Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz tagt in Hamburg

Zuversichtlich gestimmt

Trotz eines allenfalls durchwachsenen ersten Halbjahres wurde auf der Jahrestagung des Verbandes innenliegender Sicht- und Sonnenschutz kein Trübsal geblasen. 'Die Umsätze sind nicht weg, sie haben sich nur verschoben", erklärte der ViS-Vorsitzende Wilhelm Hachtel. Als problematisch sieht er eher die Entwicklung beim Branchennachwuchs. Und auch das Thema Internethandel setzt Hachtel auf die Agenda.

Welchen Einfluss hat die Zahl der Sonnenstunden auf den Umsatz von Plissees, Rollos, Jalousien & Co.? Diese Frage beantwortete der Vorsitzende des Verbandes innenliegender Sicht- und Sonnenschutz (ViS), Wilhelm Hachtel, in seiner Begrüßungsrede auf der Jahrestagung 2013 in Hamburg anhand statistischem Zahlenmaterial. Ordnet man die Wetterdaten der letzten zehn Jahre den jeweiligen Verkaufszahlen zu, ergebe sich daraus, dass der Großteil der Umsätze nicht wetterbedingt ist. 'Doch jede Sonnenstunde bringt uns noch mehr Umsatz", erklärte der Geschäftsführende Gesellschafter von MHZ vor den mehr als 90 Teilnehmern - darunter vielen Neumitgliedern.

Dennoch hatte die Branche im ersten Halbjahr 2013 mit dem kalten Frühling zu kämpfen. 'Das ging uns allen so und war nicht ganz einfach", sagte Hachtel. Immerhin habe der Sommer für Ausgleich gesorgt. 'Es gibt Branchen, da fällt der Umsatz aus, wenn das Wetter schlecht ist. Im Sonnenschutz wird er nur verschoben." Entsprechend setzt die Interessengemeinschaft der Industrie nun auf den Nachholbedarf bei Fenstern, die bislang nicht ausgestattet wurden.

Knappe Mehrheit erwartet 2013 Umsatzplus


Eine aktuelle Konjunkturumfrage unter den ViS-Mitgliedern, an der sowohl die Hersteller (Konfektionäre) als auch die Lieferanten teilnahmen, untermauert die Aussage mit Zahlen. So schätzen 80 % der Hersteller ihre wirtschaftliche Situation für 2014 als 'gut" ein und erwarten eine positive Entwicklung. Sonnenschutz wird in modischer und technischer Hinsicht als hochaktuelles Thema bei der Fensterdekoration eingestuft. Auch die erhöhten Renovierungs- und Bauaktivitäten wirken sich nach Einschätzung der Befragten verstärkt auf den innenliegenden Sonnenschutz aus.

Die Erwartungen der Zulieferindustrie sind etwas vorsichtiger. 21 % sind optimistisch gestimmt, 64 % gehen von einer befriedigenden Entwicklung aus. Für das Gesamtjahr 2013 kalkuliert mehr als die Hälfte der Hersteller und Lieferanten mit einem Umsatzplus im unteren bis mittleren einstelligen Prozentbereich.

Der Blick zurück zeigt eine uneinheitliche Entwicklung. Im ersten Halbjahr 2013 verzeichnete je ein Drittel der Hersteller Zuwächse, eine konstante Auftragslage und rückläufige Verkäufe. Bei 36 % der Lieferantenmitglieder war die Auftragsentwicklung positiv mit Zuwächsen im einstelligen Prozentbereich. Stabile Verkäufe hatten 21 %, während 43 % angaben, den Auftragseingang des Vorjahreszeitraums nicht erreicht zu haben.

Schwerpunkt der Nachfrage im Bereich des innenliegenden Sonnenschutzes bleibt nach Einschätzung der Mehrzahl der Hersteller und der Lieferanten das Plissee, einfach oder als Wabenplissee, dicht gefolgt vom Rollo, zunehmend auch als Doppel-Rollo. Themenschwerpunkte bei der Produktentwicklung sind die Bereiche Energie, Akustik und Kindersicherheit.

Schon jetzt zu wenig Nachwuchskräfte


Größere Probleme könnten auf die Branche aber aus der Tatsache entstehen, dass sich immer mehr junge Menschen für ein Studium statt für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden. 'Wir haben derzeit nur ein Drittel der Ausbildungszahlen, die wir bräuchten, um unsere Produkte durch den Markt zu schleusen", warnte Wilhelm Hachtel. Und auch der Markt verändere sich. Stichwort: Internet. 'Woher kommt die Ware?", fragte der Vorsitzende in die Runde. 'Das sind Dinge, die wir bedenken sollten."

Erfolgreich verläuft immerhin die Integration des ViS in die Geschäftsstelle des Verbandes der deutschen Heimtextil-Industrie (VDHI) in Wuppertal. Der erhoffte Nutzen und erwartete Synergien seien bereits sichtbar, insbesondere der Zugriff auf Kompetenzen in den Referaten Recht, Wirtschaft und Technik. Projekte, die bislang nur durch die ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder realisiert werden konnten, würden jetzt professionell bearbeitet.

