Interview mit Jürgen Hinz, Präsident des Hauptverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz

"Branche braucht Köln als zentralen Treffpunkt"

"Prima Klima" für die "Farbe - Ausbau & Fassade" (FAF): Eine leichte Zunahme bei den Betriebsgründungen des Maler- und Lackiererhandwerks signalisiert, dass die seit Jahren stark rückläufige Tendenz dieses Berufsstandes vorerst gestoppt sein dürfte. Gegenwärtig sind rund 41.600 Firmen mit 196.000 Beschäftigen in die Handwerksrolle eingetragen. Jürgen Hinz, Präsident des Hauptverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, schilderte in einem Gespräch mit BTH Heimtex die Branchensituation und was sich das Handwerk von Köln verspricht.

BTH Heimtex: Herr Hinz, wie ist die Stimmung in den Malerbetrieben im Vorfeld der Farbe?

Jürgen Hinz: Die für das Malerhandwerk typische Wintersituation stellt sich in diesem Jahr nicht. Dazu blieb der Mehrwertsteuerschock in dem erwarteten Umfang aus. Die Betriebe sind also relativ gut ausgelastet und die Stimmung ist dementsprechend gut.

BTH Heimtex: Das soll aber nicht heißen, dass Sie rundum zufrieden sind?

Hinz: Natürlich gibt es eine ganze Reihe Kritikpunkte, zum Beispiel dass Reformen, die sich für die kleinen und mittelständischen Firmen positiv auswirken sollen, in Berlin viel zu langsam vorangetrieben werden. Nach dem Debakel auf dem Gesundheitssektor, hat in der großen Koalition offensichtlich kaum noch jemand Interesse, weitere entscheidende Projekte anzugehen.

BTH Heimtex: Was fordern Sie konkret?

Hinz: Als große Belastung empfinden wir die Beitragssteigerungen der Krankenkassen sowie der Bau-Berufsgenossenschaften. Alles, was als Entlastung angekündigt wurde, ist bisher nicht eingetroffen. Den Reden der Politiker müssen endlich Taten folgen.

BTH Heimtex: Zurück zur "Farbe": Hier von einer internationalen Veranstaltung zu sprechen, wäre sicherlich ein wenig hoch gegriffen?

Hinz: Keineswegs: Der Anteil ausländischer Aussteller wird deutlich über 20% liegen, und dieses Niveau erwarten wir auch bei den Besuchern. Die Grundidee, in den Bereichen Farbe, Ausbau und Fassade eine europäische Leitmesse zu etablieren, nimmt mehr und mehr Formen an, was nicht nur uns auf Verbandsebene beflügelt, sondern auch die Industrie. Viele Aussteller sind weltweit aktiv und fühlen sich auf der "Farbe" durch die zunehmende Internationalisierung wesentlich besser aufgehoben als auf irgendeiner Regionalmesse im Ausland.

BTH Heimtex: Mit wie vielen Besuchern ist zu rechnen?

Hinz: 2005 kamen rund 55.000 Fachleute aus über 50 Ländern zur "Farbe". Vielleicht gelingt es uns in wenigen Wochen sogar, an der 60.000-Besucher-Marke zu kratzen. Damit die Multiplikatorwirkung noch überzeugender ist, sagen wir zu unseren Malern: Kommt nach Köln und bringt Eure besten Kunden gleich mit!

BTH Heimtex: Für die "Farbe" ist es sicher nicht förderlich, wenn nur wenige Wochen später die Hausmesse eines überregionalen Anbieters stattfindet?

Hinz: Solche Verkaufsveranstaltungen haben sicher ihre Berechtigung. Aber man muss auch mal die Kehrseite der Medaille beleuchten: Da werden Kunden kreuz und quer durch Deutschland gefahren, sie werden beköstigt und unterhalten, aber neue Kontakte finden nicht statt, wie immer wieder zu hören ist. Fest steht: Die Branche braucht einen zentralen Treffpunkt, wo alle Hersteller vertreten sind, die vom Handwerk ernst genommen werden, der für jeden ein Muss ist - und das ist nun einmal die "Farbe".

BTH Heimtex: Rechnen Sie auch mit ausländischen Handwerkern auf dem Branchentreff?

Hinz: Selbstverständlich. Am Messe-Freitag reisen zum Beispiel 380 dänische Malermeister mit zwei Fliegern an. Einiges bewirken dürfte auch die Berichterstattung der internationalen Fachpresse, die man sich kaum besser hätte vorstellen können.

BTH Heimtex: Das Gesamtbild der Messe wird allerdings ein wenig getrübt, da mit Akzo ausgerechnet der Weltmarktführer seine Teilnahme gecancelt hat.

Hinz: Wir bedauern das sehr. Wer auf dieser Veranstaltung nicht dabei ist, verpasst ganz einfach die große Chance, mit potenziellen Geschäftspartnern aus den Bereichen Putz, Stuck und Keramik in Kontakt zu treten. Andere globale Spieler wissen das sehr wohl zu schätzen. Im Übrigen war die Absage nach unserer Kenntnis eine reine nationale Entscheidung. Bis heute haben wir keine Information erhalten, wie die Aktivitäten aussehen sollen, mit denen das Malerhandwerk statt der Beteiligung an der FAF unterstützt werden soll und wie Marktimpulse gesetzt werden sollen.

