Kelim-Spezialist Oritep aus Hamburg

"Wer eine Marktnische besetzen kann, hat im Wettbewerb eine Chance"

"Wir machen alles, wofür wir im Bereich Wohnaccessoires einen Markt sehen", sagt Oritep-Geschäftsführer Clemens M. Bilkenroth. Unter dieser Devise hat er in der Vergangenheit auf den persischen Kelim gesetzt und das Sortiment von hier aus in angrenzende Produktsegmente ausgeweitet. Kelim-Kissen sind bereits Katalogware, Kelim-bezogene Kleinmöbel werden perfektioniert, und was man aus Djajims (Djidjims) fertigen kann, das befindet sich in der Experimentierphase.

In den vergangenen Jahren hat Clemens Bilkenroth das Hamburger Handelshaus Oritep umgestaltet. 1995 war er mit einer soliden kaufmännischen Ausbildung, absolviert bei einem bekannten deutschen Kaufhauskonzern, in das 1989 gegründete Unternehmen eingestiegen. Anfänglich hatte Oritep überwiegend mit feinen Knüpfteppichen gehandelt, aber die Qualität der Ware verfiel, der Einrichtungsstil in Europa änderte sich. Im Zuge dieser Entwicklung verlegte sich der am Brooktorkai ansässige Importeur auf Kelims. Daneben standen Gabbehs mit speziellen Mustern und Größen im Angebot.

Mittlerweile ist die gewebte Ware klarer Hauptbestandteil des Geschäftes. Statt einer beliebigen Sortimentsbreite will Bilkenroth in die Tiefe gehen. Spezialisierung ist das Gebot der Stunde. Wer eine Marktnische besetzen kann, hat im Wettbewerb eine Chance, ist er überzeugt. Deshalb gibt es den Kelim nicht nur in ungewöhnlichen Maßen, angefangen beim 20 x 20 cm großen Blumenuntersetzer, die Ware wird auch katalogisiert dargeboten - in einer Broschüre und im Internet.

Dem Kelim einen Standard gegeben

Katalogware anzubieten bedeutet, reproduzierbare Muster und erkennbare Qualität parat zu halten. "Wir haben drei Jahre gebraucht, um die Weber so zu trainieren, dass wir einen Katalog erstellen konnten", erklärt Bilkenroth. Weil es einen offiziellen Qualitätsstandard für Kelims nicht gibt, hat Oritep einen eigenen Maßstab gesetzt: 50 Ketten auf 10 Zentimeter. Bilkenroth: "Damit unser Produkt im Vergleich zu anderen gemessen werden kann."

Das ist gelungen. Oritep-Kelims heben sich von grober Konkurrenzware ab. Für den Kunden hält Oritep ein kurzes, hölzernes Lineal bereit, mit dem die Ketten leicht nachzuzählen sind. Dabei kommt es auf eine absolut genaue Anzahl der Ketten nicht an. Ein bis zwei mehr oder weniger werden der Handarbeit gutgeschrieben. Trotzdem hält Bilkenroth die Vorgabe von 50 Ketten im Herstellungsprozess für wichtig. "Der Weber weiß, woran er sich halten muss. Schafft er den Standard, bekommt er sein Geld."

Im Mittelpunkt steht der Kelim

60 % vom Oritep-Umsatz entfallen derzeit auf Kelims. 12.000 qm wurden von der Katalogware in den ersten drei Quartalen dieses Jahres verkauft. Bis zur Teppichgröße von 4 x 4 m reicht das Angebot. Dabei wird jede Art von Sonderwunsch berücksichtigt. Ein spanischer Kunde etwa bestellt regelmäßig Flachgewebe in den Abmessungen 140 x 150 cm.

Oritep fungiert dabei nicht als Markenname. Als Warenbezeichnung eingesetzt wird der Name des persischen Lieferanten Dastafarin.

Neben der Katalogware als erster Produktschiene gibt es weiterhin den Kelim, wie ihn die Nomaden nach eigenen Vorstellungen weben. Den aber bringt Oritep erst dann auf den Markt, wenn sich von einer Qualität ausreichend Ware angesammelt hat. Das schränkt zwischenzeitlich zwar die Angebotsvielfalt ein, hat aber den Vorteil, abwarten zu können, bis der Markt reif scheint.

Die in erdigen Terracotta-Tönen oder leuchtend bunt gefärbten Kelims unterliegen einem recht aufwändigen Herstellungsprozess. Maßgetreues Arbeiten ist vor allem bei Katalogware erste Voraussetzung. Auch das Strecken ist schwierig, da das Gewebe aus reiner Wolle besteht. Und weil auch das Finishing mit Sonnentrocknung seine Zeit benötigt, vergehen vom Webstuhl bis zur Einlagerung in Hamburg Monate.

