Eine kleine Orient-Warenkunde

Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?


Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage 'Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?"mit 'Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.

Bhadohi: Indisches Knüpfzentrum


Bhadohi ist ein indisches Teppich-Knüpfzentrum im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Es gehört zur selben Knüpfregion wie das 45 km entfernte Varanasi (früher Benares) und acht kleinere Städte, deren Erzeugnisse unter dem Qualitätssiegel 'Handmade Carpet of Bhadohi" zusammengefasst werden. Die Stadt selbst wird auch 'Carpet City" genannt und hat zusammen mit der Region den größten Produktionsausstoss vor Agra, Amritsar, Agra und Kaschmir. Es werden dort alle Qualitäten produziert, ebenso wie handgetuftete Teppiche. Die Produktion ist exportorientiert auf den amerikanischen und europäischen Markt ausgerichtet, mit Typen wie klassisch gemusterten Orientteppichen, Loribaft, Indo Gabbeh, aber auch Nepal-Teppichen und natürlich den hochflorigen Shaggys.


Tauk Nuska: turkmenisches Musterelement (Göl)


Das Tauk Nuska Göl ist ein turkmenisches Musterelement. Es stellt sich dar als ein viergeteiltes Achteck. In jedem Viertel sind jeweils zwei doppelköpfige Vogelwesen um ein zentrales Ornament angeordnet. Göls im allgemeinen sind medaillonförmige Ornamente, die Wappenfunktion haben. Jeder turkmenische Stamm hatte ein oder mehrere Göls, die auf den repräsentativen Hauptteppichen gezeigt wurden. Wenn ein Stamm von einem anderen besiegt wurde oder in ihm aufging, gingen die Stammesgöls der Schwächeren als Muster auf kleinere Knüpferzeugnisse über oder lebten in den Teppichen der Überlegenen weiter.

Das Tauk Nuska Göl (und ebenso das Gülli-Göl) bildet eine Ausnahme; denn es lässt sich keinem Stamm eindeutig zuordnen. Es ist ein Hauptornament auf Teppichen und Knüpferzeugnissen der Yomut, Tschodor, Arabatschi, Kizil Ayak und in Variationen auch der Saryk und Ersari. Es findet sich sogar in usbekischen und kirgisischen Teppichen. Seine Herkunft ist bis heute noch nicht geklärt, obwohl es seit den Forschungen der berühmten Turkmenenspezialistin V.G. Moschkova (Expeditionen von 1929 bis 1945) mehrere Erklärungsansätze gegeben hat.


Schischlah: Qualitätseinteilung im persischen Nain


Schischlah ist eine Qualitätsbezeichnung bei persischen Nain-Teppichen. Das persische Wort für die Garnstärke ist 'Lah". 'Schisch" bedeutet die Zahl sechs.

Die Einteilung in Lah ist eine sehr spezielle Art, die Knüpfdichte zu beschreiben, denn die Garnstärke der Kette bestimmt die Einordnung in grob oder fein. Je mehr Einzelfäden versponnen werden, desto dicker wird das Kettgarn. Je dicker der Kettfaden ist, umso gröber wird der darum geschlungene Knüpfknoten. Die Qualitätseinteilung in Lah ist an sich recht undurchsichtig, da sie keinen direkten Aufschluss auf die Knüpfdichte gibt. Trotzdem weiß der Fachmann für persische Ware, was sich hinter diesen Qualitätseinteilungen verbirgt. Als Vier-Lah wird die feinste übliche Produktion bezeichnet (es gibt noch viel seltener mal Drei-Lah Nain), deren Knotendichte bei sehr feinen 1,2 bis 1,4 Mio. Knoten pro Quadratmeter liegt. Der Schischlah oder Sechs-Lah Nain hat 800.000 bis 1,0 Mio Knoten pro Quadratmeter und gehört zu den beliebtesten feinen Teppichen persischer Produktion. Selbst der im Vergleich zu den Vier- oder Sechs-Lah Teppichen 'grobe" Neun-Lah Nain, hat noch eine Knüpfichte zwischen 360.000 und 490.000 Knoten pro Quadratmeter.


Ningxia: antike chinesische Teppichprovenienz


Ningxia ist heute ein autonomes Gebiet im Nordosten von China, das von der muslimischen Hui Minderheit bewohnt wird. Eine Route der Seidenstrasse und die Innere Mongolei liegen nah. Diese Region gilt als die Wiege der chinesischen Teppichknüpfkunst, die von Turk-Stämmen dorthin gebracht worden sein soll. Schon zur Zeit der Ming-Dynastie (bis 1644) entstanden hier Teppichmanufakturen, deren Erzeugnisse hochgeschätzt und in China gehandelt wurden. Die Geschichte, dass der Kunstfreund Kaiser Kangxi (1654 - 1722) höchstpersönlich Ningxia besuchte, um die Knüpfer bei der Arbeit zu sehen und daraufhin begeistert Teppiche für seinen neuen Palast bestellte, gilt bis heute als der Initiationsmythos der chinesischen Teppichknüpfkunst. Die antiken Stücke sind leicht zu erkennen an ihrem Farbklang in Gelbtönen mit Blau. Die Knoten sind grob in ein Baumwollgrundgewebe mit mehreren Zwischenschüssen eingeknüpft. Trotz seiner relativen Langflorigkeit wirken die Teppiche elegant und überhaupt nicht ländlich. Die Muster bestehen häufig aus Glückssymbolen, wie zum Beispiel stilisierten Fledermäusen und Drachen. Die Bordüren wirken sehr klassisch und streng mit ihren Swastika, T-Meandern oder Perlen. Heute sind Ningxia-Teppiche aus dem 18. Oder 19. Jahrhundert selbst als fadenscheinige Fragmente noch begehrte Sammlerstücke.
aus Carpet Magazin 04/13 (Teppiche)