BTH Heimtex: Was erwarten Sie sonst noch an Unterstützung von Seiten der Industrie?

Hinz: Statt über Partnerschaft zu reden, sollte man sie leben. Es muss das ureigene Interesse der Industrie sein, dass es dem Malerhandwerk gut geht. Wenn aber Hersteller den Markt selbst beackern, indem sie Angebote und Leistungsverzeichnisse erstellen, dann kann das leicht in die falsche Richtung driften. Es entspricht auch nicht unserer Interessenlage, wenn Produzenten Aktionen starten und dem Endverbraucher einseitig Preisvorteile einräumen. In solchen und ähnlichen Fällen würden wir uns eine engere Kooperation wünschen. Teilweise ist es in Gesprächen mit der Industrie gelungen, diese Defizite auszuräumen. Endverbraucherwerbung mit dem Malerhandwerk ist der richtige Weg, der Handwerker muss letztlich aber weiterhin die Entscheidung treffen, zu welchem Produkt er den Kunden bei der speziellen Baustelle rät.

BTH Heimtex: Mit welcher Botschaft wird sich der Hauptverband auf der "Farbe" in Szene setzen?

Hinz: Unter anderem wollen wir zeigen, dass viel für die Bildung getan wird. Außerdem wird ein großes Architektenforum die Verbindung des Malerhandwerks zu diesen wichtigen Entscheidern verdeutlichen. Die erste Veranstaltung dieser Art im Jahre 2005 zählte 400 Teilnehmer aus ganz Deutschland. Mit dem "Tag der Wohnungswirtschaft" wird aufgezeigt, wie das Handwerk auf aktuelle Herausforderungen des Immobilienmarktes reagiert. Zu den Schwerpunktthemen gehören "Energetische Sanierungen" sowie "Algen und Pilze an Fassaden". Darüber hinaus werden wir dokumentieren, dass die Innungsbetriebe nach Inkrafttreten der VOC-Richtl inie - Lösemittelreduzierung 1. Stufe - in der Lage sind, moderne Problemlösungen anzubieten. Aktuelle relevante Themen aus der Technik, der Betriebswirtschaft und der Bildung stellen wir in Kurzvorträgen im Rahmen unseres Vortragsforums "Fazination Farbe" vor. Besonders für die Betriebsinhaber wird dies ein Gewinn sein für seine tägliche Arbeit sein.

BTH Heimtex: Apropos "energetische Sanierungen": Die Wärmedämmung hat sich zu einem dominanten Tätigkeitsbereich entwickelt.

Hinz: Für die nächsten Jahre dürfte das auch so bleiben, da sowohl für die öffentliche Hand als auch für private Haushalte Fördermittel bereit stehen. Gegenwärtig wird kaum eine Fassade gestrichen, ohne dass zuvor Maßnahmen zur Wärmedämmung ergriffen werden. Das Maler- und Lackierer- Handwerk ist der mit Abstand größte Verarbeiter von Wärmedämm-Verbundsystemen. 75% aller WDVS - Arbeiten führt der Maler aus. Dieses Tätigkeitsfeld macht etwa bisher lediglich 15% vom gesamten Auftragsvolumen aus allen Tätigkeiten des Malerhandwerks aus. Dieser Anteil wird steigen.

BTH Heimtex: Wo wir schon bei Tätigkeitsfeldern sind: Wie entwickelt sich Tapete.

Hinz: Die Nachfrage zieht leicht an. Zum Glück gibt es genügend anspruchsvolle Kollektionen, die spezielles Know-how erfordern, so dass sich versierte Handwerker profilieren können. Die Kooperation mit den führenden nationalen Tapetenherstellern für eine Sonderschau auf der Messe und unsere jetzt verabredete Zusammenarbeit für ein neues Weiterbildungsangebot im Bereich Tapete für Lehrer und Ausbilder zeigt, wie wichtig uns dieses Marktsegment ist.

BTH Heimtex: Ist das Berufsbild des Malers bei jungen Menschen noch attraktiv? Wie sieht es mit weiterführenden Qualifikationen aus?

Hinz: Mit unserer neuen Ausbildungsordnung, die mit zu den modernsten in Deutschland gehört, sind wir auf dem richtigen Weg. Unterhalb des Gesellen gibt es jetzt den Bau- und Objektbeschichter. Diese Maßnahme war notwendig, da viele Betriebe ungelernte Mitarbeiter beschäftigen, denen die Chance geboten werden soll, sich auf einem etwas tieferen Level beruflich zu qualifizieren. Dadurch ergab sich die Möglichkeit, das Anforderungsprofil des Gesellen anzuheben, was ein Kerngedanke der neuen Ausbildungsordnung war. Die nächsten Stufen unterhalb des Meisters stellen - jeweils mit Befähigungsnachweis - der Vorarbeiter und der Baustellenleiter dar, wobei letzterer nach einem Anrechnungsverfahren und mündlicher Prüfung zum Meister aufsteigen kann. Damit steht jetzt eine regelrechte Karriereleiter zur Verfügung, so dass unser Handwerk auch für höher qualifizierte Schulabgänger attraktiv werden dürfte.