Egal ob Standardware oder Einzelstück, der Quadratmeter Kelim kostet bei Oritep 36 Euro (etwa 70 DM). Auch bei Läufern kommt kein Extra hinzu. Die Maße sind beliebig. Sogar Bahnen von 70 x 900 cm wurden schon gefertigt. Solche Sonderwünsche bedürfen aber bis zur Lieferung etwas Geduld.

Sortimentswandel

Geknüpfte Ware macht heute nur noch etwa 10 % des Oritep-Sortiments aus. Lori-Teppiche mit alten Azeri-Mustern und naturgefärbter Wolle laufen aus. Die individuellen Gestaltungen passen nicht mehr ins Konzept. Zu uneinheitlich sind die Farben, um den Programmgedanken zu erfüllen. Zunächst gehen die nach dem südpersischen Luren-Stamm benannten Loris mit Sonderpreisen in den Abverkauf. Was auf der kommenden Domotex nicht den Besitzer wechselt, wird dann zurück in den Iran geschickt. "Aber das Projekt ist nicht gestorben", betont Clemens Bilkenroth. Der Oritep-Manager hat sich im Iran einen neuen Lieferanten gesucht. Ob der die gesetzten Vorgaben erfüllt, wird sich aber erst im kommenden Jahr erweisen.

Gabbehs müssen das Lori-Schicksal nicht teilen. Sie halten bei Oritep ihren Platz. Neben klassischen Mustern werden auch Gabbehs in Kelim-Design bevorratet. "Die kommen gut an", freut sich der Geschäftsführer. Das Angebot bleibt aber überschaubar. Zwei Gabbeh-Größen werden von Oritep geliefert: 60 x 90 und 70 x 140 cm.

Kissen und Kleinmöbel

Randsortimente sind bei Oritep längst nicht mehr das, was man landläufig darunter versteht. Kissen und Kleinmöbel haben ihr Schattendasein verlassen und sich mit 30 % einen beachtlichen Anteil am Firmenumsatz gesichert.

Auf der Heimtextil 2002 wird der neue Kissen-Katalog präsentiert. Entwickelt hatte sich die Kissen-Herstellung aus einer Recycling-Idee: unverkaufte Kelim-Teppiche wurden zerschnitten und zusammengenäht. Daraus ist mittlerweile ein beachtlicher Geschäftszweig entstanden. Der Katalog enthält 32 reproduzierbare Motive in drei Größen (40 x 40, 50 x 50 und 80 x 80 cm). Die gewebte Ware orientiert sich an klassischen Kelim-Mustern und passt durchgängig zu den angebotenen Teppichen. Einheitliche Wohnraumgestaltung im Kelim-Stil ist keine Unmöglichkeit mehr.

Einen weiteren Beitrag liefern Hocker, kleine Sitzbänke und Truhen, die mit Kelims bezogen sind. Noch wird an der Verarbeitung gebastelt. Die Konstruktions-festigkeit ist zu verbessern und die Frage nach Applikationen und Schnitzintarsien zu klären. "Wir tasten uns an die Herstellung heran", erklärt Clemens Bilkenroth.

Gefertigt werden die Kleinmöbel in Bosnien. In Bezug auf die Vermarktungsaussichten ist der Oritep-Geschäftsführer zuversichtlich. Auf der kommenden Heimtextil will er ausschließlich dieses "Randsortiment" vorstellen. Raumausstatter und Geschenkboutiquen gehören zur anvisierten Kundschaft.

Ob in Frankfurt auch Djajims ihren Auftritt haben werden, wird sich zeigen. Noch wird mit den gewebten Stoff-Streifen experimentiert. Was man daraus machen kann, zeichnet sich aber ab: Tischdecken und andere großflächige Überwürfe.

Bestellung per Internet

Rund 80 % der Oritep-Ware geht in den Export. Die Kundschaft, etwa zu 60 % Großhändler, kommt aus der ganzen Welt. Handelsagenturen arbeiten für das Hamburger Unternehmen, doch 30 Wochen im Jahr verbringt Clemens Bilkenroth selber im Ausland. Südamerika ist regelmäßiger Anlaufpunkt. Osteuropa zu bearbeiten, wurde zurückgestellt. Der Markt dort sei noch nicht bereit, aber man wolle am Ball bleiben. Auch Nordamerika ist Neuland. Im Teppichsegment sieht Oritep hier kaum Chancen. "Da sind andere so stark, dass wir keinen Verdrängungswettbewerb starten können", sagt Bilkenroth. Aber mit Kelim-Kissen könnte in den USA Staat gemacht werden. Der Versuch steht an.

