für die Existenzberechtigung des deutschen Bodenbelagsgroßhandels sind.

Wir als Unternehmensgruppe haben heute einen Anteil am für uns relevanten Großhandelsmarkt von vielleicht 10 oder mehr Prozent. Also haben wir weiterhin große Chancen und können noch erheblich wachsen. Und nachhaltiges, kontinuierliches Wachstum ist unser Ziel für die kommenden Jahre. Wir wollen mittelfristig einen Marktanteil von deutlich über 20 Prozent erreichen und unsere Marktführerschaft dauerhaft sichern.

Wenn man alles hat, um zu wachsen, nämlich Kunden, Lieferanten, Märkte, Produkte, Kapazitäten, gute Mitarbeiter, Know How, eine ausreichende Finanzierung und Spaß an der Arbeit dann muss man es auch tun. Wenn man es trotzdem nicht tut, wird man seiner Verantwortung, die uns Unternehmern auch durch unser besonderes Talent zuwächst, nicht gerecht. Nicht nur Eigentum verpflichtet, sondern auch Talent, Gesundheit und Freiheit. Wer Chancen hat, muss sie auch wahrnehmen. Dies mag sich pathetisch anhören, ist aber ein wesentlicher Teil meiner Einstellung, also unserer Unternehmensphilosophie und für mich persönlich Maßstab und Selbstverpflichtung zugleich.

Ich weiß nicht, ob es für den Großhandel eine Idealgröße gibt, aber ich weiß, dass Großhandel nicht ohne Grund Großhandel heißt.

- Insofern muss die Frage gestattet sein, ob Großhändler mit 200.000 Euro Umsatz in einzelnen Warengruppen strategisch richtig aufgestellt sind?
- Erfüllen Großhändler ohne eigenes Lager in bestimmten Produktgruppen wirklich ihre Funktion?
- Sind Großhändler mit durchschnittlich 70.000 Euro Einkaufsvolumen pro Lieferant für internationale Produzenten auf Dauer wirklich interessant?
- Gibt es zukünftig eine logistische Funktion für Großhändler mit drei LKWs?
- Braucht der Großhandel wirklich Lieferanten mit 10.000 Euro Jahresumsatz?
- Sind Kunden mit 500 Euro Jahresumsatz wirklich zukunftsfähige Großhandelskunden?
- Gibt es für Couponlieferungen von 8 qm eines belgischen Global Players nach Passau wirklich eine Begründung?
- Müssen Warenlieferungen im Wert von 35 Euro tatsächlich frei Haus erfolgen?
- Soll es ein Dauerzustand bleiben, dass 20-40 Prozent unserer mit viel Liebe und Hingabe entwickelten Kollektionen keinen Umsatz machen?
- Ist eigentlich die kostenlose Abgabe von Kollektionen gesetzlich festgelegt?
- Sind lange Valuten ohne Lagerhaltung betriebswirtschaftlich begründbar?
- Sollten unsere Außendienstmit-arbeiter nicht mehr als bisher variabel entlohnt werden?
- Sind Fixlieferungen von drei Eimer Kleber morgens um 6.00 Uhr auf die Baustelle wirklich kostenlos notwendig?
- Soll es zum Dauerzustand werden, dass in bestimmten Regionen LKWs mit sechs Kundenkommissionen unseren Hof verlassen?
- Warten Endverbraucher auf Möbel wirklich 18 Wochen, aber auf Bodenbeläge nicht einmal 18 Stunden?

Ich kenne nicht für all diese Fragen eine abschließende Antwort, aber ich habe für meine Unternehmensgruppe die Konsequenzen aus diesen Fragen gezogen.

Und ich bin davon überzeugt, dass trotz dieser offenen Fragen langfristig kein bedeutender Hersteller auf eine gut erbrachte Großhandelsleistung verzichten kann.

Wie viele Außendienstmitarbeiter und regionale Niederlassungen für Kundennähe und Beratung sollte dieser Global Player denn ansonsten im Vertriebsgebiet Bundesrepublik Deutschland unterhalten?

Und ich bin dafür, dass wir unserer Branche neue Spielregeln geben und gemeinsam für Ordnung sorgen.

Ich glaube hier gibt es eine Menge Handlungsbedarf, Arbeitsfelder und eine wirklich wichtige Funktion des GHF sowie der anderen Verbände und Organisationen unserer Branche.

Denn selbst die größten Großhändler haben eine Schwäche: Sie können nicht überall einkaufen und alle Hersteller glücklich machen. Insofern brauchen wir eine starke Wettbwerbskultur. Wir brauchen eine breite, leistungsfähige Großhandelsstruktur. Denn die Bedeutung des Großhandels wird steigen, auch wenn seine Anzahl abnimmt.

Deshalb drängen sich natürlich beim Studieren der GHF Statistik zwei Fragen auf:

- Macht es uns wirklich stärker, dass rund zwei Drittel der Mitglieder des GHF unter 10 Mio. Euro Umsatz machen?
- Ist es wirklich sinnvoll, dass in ihrem Verband fast 40 Prozent der Mitglieder ein Einkaufsvolumen von nur 23 Mio. Euro über alle Produktgruppen verteilt haben?

Und da Markteintritte in den kommenden Jahre nicht mehr zu erwarten sind, wird die Gesamtzahl der Großhändler durch Übernahmen, Insolvenzen und Zusammenschlüsse weiter deutlich abnehmen. Dies ist auch gar nicht schlimm, wenn sich insgesamt die Leistungsfähigkeit des deutschen Bodenbelagsgroßhandels dadurch verbessert.