BTH Heimtex: Wie hoch ist die Ausbildungsleistung des Malerhandwerks konkret?

Hinz: Derzeit sind es ca. 35.000 junge Leute, die sich für den Beruf des Malers und Lackierers entscheiden. Im laufenden Ausbildungsjahr hatten wir eine Steigerung der Lehrverhältnisse um mehr als 6,5%. Dieses Niveau ist schon seit einigen Jahren konstant und ich bin sicher, dass es gehalten werden kann, auch wenn jetzt die geburtenschwächeren Jahrgänge auf uns zukommen. Damit handelt es sich weiterhin um einen der ausbildungsstärksten deutschen Handwerksberufe.

BTH Heimtex: Wird das Malerhandwerk auch in Zukunft die Kriterien zur Aufnahme in die Anlage A der Handwerksordnung erfüllen?

Hinz: Zumindest in dieser Legislaturperiode dürfte die Handwerksordnung nicht mehr thematisiert werden. Es wäre zu wünschen, dass für einen längeren Zeitraum Ruhe einkehrt, erst recht nach den Auswirkungen der letzten Novellierung, die beispielsweise dazu führte, dass sich die Zahl der Fliesenlegerbetriebe um das Zweieinhalbfache erhöht hat, bei gleichzeitiger Halbierung der Ausbildungsleistung und einem Rückgang der Beschäftigten

BTH Heimtex: Wie wichtig ist für Sie das Genossenschaftswesen?

Hinz: Wir brauchen die Genossenschaften als gute und verlässliche Marktpartner. Da aber der Genossenschaftsgedanke in seiner ursprünglichen Form kaum noch gelebt wird, könne ich mir als Gesellschaftsform genau so gut eine AG vorstellen. Die Genossenschaften sind als Selbsthilfeeinrichtungen von den Innungen gegründet worden, sie sollten ihren Auftrag auch weiterhin so verstehen und vertrauensvoll Verbände und Innungen in ihrer wichtigen Arbeit unterstützen.

BTH Heimtex: In welchen Bereichen sieht sich der Hauptverband besonders gefordert?

Hinz: Wir sind die Lobby für das Malerhandwerk, wenn es um das technische Regelwerk geht, die Aus- und Fortbildung, bei dem Rahmen der Tarif- und Sozialpolitik und bei der Stärkung des betriebswirtschaftlichen Denkens. Ein ganz wichtiges Thema ist für uns intern die Verbandsstruktur. Die Innungen müssen zum Teil noch mehr Dienstleister der Betriebe werden. Meine Idealvorstellung ist, unseren Mitgliedsfirmen regelrechte Kompetenzzentren zur Verfügung zu stellen, wo Fragen zur Technik, zur Tarifpolitik, zur Ausbildung oder zur VOB fundiert beantwortet werden. Dazu benötigen wir jedoch größere Einheiten, was schwer umzusetzen ist - aber wir arbeiten daran.


Zahlen und Fakten des Maler- und Lackiererhandwerks

Organisation: Hauptverband Farbe Gestaltung Bautenschutz Bundesinnungsverband des deutschen Maler und Lackiererhandwerks
Anschrift: Hahnstraße 70, 60528 Frankfurt a.M.
Telefon: 0 69 / 66 57 5 - 300
Fax: 0 69 / 66 57 5 - 350
E-Mail: hauptverband@farbe.de

Präsident: Jürgen Hinz
Hauptgeschäftsführer: Werner Loch

Maler- und Lackiererbetriebe
2006: 41.605 (davon 3.500 Fahrzeug-Lackierbetriebe und über 2.000 Mischbetriebe)
Beschäftigte: 196.000
Durchschnittliche Betriebsgröße: 4,7 Mitarbeiter
Gesamtumsatz: 10.5 Mrd. EUR

Betriebsgrößen:
49% 1 - 4 Beschäftigte
30% 5 - 9 Beschäftigte
15% 10 - 19 Beschäftigte
5% 20 - 49 Beschäftigte
1% 50 und mehr Beschäftigte

Beschäftigungsstruktur
Tätige Inhaber und Mitinhaber, Betriebsleiter 11%
Unbezahlt helfende Familienangehörige 2%
Un- und angelernte Arbeiter 9%
Angestellte 7%
Lehrlinge (gewerblich, kaufmännisch) 10%
Gesellen, Facharbeiter 51%
Alljährlich legen über 10.000 Lehrlinge die Gesellenprüfung und rund 1.200 Gesellen die Meisterprüfung ab.

Quellen: ZDH, Statistischen
Bundesamt, Hauptverband
aus BTH Heimtex 03/07 (Wirtschaft)