Interview mit Andreas Bley, Vassilios Goulios und Lorenz Vogt

"Wir gehen mit unserem Marketingkonzept neue Wege"


Jaeger Lacke will seinen Bekanntheitsgrad erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Unternehmen sein Sortiment in acht Produktgruppen unterteilt, zu denen es seinen Großhandelspartnern umfangreiche Beratungsleitfäden zur Verfügung stellt. Statt aber die Produktbeschreibung in den Mittelpunkt zu stellen, gibt es schwerpunktmäßig jede Menge praktische Verarbeitungs- und Anwendungstipps für den Maler. BTH Heimtex-Redakteurin Cornelia Küsel sprach mit Geschäftsführer Andreas Bley, Vertriebsleiter Vassilios Goulios und Lorenz Vogt, bei Jaeger für Marketing und Produktmanagment tätig, über die Entwicklung des Nischenanbieters und die Absichten, ins Ausland zu expandieren.

BTH Heimtex: Jaeger ist ein Unternehmen mit 106 Jahren Tradition, das seinen Siegeszug im Maler-Handwerk mit der Grundierung Kronengrund begann. Wie ordnen sie die Firma heute im Markt ein?

Andreas Bley: Wir sind ausschließlich in der Nische aktiv. Und die füllen wir in insgesamt acht Produktgruppen jeweils komplett. Damit der Maler mehr über diese Vielfalt erfährt, müssen wir allerdings unseren Bekanntheitsgrad erhöhen. Das wollen wir über den Großhandel erreichen. Auf diesen Vertriebskanal fokussieren wir uns.

BTH Heimtex: Mit welcher Strategie unterstützen Sie den Großhandel, um letztlich den Maler von Ihren Produkten zu überzeugen?

Bley: Wir haben unser Marketingkonzept von Grund auf geändert und gehen damit neue Wege. Im Mittelpunkt steht eine Leistungsmappe mit einzelnen Beratungsleitfäden über unsere acht Produktgruppen, die von Isolieren/Absperren/Renovieren über Schimmelsanierung bis zum Markieren reichen. Darin stellen wir dem Großhandel Instrumente zur Verfügung, durch die er den Maler allgemein über die Anwendungsmöglichkeiten der Produkte informieren, ihn auf mögliche Besonderheiten bei der Verarbeitung aufmerksam machen und ihm zudem wertvolle Profi-Tipps geben kann. Erst dann folgen die Produktbeschreibungen.

Ziel ist es, den Maler mit fundiertem Wissen auszustatten. Dazu gehören auch verschiedene Fortbildungsangebote. Mit dieser neuen Strategie wollen wir dem Großhandel signalisieren, dass wir sein Geschäft verstehen und erhoffen uns, dass der Maler aufgrund der Maßnahmen weiterhin loyal zu unserer Marke steht.

Lorenz Vogt: Das sind alles sehr komplexe technische Themen, die wir im Beratungsleitfaden umreißen. Wir versuchen, sie verständlich zu beschreiben und dem Maler mit wenigen Worten Lösungen anzubieten.

BTH Heimtex: Beschränken Sie sich dabei auf Printerzeugnisse oder finden Sie den Zugang zum Großhandel und den Malern auch über die neuen Medien?

Bley: Das Wissen über unsere Nischenprodukte muss heute auf vielfältige Weise transportiert werden. Wir sind im Bereich der Technik recht flott. So haben wir außer Printmaterial als weiteres Instrument für den Handel eine App, mit der über den Beratungsleitfaden die Kernfrage beantwortet wird: Für welchen Anforderungsbereich brauche ich welches Produkt?

Über die kostenlose Jaeger App hat der Nutzer Zugriff auf sämtliche Produktinformationen, Prospekte, News, Aktionen, Anwendungsvideos, Sicherheitsdatenblätter und technische Merkblätter. Außerdem ist ein Verbrauchsrechner integriert, der den Maler bei der Kalkulation auf der Baustelle unterstützt.