Im Vordergrund der Arbeit in den Fachgremien des ViS stehen die Umwelt Produktdeklarationen (EPD). In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Rollladen und Sonnenschutz (BVRS) wurden hier zur Vorbereitung gemeinsame Produktkategorisierungsregeln (PCR) erarbeitet. Sie legen fest, welche Bestandteile eines Produktes zu welchen Anteilen in die Bewertung einfließen. Diese ökologische Bewertung betrifft ausschließlich den Lebenszyklus eines Produktes und hat nichts mit dessen energieeffizienter Wirkung zu tun. Die PCR wurden mittlerweile vom IFT Institut für Fenstertechnik geprüft und genehmigt. Somit ist die Grundlage für die Erstellung von EPD geschaffen.

Außerdem wird derzeit gemeinsam mit Vertretern der Fachgruppe Sonnenschutz im ITRS1), dem BSR2), dem ZVR3) und dem Institut für Textil- und Verfahrenstechnik an einer Leistungsklassendefinition für Sonnenschutztextilien gearbeitet. Neben der Bestimmung der Prüfverfahren geht es hierbei um die Entwicklung allgemeingültiger Piktogramme.

Ein drittes wichtiges Thema ist die Kindersicherheit von Sonnenschutzanlagen. Die Europäische Kommission hat diesbezügliche Vorschriften und Normen überarbeitet, insbesondere in Bezug auf Strangulationsgefahren. Gemeinsam mit dem BSR wurden entsprechende Merkblätter für die ViS-Mitglieder erstellt. Zudem gibt es eine Infobroschüre für den Handel (siehe Kasten Seite 141). Ein Beratungs-Zertifikat für den Fachhandel ist in Entwicklung.


Ein Kommentar von Petra Lepp-Arnold

Bitte nicht nur Plissee

Der Top-Seller im innenliegenden Sonnenschutz ist nach wie vor das Plissee, auch Faltstore genannt. Die mit Abstand umsatzstärkste Produktgruppe bewegt sich mit einem Marktanteil von teils über 50% auf einem hohen Niveau. Doch erstmals seit Jahren weist der plissierte Behang im Maßgeschäft einen leichten Knick auf. Das Minus beträgt 2,9 %, wie das Umsatzergebnis des Verbandes innenliegender Sicht- und Sonnenschutz für das erste Halbjahr 2013 zeigt. Brancheninsider führen die Negativ-Entwicklung unter anderem darauf zurück, dass vermehrt verspannte Plissees in Standardgrößen für den SB-Markt produziert werden.

Der gedämpften Dynamik bei maßgefertigten Plissees steht ein deutliches Plus von 9,3 % bei den Rollos gegenüber. Hier gab es offenbar einen Wachstumsschub durch die Markteinführung von neuen, modernen Stoffkollektionen bei Rollo und Doppelrollo sowie diversen technischen Innovationen, zum Beispiel automatisierte Anlagen.

Die Steigerungsrate bei Horizontaljalousien beträgt 4 %. Hier konnten individualisierte Produkte punkten, etwa in der Glasleiste verspannte Jalousien mit verschiedenen Bedientechniken sowie Jalousien, die einen Farbwechsel innerhalb des Lamellenbehangs aufweisen. Für diese Varianten haben beispielsweise MHZ und Kadeco kontinuierlich in Anzeigen geworben und somit die hochwertige Jalousie wieder in den Blickpunkt des Fachhandels und der Endverbraucher gerückt.

Die Schwäche bei Vertikallamellen mit -8,3 % (Vorjahr -0,7 %) wird auf verzögerte Bauaktivitäten im Objektgeschäft zurückgeführt.

Der Flächenvorhang ist nach einem kurzen Hype bereits seit drei Jahren rückläufig, wobei sich der Abwärtstrend aktuell mit -3,2 % abgeschwächt hat. Da auch die Deko- und Gardinenstoff-Hersteller reichlich Kollektionen lancieren, hat sich eine ausgeprägte Wettbewerbssituation entwickelt. Es heißt aber auch, der Flächenvorhang werde in der Sonnenschutz-Branche durch groß dimensionierte Rollos kompensiert.

Gut, dass Rollos sowie die bislang rückläufigen Jalousien auf Wachstumskurs sind und einen Gegenpart bilden zur Dominanz des Plissees. Wird die Vielfalt der Beschattungssysteme durch Innovationen gestärkt, dann ist die Sonnenschutz-Branche gut gerüstet für den Wettbewerb am Fenster.

Doch auch der Fachhandel steht in der Pflicht. Konzentriert sich die Verkaufsberatung alleine auf Plissees, engt das die Nachfrage unnötig ein. Wird der Endkunde über den Nutzen sowie die Dekorations- und Gestaltungsmöglichkeiten der gesamten Sonnenschutz-Palette informiert, kann das einen zusätzlichen Kaufimpuls auslösen.
aus BTH Heimtex 12/13 (Wirtschaft)