Bauproduktenverordnung ersetzt Bauproduktenrichtlinie

Gilt nur Europa-Recht oder kommen nationale Bestimmungen durch die Hintertür?


Um einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt zu schaffen und Handelshemmnisse abzubauen, wurde einst die Bauproduktenrichtlinie (89/106/EWG) ins Leben gerufen. Bis 1991 musste sie in nationales Recht umgesetzt werden. Das geschah im Bauproduktengesetz und den Landesbauordnungen und hatte zunächst wenig Auswirkung auf die Holzbodenbranche. Andere Baustoffe waren wichtiger. Erst später, nach Verabschiedung der DIN EN 14342:2005, konnten Parkettprodukte mit dem CE-Kennzeichen versehen und auf entsprechender Grundlage europaweit gehandelt werden.

In einer überarbeiteten Fassung dieser EN 14342 waren nur Anforderungen an Emissionen von Formaldehyd und PCP enthalten. Das rief das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) auf den Plan: 2011 wurde die Bauregelliste B in Kraft gesetzt. Zusätzlich zum CE-Zeichen wird damit die bauaufsichtliche Zulassung (Ü-Zeichen) gefordert. Die hierzu nötige Emissionsprüfung erfolgt nach dem AgBB-Schema.

Seit dem 1. Juli 2013 gibt es eine neue Rechtslage. Brüssel verlangt, anstelle der nationalen Bauproduktenregelungen nun die Bauproduktenverordnung (305/2011) anzuwenden. Unter einer Verordnung versteht das Europäische Recht eine Norm, die wie ein Gesetz in jedem EU-Mitgliedsstaat wirksam wird. Und zwar unmittelbar. Das heißt, eine nationale Verabschiedung ist nicht nötig. Die EU-Verordnung hat sofort allgemeine Gültigkeit.

Eigentlich gilt nur das CE-Zeichen

Welche Funktion hat dann noch das deutsche Bauproduktengesetz? "Es beschränkt sich darauf, behördliche Zuständigkeiten und Tatbestände von Straf- und Ordnungswidrigkeiten zu bestimmen", sagt Rechtanwalt Martin Kuschel aus Attendorn, der als Rechtsberater für die Bodenbelagsbranche tätig ist. Den Bundesländern wurde empfohlen, ihre Bauordnungen der aktuellen europäischen Rechtslage anzupassen. Getan haben das als erste Bayern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Damit sind sie im Vorteil, denn eine Möglichkeit hat jede Landesbauordnung noch: sie darf "erforderliche Leistungen" für ein Produkt präzisieren. Martin Kuschel: "Der Staat kann also Anforderungen für die Verwendung eines Produktes stellen." Macht er das nicht, gilt einzig die CE-Kennzeichnung als für den Handel im Markt anerkanntes Zertifikat.

Kein EU-Staat darf ein so gekennzeichnetes Produkt behindern. Genau in dieser Lage sind offenbar die meisten Bundesländer. Da ihre Landesbauordnungen auf veraltetem Stand sind, darf dort jedes CE-gekennzeichnete Produkt ohne weitere Auflagen verbaut werden. Aus EU-Sicht betrachtet, dürfte das Ü-Zeichen ohnehin keine rechtliche Handhabe bieten. Die neue EU-Bauproduktenverordnung, so wird ihr Art. 8 Abs. 3 interpretiert, braucht keine nationalen Ergänzungen. Rechtsanwalt Kuschel: "Die Auffassung des DIBt, dass neben der CE-Kennzeichnung noch eine abZ und ein Ü-Zeichen erforderlich werden, ist rechtsirrig."

Der Streit, ob nationale Zulassungsbehörden wie das DIBt zusätzlich zu harmonisierten EU-Normen verschärfte Anforderungen stellen können, wird fraglos weitergehen. Viele Interessen sind im Widerstreit. Für freien Marktzugang kämpfende Importeure gegen protektionistisch gesinnte nationale Hersteller, Gesundheitsapostel gegen Geschäftemacher und regulierungswütige Bürokraten gegen angeblich zu weiche EU-Bestimmungen. Allen wird man es nicht Recht machen können.