Parallel zu diesem Prozess ist aber die Industrie gefordert. Wenn Hersteller in Zukunft mehrstufig verkaufen wollen, erfordert dies eine stringente Preispolitik und eine feste Steuerung der Vertriebsmannschaft. Ansonsten wird der Hersteller kurz-, mittel- und langfristig Bedeutung und Volumen einbüßen und in einem schleichenden Prozess als Großhandelslieferant verschwinden.

Wir als Unternehmensgruppe werden im Interesse des deutschen Großhandels darauf drängen, dass Klarheit Geradlinigkeit und Berechenbarkeit in den Vertrieb kommen. Wir sind uns unserer Verantwortung als Marktführer für die Strukturen der Wertschöpfungskette sehr wohl bewusst und werden diese wahrnehmen. Harter Wettbewerb ist gut und motiviert zu Höchstleistungen, aber Konzeptlosigkeit und Unaufrichtigkeit zerstören eine Branche und entwerten unsere schönen Produkte.

Von uns allerdings zu verlangen, dass wir die größen und wachstumsbedingten Vorteile auf der Beschaffungsseite nicht wahrnehmen, ist bei allem kollegialen Wettbewerb etwas viel verlangt. Hier sollte sich ein Verband nicht durch einzelne Mitglieder missbrauchen lassen. Dies stärkt den deutschen Großhandel nicht, sondern schadet ihm.

Wir leben in veränderungsbeschleunigten Zeiten. Fraglos war in den vergangenen Jahren die Stimmung immer schlechter als die Lage. Vielen Unternehmen ist es gelungen sich zu konsolidieren. Doch der Eindruck eines rosaroten Frühlingserwachens täuscht. Tatsächlich befinden sich unsere Handels und Konsumwelten in heftigen Turbulenzen.

Mit der Karstadt-Pleite vor zwei Jahren wurde endgültig eine Ära besiegelt, die sich auf die Begriffe Masse und Standardisierung verlassen konnte.

Doch eigentlich war Karstadt zu dieser Zeit schon ein Handels- Dinosaurier, ein Überlebender aus längst vergangenen Zeiten. Karstadt wurde zur Kollektivmethapher für diese versinkende Welt des Massenkonsums. Mundduschen und MP3-Player, Zierfische und Heizdecken, Schuhspanner und Flusskrebse, Billigschmuck und Samsonite Koffer alles so aufeinander getürmt, dass die Verkäufer genügend Platz fanden, sich vor den Kunden zu verstecken.

Doch Karstadt war am Ende nur noch das Symbol für das Ende des Gemischtwarenhändlers. Wer einen diffusen Massengeschmack zu erreichen versucht, erreicht schlussendlich gar niemanden mehr.

Auch viele Großhändler waren lange Jahre Gemischtwarenhändier ohne klares Profil, ohne einen USP, ohne einen eindeutigen Kundennutzen. Aber gerade in gesättigten Märkten entwickelt die Marktwirtschaft ihre zerstörerische und marktbereinigende Wirkung. Die Überlebenden werden den kleineren Kuchen in größere und ertragreichere Stücke zerteilen.

Wir können und werden diese Entwicklung, die durch die Globalisierung, den Generationswechsel, das Internet, die Sättigung der Märkte, das Rating der Banken, die Einführung des Euro, die Erweiterung Europas und vieles andere mehr noch verschärft wird, nicht stoppen.

Ob das gut oder schlecht ist, ist dabei gar nicht relevant. Wir müssen uns diesen Entwicklungen stellen und unsere Unternehmensstrategien darauf ausrichten. Wir befinden uns in einer Welt, in der man aufsteigen kann, viele Menschen und viele Länder tun das, aber auch - eine völlig neue Erfahrung für uns erfolgsverwöhnte Deutsche - ganz schnell absteigen kann.

In einer Welt in der es mehr Chancen gibt, nimmt auch die Unsicherheit zu. Es sind wir, und nicht die anderen, die in diesem Prozess der Globalisierung, wenn wir nicht aufpassen, eine Menge zu verlieren haben.

Ich habe vor knapp zwei Jahren vor über 1.500 Gästen auf unserem Galaabend anlässlich des Starts unserer Kampagne "Leistung lohnt" eine leidenschaftliche Rede für etwas gehalten. Nämlich für den Standort Deutschland, für den Mittelstand und für unsere Branche. Und ich würde mich freuen, wenn Sie auch meine heutige Rede als ein Plädoyer für den dreistufigen Vertrieb und damit als Credo für den deutschen Bodenbelagsgroßhandel verstehen.

Ein junger amerikanischer Präsident hat 1963 gesagt: "Unsere Probleme sind von Menschen gemacht, also können sie auch von Menschen gelöst werden."

Expansion, Wachstum und Firmenkonjunktur sind auch in volkswirtschaftlich schwierigen Zeiten möglich. Dafür gibt es auch in unserer Branche genügend Beispiele.

Vielleicht ist mir gelungen, mit meinen Gedanken ein kleines bisschen dazu beizutragen, dass wir uns in der Analyse einig sind, näher zusammenrücken und unsere Probleme gemeinsam lösen.

Für den Standort Deutschland, für den Mittelstand und für unsere Branche wäre diese Einsicht zumindest hilfreich.

Nicht nur weil ich gerade beim Berlin Marathon eine neue persönliche Bestzeit gelaufen bin, glaube ich, dass gewissenhafte Vorbereitung, konsequentes Festhalten am für richtig erkannten Weg und langer Atem die wichtigsten Voraussetzungen für dauerhaften Erfolg sind.

Für den notwendigen Erfolg meiner Unternehmensgruppe glaube ich die richtigen Strategien zu haben und wünsche Ihnen mit Ihren individuellen Strategien beruflich Erfolg und persönlich Spaß und Freude an der Entwicklung ihrer Unternehmen.
aus BTH Heimtex 11/06 (Wirtschaft)