Fachbeitrag der CTA zu lösemittelfreien Wasserlacken

Eine Frage der Definition: Bedeutet "lösemittelfrei" auch frei von Lösemitteln ?


Lösemittel werden in Wasserlacken nicht wie bei stark lösemittelhaltigen Lacken zum Lösen und Verdünnen von Polymeren (Bindemittel) verwendet, sondern sie dienen lediglich in geringer Konzentration dazu, die im Wasser dispergierten (zerstreuten) Bindemittelteilchen kurzfristig anzuquellen und zu erweichen, um ein Verschmelzen der Polymerkügelchen zu ermöglichen. Dieser Vorgang wird als Filmbildung bezeichnet und die dafür verwendeten Lösemittel werden dementsprechend auch Filmbildehilfsmittel genannt.

Nachdem die Filmbildung abgeschlossen ist, müssen diese Lösemittel oder Filmbildehilfsmittel entweichen, damit das Bindemittel wieder seine ursprüngliche Härte erreichen kann und der daraus hergestellte Lack die gewünschten mechanischen Eigenschaften wie Kratz- und Abriebbeständigkeit aufweist. Da die Lösemittel nach der Verfilmung des Bindemittels wieder entweichen und an die Raumluft abgegeben werden, bezeichnet man sie auch als flüchtige organische Verbindungen, VOC (Volatile Organic Compounds).

Um den Begriff "lösemittelfrei" im Zusammenhang mit Wasserlacken einordnen zu können, muss definiert werden, was unter den Begriff Lösemittel fällt. Es gibt verschiedene Definitionen dafür, was als Lösemittel anzusehen ist und was nicht.

Bei der Betrachtung der Emissionen in die Innenraumluft und somit der Raumlufthygiene interessieren zunächst alle flüchtigen organischen Stoffe. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese ganz allgemein wie folgt nach ihren Siedepunkten klassifiziert:

Sehr leicht flüchtige organische Verbindungen (VVOC) < 50 - 100C

Flüchtige organische Verbindungen (VOC) > 50 - 100C < 240 - 260C

Schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC) > 240 - 260C < 380 - 500C

In ähnlicher Weise kann die Einteilung auch nach der Retentionszeit (Verweildauer) bei der gaschromatografischen Bestimmung erfolgen. So gilt für die in der Prüfkammer zu bestimmenden Emissionen in Anlehnung an DIN ISO 16000 folgende Definition:

VOC: alle Einzelstoffe im Retentionsbereich C6 (Hexan) - C16 (Hexadecan)

SVOC: alle Einzelstoffe im Retentionsbereich C16 (Hexadecan) - C22 (Docosan)

Auf dieser Definition beruhen z.B. das AgBB-Schema (Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten) für die bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) und die Einstufungskriterien der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) für den Emicode.

Eine engere Lösemitteldefinition findet sich z.B. in der europäischen Farben- und Lackrichtlinie (Decopaint RL 2004/42/EG) oder in der TRGS 617 (Technische Regel für Gefahrstoffe 617: Ersatzstoffe für stark lösemittelhaltige Oberflächenbehandlungsmittel für Parkett und andere Holzfußböden). Hier gelten als Lösemittel lediglich flüchtige organische Stoffe mit einem Siedepunkt < 250C. Abweichend davon werden nach TRGS 610 (Ersatzstoffe für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Klebstoffe für den Bodenbereich) lediglich flüchtige organische Stoffe mit einem Siedepunkt < 200C als Lösemittel betrachtet. Jedoch ist diese Richtlinie nicht für Lacke, sondern nur für Vorstriche und Klebstoffe anzuwenden.

Welche Definition auch betrachtet wird, für das Emissionsverhalten - und darum geht es bei der Raumlufthygiene - sind stets alle flüchtigen organischen Verbindungen maßgeblich. Die unterschiedlichen Siedepunkte bewirken, dass die Lösemittel unterschiedlich schnell aus dem Lackfilm an die Raumluft abgegeben werden. Während die niedriger siedenden VOC anfangs eine hohe Emission mit steiler Abklingkurve zeigen, führen die höher siedenden SVOC mit einer flacheren Abklingkurve zu einer länger anhaltenden Raumluftbelastung. Der Austausch von VOC durch SVOC ist somit für die Raumlufthygiene kontraproduktiv und führt darüber hinaus aufgrund der verzögerten Lackhärtung zu längeren Wartezeiten bis zur Nutzbarkeit der Räume nach einer Neuverlegung oder Renovierung von Parkettböden.

CTA


Mitglieder der Chemisch-Technische Arbeitsgemeinschaft der Parkettsiegelhersteller (CTA) sind Asuso, Loba, Berger-Seidle, CC Dr. Schutz (Eukula) und die Irsa Lackfabrik. Die CTA besteht seit 1952 und versteht sich als Partner des parkettlegenden Fachhandwerks und der Parkettindustrie.
aus Parkett Magazin 02/14 (Wirtschaft)