Wie wirkt sich all das nun auf Parkett-Produkte aus? Die neue DIN EN 14342 aus dem Jahr 2013 - so lautet das Mandat der Europäischen Kommission - soll Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz in dem Maße berücksichtigen, "dass Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung in den einzelnen Ländern ohne zusätzliche nationale Anforderungen in Verkehr gebracht werden können." Insbesondere VOC-Emissionen sind dabei gemeint. Dabei nimmt das Mandat ausdrücklich Bezug auf die deutsche Bewertung von Bauprodukten in Innenräumen - nämlich das AgBB-Schema.

Die Hintertür heißt "Öffnungsklausel"

Jetzt könnte man meinen, die neueste Fassung der EN 14342 integriere deutsche Grundsätze und lege damit die Möglichkeit nationaler Zusatzforderungen lahm. Weit gefehlt, es gibt nämlich in der Norm noch eine so genannte Öffnungsklausel. Auch die ist neu und sie besagt in Ziffer 4.4: "Nationale Regulierungen gefährlicher Substanzen können die Feststellung und Angabe der Abgabe und manchmal auch des Gehalts anderer gefährlicher Substanzen zusätzlich zu den bereits in anderen Abschnitten behandelten erforderlich machen, wenn durch diese Norm abgedeckte Bauprodukte in diesen Märkten eingesetzt werden."

Das Ü-Zeichen ist also wieder im Rennen, denn es wäre doch gelacht, wenn unsere Gesundheitshüter keine "anderen gefährlichen Substanzen" entdecken würden. Rechtsanwalt Kuschel: "Mit dieser Öffnungsklausel verfehlt das Europäische Institut für Normung (CEN) das Ziel, die Produktnormen so zu ändern, dass Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung ohne nationale Anforderungen in Verkehr gebracht werden können."

Wo nationale Regelungen eingreifen, wird es im Sinne eines freien EU-Marktes immer Markthemmnisse und Ungleichbehandlungen geben. Und da sind noch mehr Ungereimtheiten. Denn die avisierte EN 14342:2013 reibt sich auch mit dem Art. 8 Abs. 4 der EU-Bauproduktenverordnung. Der legt nämlich wie erwähnt fest, dass die für ein CE-Zeichen nötige Leistungserklärung eines Produktes für seine Vermarktung absolut ausreicht. Aber das CEN ist im Dilemma. Es besitzt keine europäisch verabredeten Prüfnormen und verweist deshalb wieder auf nationale Anforderungen.

Das öffnet die zweite Hintertür für Einschränkungen, wie sie vor allem aus Deutschland, Frankreich und Finnland kommen. Und die Verantwortlichen in diesen Ländern sind nicht untätig. Man will nicht weniger, sondern mehr. Im DIBt beispielsweise gäbe es Bestrebungen, sagt Rechtsanwalt Kuschel, auch Nachhaltigkeitsmerkmale in die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) aufzunehmen. Die TU Berlin sei beauftragt, hierfür Strukturen zu erarbeiten.

Das Fazit für die europäische Novellierung der EN 14342 klingt absonderlich: "Wird diese harmonisierte Norm überhaupt veröffentlicht"? Das fragt sich nicht nur Rechtsanwalt Kuschel. Auch die EU-Kommission hat Inhalt und Umfang der Norm bemängelt. Ein wesentlicher Kritikpunkt: Bambusböden wurden aus der Norm ausgeschlossen. Im jetzigen Zustand kann die EN 14342:2013 offenbar nicht angewandt werden. So oder so ist das eine zwiespältige Nachricht für die Branche, denn nationale Verschärfungen und Auflagen für Produkte bleiben augenscheinlich in Kraft. Und eines sollten selbst kleinere Handwerker wissen: Wenn sie eigene Parkettstäbe oder Dielen herstellen und verlegen wollen, brauchen sie seit dem 01. Juli 2013 nicht nur die DIBt-Zulassung, sondern eben auch ein eigenes CE-Kennzeichen.
aus Parkett Magazin 01/14 (Normen)