Je weiter der Kunde weg ist, desto wichtiger werden moderne Kommunikationsmittel. Fax- oder Internet-Bestellung ist bei Oritep der gängige Weg. Der fehlende haptische Eindruck ist kein Problem. Bilkenroth: "Die Leute kennen uns von Messen oder bekommen Muster und Probesendungen." Im übrigen ist der selbstgesetzte Kelim-Standard die Qualitätsgarantie des Handelsunternehmens.

Zudem ist die katalogisierte Ware komplett im Internet zu betrachten. Unter www.digitep.com sind 50 Muster in einem virtuellen Showroom eingescannt. Nur für Händler zugängig ist der Online-Shop. In ihm sind mittlerweile mehr als 70 Teilnehmer registriert. Wer hineinschauen will, benötigt ein Password. Das erhalten nur solche Internet-Kunden, die sich mit ihrer Steuernummer als korrekte Händler ausweisen können.

Lagerhaltung für Kunden

"Heute kauft keiner mehr Menge, sondern bedarfsorientiert." Dieser Erkenntnis hat Bilkenroth seine Geschäftsstruktur angepasst. Trotz hoher Kosten übernimmt er für seine Kunden die Lagerhaltung.

Die für den Abnehmer vorgefertigte Ware kommt zum großen Teil schon verpackt und etikettiert auf Paletten aus dem Iran. Die sieben Oritep-Mitarbeiter in Hamburg prüfen dann die Unversehrtheit und ersetzen beschädigte Verpackungen. Bilkenroth: "Wir müssen uns ständig Gedanken über die Verpackung machen. Manche Kunden haben zum Beispiel ein Hochregallager mit bestimmten Packmaßen." Deswegen fliegt der Geschäftsführer alle sechs Wochen persönlich in den Iran, um die Arbeit vor Ort zu überprüfen und neue Anweisungen zu geben. Auch das Gewicht spielt eine Rolle. Nicht schwerer als 20 kg sollen die einzelnen Kartons sein.

Je nach Menge werden die Waren von Hamburg aus mit der Post, dem Paketdienst dpd oder der Spedition Hellmann weiterversendet.

Werbung

Ein bis zwei Kunden-Mailings verschickt Oritep pro Monat. Darin wird allgemein über das Sortiment und neue Entwicklungen informiert. Auch Nachrichten aus der Branche werden aufgenommen, beispielsweise welche Messen stattfinden und welche - wie die Eurotefa 2001 - abgesagt worden sind. Außer bei Sonderangeboten kann Oritep zwar keine direkte Wechselwirkung zum Abverkauf feststellen. Ziel der Mailings aber ist, im Gespräch zu bleiben.

Ausblick

Seit Mai 2001 hat Oritep ein sinkendes Konsumverhalten festgestellt. Durch flexibles Verhalten, das Stärken eines gängigen Standardsortimentes und ständiger Suche nach neuen Potenzialen und Absatzmärkten will das Hamburger Unternehmen gegensteuern.

Die kommenden Frühjahrsmessen werden ein Barometer für den Erfolg dieser Strategie sein. Einen deutlichen Verkaufsschub erwartet Bilkenroth jedoch nicht: "Wir müssen dort vor allem präsent sein und Kundenkontakt halten."

Als Verkaufshilfe für seine Kunden mitbringen will der Oritep-Geschäftsführer kleine Plexiglas-Aufsteller für Endverbraucher-Broschüren mit Produktbeschreibungen. Hinzu kommt ein gläserner Mitnahmeartikel, der das Holzmessgerät zur Bestimmung der 50-Ketten-Qualität enthält.


Oritep - das Unternehmen

Adresse: Oritep Handels GmbH & Co. KG
Brooktorkai 6
20457 Hamburg
Tel.: 0 40/ 33 13 86 oder 87
Fax: 0 40/ 33 13 88
E-Mail: oritep@compuserve.com

Gründung: 1989
Geschäftsführer: Clemens M. Bilkenroth
Ursprungsländer: Iran
aktuelles Sortiment:
- Kelims (Katalogware und individuelle Stücke)
- Kelim-Kissen
- Kelim-bezogene Hocker, Sitzbänke und Truhen
- Gabbeh mit klassischen und Kelim-Mustern
- Lori mit Azeri-Muster (laufen 2002 aus)
- Djajims-Decken (geplant)
Service: Internet-Showroom (www.digitep.com), Kataloge, Verkaufshilfen, Präsenter, Kommissionsware
Exportanteil: 80 %
Messebeteiligungen: Domotex, Heimtextil, Eurotefa
Mitgliedschaft in Verbänden: BVOI
aus Heimtex Orient 03/01 (Wirtschaft)