Unser Serviceangebot reicht bis zur kostenlosen Technik-Hotline, an die sich der Maler von 7.30 bis 16.30 Uhr wenden kann, wenn er eine anwendungstechnische Frage hat. Dort sind Profis am Apparat. Der Handel ist froh, wenn sich die Industrie mit solch intelligenten Instrumenten um die Anforderungen seiner Kunden kompetent kümmert.

Vassilios Goulios: Beratungsleitfäden, die Jaeger App und die Technik-Hotline sind nur ein Teil. Wir decken sehr viele Bereiche ab. Dazu gehört die Beratung durch unseren Außendienst vor Ort, aber auch ein Newsletter sowie Schulungen.

Darüber hinaus bieten wir dem Großhandel mit Thekenaufstellern, Aktionsständern, Displays und Regalen ein modulares PoS-System an, das für verschiedene Ansprüche genutzt werden kann. Da gibt es flexible Möglichkeiten, je nach Verkaufsfläche und der jeweiligen Nachfrage bei einzelnen Produktgruppen. Damit können wir auch Neuheiten attraktiv platzieren, zum Beispiel ein Produkt des Monats.

BTH Heimtex: Beraten Sie den Handel auch bei der Sortimentspräsentation?

Bley: Ja, die Beratung umfasst sowohl produkttechnische als auch absatztechnische Fragen. Es gibt ja rein saisonale Artikel wie die Schwimmbadfarbe, die im Winter nicht verkauft wird. Oder spezielle Frühjahrsartikel. Da muss man sehen, dass rechtzeitig vordisponiert und die Ware möglicherweise extra platziert wird. Zum Beispiel die Schwimmbadfarbe. Sie sollte zur Saison so platziert werden, dass der Handwerker auf sie aufmerksam wird und sich sagt: Die nehme ich gleich mit, ich muss ja nächste Woche ein Schwimmbad streichen.

Goulios: Wir haben eine Großhandelskonzeption erarbeitet, die die Anforderungen des Großhandels und die Bedürfnisse des Handwerkes abdeckt. Wir haben mehr als 200 Spezialitäten im Sortiment. Diese haben wir in acht Themenbausteinen zusammengefasst. Mit diesen acht wollen wir im Handel vertreten sein. Die übrigen Artikel können wir bei entsprechender Nachfrage schnell liefern.

BTH Heimtex: Sie sind zwar nicht der klassische Vollsortimenter, haben aber eine riesige Bandbreite an Produkten. Wo liegt Ihr Schwerpunkt?

Bley: Der Hauptfokus liegt in den Bereichen Isolieren/Absperren/Renovieren, Markieren und Bodenbeschichtungen.

Goulios: Da versuchen wir, außer den lösemittelhaltigen Produkten auch die wässrigen anzubieten wie das neue Kronen Aqua Isolierspray.

BTH Heimtex: Wie kommen Ihre wässrigen Produkte denn beim Maler an? Der kann sich schließlich an neue Rezepturen, in denen auf VOC verzichtet wird, nur schwer gewöhnen.

Bley: Wir haben die Rezeptur aufgrund gesetzlicher Vorschriften verändert. Aber darunter hat das Produkt nicht gelitten - ganz im Gegenteil. Das sehen die Anwender auch so; die haben ein großes Vertrauen in unsere Produkte.

VOC-freie Artikel, die wir schon seit Jahrzehnten als wässrige Alternative zu den lösemittelhaltigen im Sortiment haben, sind nach wie vor eine Herausforderung für uns. Auch wenn der Maler lösemittelhaltige Produkte favorisiert, macht sich allmählich ein Umdenken bemerkbar.

BTH Heimtex: Wird er im Innenbereich nicht auch dazu gezwungen, umweltfreundliche Produkte einzusetzen? Der Verbraucher fordert sie doch.

