Studie: Großhandel durch Internet und Direktvertrieb unter Druck

Großhandel verliert im Baugewerbe an Bedeutung


Eine Studie von OC&C Strategy Consultants sieht die Bedeutung des Großhandel als Lieferant des Baugewerbes schwinden. Als Hauptursachen werden die vermehrten Bemühungen der Industrie in Richtung Direktvertrieb sowie die zunehmende Bedeutung des Onlineverkaufs benannt. Die Berater empfehlen den Grossisten eine klare Positionierung und differenzierte strategische Ausrichtung.

Bislang hat der Großhandel im Bausektor eine starke Position. Er ist traditionelles Bindeglied zwischen mittelständischen Herstellern und dem Verarbeiter vor Ort. Eine Studie der Beratungsfirma OC&C Strategy Consultants sieht den Markt allerdings im Umbruch - mit negativen Folgen für die Grossisten. Aktuell liege deren Marktanteil als Vertriebskanal bei 49 %; bis 2017 könnte er jedoch auf nur noch 40 % zurückgehen.

"Der Großhandel agiert als zentraler Ansprechpartner für Verarbeiter und unterhält enge Beziehungen zu Herstellern, Endabnehmern und Investoren. Dabei profitieren Großhändler von ihren historisch gewachsenen Stärken, einem großen Sortiment, dem engmaschigen Standortnetz mit direktem Kontakt zu Fachhandwerkern und der Übernahme von zusätzlichen Dienstleistungen für Verarbeiter und Hersteller", erläutert Axel Schäfer, einer der OC&C-Partner die aktuelle Situation. Aber er benennt auch gleich die vier wesentlichen Trends, die nach seiner Meinung in den nächsten Jahren für Veränderungen im Markt sorgen werden:

-System statt Einzelprodukt: Das zunehmende Angebot vorkonfigurierter Systeme lässt die traditionelle Auswahlfunktion von Produkten und Marken durch den Großhandel in den Hintergrund treten. Gleichzeitig entdecken Hersteller immer häufiger den Vorteil von Komplettlösungen für den eigenen Direktvertrieb.

-Steigende Attraktivität alternativer Vertriebswege: Die Hersteller erweitern kontinuierlich ihr eigenes Vertriebsmodell und interagieren online enger mit Verarbeitern und Bauherren. Handwerker umgehen den Großhandel immer häufiger und ordern benötigte Materialien direkt beim Hersteller. Die Beratungsfunktion der Großhändler verliert dadurch zunehmend an Bedeutung. Spezialisierte Online-Shops und Baumärkte, die ihre Sortimente für das Fachhandwerk erweitern, bieten zudem Leistungen an, die zuvor exklusiv beim Großhandel angesiedelt waren.

-Bessere Markt- und Preistransparenz: Aufgrund des direkten Zugangs zu Herstellern und der Möglichkeit, innerhalb weniger Minuten Produkte und Preise online zu vergleichen, geraten die traditionellen Margenvorstellungen des Großhandels unter Druck, da sich Verarbeiter wie Endkunden an den im Internet ermittelten niedrigsten Preisen orientieren.

-Neue Dienstleistungen im Zahlungs- und Logistikbereich: In Dienstleistungsbereichen wie Zahlungsmanagement und Logistik, die Großhändler bisher häufig für ihre Kunden übernommen haben, etablieren sich leistungsfähige Konkurrenten: Branchengrößen wie PayPal oder Schufa im Zahlungsmanagement und Amazon oder Nalog in der Logistik.

Das hat Folgen: Laut OC&C dürfte sich der Anteil des Direktvertriebs durch die Industrie bis 2017 um 3 auf 24 % vergrößern. Baumärkte könnten demnach um 2 % zulegen. Spezialisierte Onlineshops spielen noch keine große Rolle, könnten aber in drei Jahren 2 % der Materialbeschaffung abwickeln.

"Der Großhandel ist der wichtigste Vertriebskanal im Baugewerbe und wird dies auch bleiben", so Dr. Björn Reineke von OC&C. "Aber er wird Marktanteile zugunsten von Herstellern, Online-Anbietern und dem Einzelhandel verlieren. In dieser Situation trennt sich die Spreu vom Weizen: Professionelle und innovative Häuser werden weiter wachsen. Unternehmen, die unverändert auf tradierte Strategien und Rollenmodelle setzen, werden nur schwer ihre Position behaupten können."

Reineke fordert daher eine klare und differenzierte Strategie. So könnten Großhändler einen Fokus auf die Preisführerschaft legen oder auf ihr traditionell starkes Serviceangebot. Multispezialisten, die sich auf bestimmte Marktsegmente konzentrieren und zusätzliche Dienstleistungen integrieren, schaffen ein neuartiges Angebot, das sie auf dem Markt klar differenziert. Spezialisten für Nischen wiederum betonen ihre hohe Lösungs- und Beratungskompetenz in einem spezifischen Marktsegment.

Kein Weg vorbei führe am Online-Kanal sowie der gezielten Nutzung sozialer Netzwerke, um Stärken herauszustellen und die Positionierung zu unterstützen. Bestellung, Beratung und Vertrieb könnten webbasiert unterstützt und effizienter gestaltet werden. So seien Beratungsleistungen wie virtuelle Trainings oder die Unterstützung spezialisierter Leistungen durch Onlinefunktionalitäten möglich - etwa die Option, Komplettlösungen über Konfiguratoren selbst zusammenzustellen. Auch angebotsspezifische Apps böten Kunden einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert.

Abwarten und nur mit dem Strom schwimmen sei die falsche Strategie, meint Dr. Björn Reineke: "Großhändler müssen aktiv agieren und ihre individuelle Position finden."
aus BTH Heimtex 01/14 (Großhandel)