Bley: Das ist auch genau unser Argument. Deshalb haben wir unter anderem das Kronen Aqua Isolierspray auf den Markt gebracht. Das ist eine echte Innovation. Wir sind zwar nur Nischenanbieter, aber in diesem Nischensegment sind wir Marktführer, da decken wir alles ab. Stark sind wir aber auch im Baustein Markieren. Und zwar im Bereich Markierungen, die der Maler vornimmt, zum Beispiel in Stadien, auf Parkplätzen und in Tiefgaragen.

BTH Heimtex: Unter Maler Spezial- oder Nischenprodukten versteht man nicht unbedingt dekorative Techniken. Dennoch sind Sie auch in diesem Segment recht gut aufgestellt. Warum?

Bley: Wir sind seit 1995 mit Villa Venezia auf dem Markt und entwickeln das Sortiment permanent weiter. Auch in diesem Jahr werden wir ein neues Produkt einführen.

Inzwischen gibt es bei den dekorativen Techniken einen regelrechten Wettbewerb, viele haben die Produkte aufgenommen. Der Unterschied ist aber: Wir behandeln sie mit viel Liebe und Hingabe. Dadurch entwickeln wir ganz neue Techniken, die den Maler inspirieren, so dass er seinem Kunden mehr bieten kann.

Für den Profi haben wir kurze Videos gedreht, in denen erklärt wird, wie er die Techniken anwenden muss. Die zeigt unser Außendienst über das iPad auch dem Großhandel und dem Handwerker. Die Videos sind außerdem auf der Webseite, in unserem Youtube-Kanal und in der Jaeger App verfügbar.

BTH Heimtex: Der Maler als Ihre Hauptzielgruppe ist vor allem an Wand und Decke interessiert, wird aber mehr und mehr auch mit dem Boden konfrontiert. Sind Sie in diesem Segment ebenfalls vertreten?

Bley: Wir bieten verschiedene Boden- und Betonbeschichtungen an. Dabei sind wir im industriellen Bereich stark. Bei uns gibt es beispielsweise 2K-Fußbodenbeschichtungen, die eine volle Belastbarkeit schon nach kürzester Trockenzeit ermöglichen. In unserem Bad-Renovier-System haben wir nun die Lücke geschlossen und einen Lack für den Boden entwickelt. Dieser kann direkt auf sämtliche keramischen Untergründe appliziert werden.

BTH Heimtex: Ihr Sortiment baut auf acht verschiedenen Produktgruppen auf, die Sie stetig vertiefen. Soll es bei dieser Anzahl bleiben?

Goulios: Wir planen bereits einen neuen Baustein, können aber weiter noch nichts Konkretes sagen. Das wird noch ein bis anderthalb Jahre dauern, bis wir damit an den Markt gehen.

BTH Heimtex: Das setzt eine funktionierende Forschungs- und Entwicklungsabteilung voraus.

Bley: Wenn man eine Nischenstrategie fährt, muss man in zwei Bereichen ziemlich gut sein: im Marketing und bei Forschung und Entwicklung. In unserer F+E-Abteilung ist ein Zehntel unserer Mitarbeiter tätig, das ist viel für ein Unternehmen unserer Größe.

Vogt: Wir bringen jedes Jahr eine Broschüre mit Neuheiten heraus, das machen wir schon seit 2006. Tatsächlich ist auch jedes Jahr etwas Neues dabei, entweder ein Produkt oder eine Modifikation. Schließlich geht die Hausmessen-Saison los. Da fragen Händler und Handwerker schon im Vorfeld, ob es etwas Neues gibt.

BTH Heimtex: Worauf legen Sie bei der Neuentwicklung der Produkte besonderen Wert?

Bley: Wir achten sehr darauf, was uns im deutschen Markt betrifft: die Lohnminuten des Malers. Es ist wichtig, ihm effektive Produkte anzubieten, mit denen er Zeit sparen kann. Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus neue Artikel auf den Markt zu bringen. Was zählt ist, die Bedürfnisse der Maler zu erfüllen. Danach komplettieren wir unsere Produktgruppen.

Zu erwähnen wäre hier unsere zweikomponentige Spraydose Kronalux 2K-PU-Markierspray. Der Maler liebt sie, weil sie effizient zu verwenden ist.

BTH Heimtex: Jaeger gehört zwei Familienstämmen, von denen Sie, Herr Bley, als Geschäftsführer eingesetzt wurden. Die Firma passt in die überwiegend von Familienunternehmen geprägte Struktur in der deutschen Farbenindustrie. Ist das eine Stärke des hiesigen Marktes?

Bley: Wir sind konzernunabhängig und wollen es auch bleiben. Für die Bautenfarben und Lackindustrie in Deutschland sind alteingesessene Familienunternehmen typisch. Ihr Vorteil ist, dass sich sich über lange Jahre das Vertrauen der Großhändler und Handwerker erwerben konnten. Hinzu kommt, dass Jaeger ein typischer Vertreter aus der Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen ist. Deshalb können wir schnell entscheiden, was dazu führt, dass Neuheiten relativ rasch eingeführt werden. Diese Flexibilität und Schnelligkeit mögen die Handwerker.

BTH Heimtex: Sie haben sich auf den Großhandel als Zielgruppe ausgerichtet, den Sie mit Ihren Industriemarken beliefern. Stellen Sie auch Handelsmarken her?

Bley: Ja, wir stellen Private-Label-Aufmachungen her, wenn es Sinn macht. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir unsere Umsätze mit den hochwertigen Profi-Produkten nicht kanibalisieren. Letztlich macht die Marke eine Firma und ihren Wert aus. Deshalb liegt der Schwerpunkt auf unserer eigenen Marke. Aber wo es sich anbietet, wollen wir auch Private Labels zur Verfügung stellen. Das wären Produkte aus unserer Range, die in den Vertriebskanal passen und nicht als Profi-Marke Jaeger im Sortiment auftauchen, sondern unter anderem Namen.

Unser Fokus ist und bleibt aber der Großhandel, mit dem wir kontinuierlich wachsen. Alles andere ist ein Zusatzgeschäft, das wir nur dann realisieren werden, wenn es unser Kerngeschäft nicht gefährdet.

BTH Heimtex: Sie wollen Ihren Bekannheitsgrad über den Großhandel erhöhen. Trifft es sich da nicht gut, dass sich Akzo Nobel von seiner Großhandelssparte getrennt hat, in der Sie sich jetzt mit Ihren Produkten platzieren können?

Bley: In Summe sind wir sehr traurig darüber, dass sich ein so großer Marktteilnehmer aus dem Großhandelsgeschäft zurückzieht. Gleichwohl sehen wir darin eine Chance, bei den ehemaligen Partnern von Akzo Nobel stärker Fuß zu fassen.

BTH Heimtex: Im Inlandsgeschäft haben Sie sich einiges einfallen lassen, um Ihre Position zu stärken. Wie sieht es im Export aus?

Bley: Bisher haben wir keine eigene Vertretung im Ausland, unser Exportanteil beträgt 9 %. Dieser soll mittelfristig auf 15 % erhöht werden.

BTH Heimtex: Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Bley: Bestehende Exportkontakte werden wir weiter ausbauen. Ferner haben wir mit dem Thema eine kaufmännische Mitarbeiterin beauftragt, die auf Basis der Daten vom Lackverband für uns relevante Zielmärkte in Europa ausfindig machen sollte. Wir haben zunächst für Österreich ein Maßnahmebündel geschnürt.

Der Export ist nach der Marken- und Produktpolitik sowie Private Label ein Zukunftsthema. Dem können wir uns aber nur mit engagierten Mitarbeitern widmen. Eine Stärke von uns sind die Menschen, die bei uns arbeiten. Entsprechend wichtig ist uns auch der Nachwuchs. Unsere Ausbildungsquote liegt bei 10 %. Darauf sind wir sehr stolz.
aus BTH Heimtex 04/14 (Wirtschaft)