Trend-Table im Hamburger Tapeten-Showroom

Der Charakter bestimmt den Wandbelag

Tapeten wecken Emotionen, lautet eines der Ergebnisse aus der Studie "Psychologie der -Tapete". Vorgestellt wurde sie auf dem Trend-Table des Deutschen Tapeten-Insituts in dessen Hamburger Showroom Tapetenwechsel. Außer der verantwortlichen Psychologin Ivona Matas betrachteten der Designer Markus Benesch und die Bloggerin Ricarda Nieswandt den Wandbelag aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Unbekümmert, prestigebewusst, pragmatisch, wild-kreativ - diese Eigenschaften stehen für vier deutsche Wohntypen, ermittelt durch die Studie "Psychologie der Tapete". Durchgeführt hat sie das PMF Marktforschungsinstitut in Köln, Auftraggeber ist das Deutsche Tapeten-Institut (DTI).

Die vier Typen und die Analyse der oftmals unbewussten Entscheidung für eine bestimmte Tapete zog sich wie ein roter Faden durch den fünften Trend-Table des DTI in seinem Hamburger Showroom "Tapetenwechsel". Das Thema prägte auch die Vorträge von Bloggerin Ricarda Nieswandt und Designer Markus Benesch. Bevor diese aber den geladenen Gästen aus der Design- und Fachmedienbranche über ihre kreativen Tätigkeiten berichteten, ging die Psychologin Ivona Matas auf einzelne Ergebnisse der unter ihrer Federführung durchgeführten Tapetenstudie ein.

"Das Thema Tapete lässt keinen kalt", hat Matas während ihrer Einzel- und Gruppeninterviews festgestellt. Allein das Gespräch darüber inspiriere häufig zu neuen Gestaltungen der Wohnumgebung. Tapezieren sei grundsätzlich positiv besetzt, selbst wenn es dem DIYler an handwerklichem Geschick mangele.

Tapete ist Selbstdarstellung auf Zeit

Dabei geht es nach Ansicht der Psychologin um mehr als die Tapete an sich. Diese diene nämlich als Kulisse, die das Lebensgefühl des Bewohners sowie seine Individualität zum Ausdruck bringe und damit einer zeitlich befristeten Selbstdarstellung gleich komme. Tapete wird aber nicht isoliert betrachtet, sondern das Gesamtkonzept, ergab die Studie. Accessoires wie Kerzenhalter und Kissenbezüge würden gleichzeitig gekauft, damit alles zueinander passe. Matas sprach von einem "Wettkampf im schöner Wohnen".

Großen Wert legten die Befragten bei der Einrichtung auf Individualität. "Der Grat zwischen individuell und ,daneben’ ist allerdings schmal. Deshalb wird zur Absicherung nach Trends gesucht", erläuterte die Psychologin.

Doch nicht jede trendige Tapete, die dem Kunden gefalle, werde dann auch gekauft. "Manch ein Wunsch trifft auf Begrenzungen", weiß Matas und führte an, dass einige Wandbeläge nur in hellen Räumen wirken, andere für die Betreffenden zu teuer sind oder nicht zur Person passen. Dennoch gäben Trends Orientierung. Das Fazit der Psychologin: "Die Kaufentscheidung für eine Tapete beinhaltet eine Identifikation."

Reduktion auf wenige Trends

Damit zu den Wohntypen. Der Unbekümmerte entscheidet aus dem Bauch heraus. Er bevorzugt florale und figurative Muster, wobei nicht alles perfekt abgestimmt sein muss. Der Wilde und Kreative hat einen individuellen Geschmack. Er probiert gerne Wandgestaltungen aus, mit denen er auffallen kann. Ein Leben wie im Einrichtungskatalog schreckt ihn ab.

Ganz anders der prestigebewusste Typ: Er setzt seine Wände perfekt in Szene und lässt sich dies auch etwas kosten. Dagegen erweist sich der Pragmatiker als preisbewusst. Design ist ihm wichtig, spielt aber nicht die Hauptrolle. Stattdessen legt dieser Wohntyp mehr Wert auf Qualität und Funktionalität bei einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Matas servierte den Tapeten-Anbietern nicht nur die Ansprüche der vier Wohntypen, sondern gab ihnen auch Tipps für die Präsentation. Um die Tapetenauswahl zu vereinfachen, rät sie, die Zahl der Trend-Kategorien zu reduzieren, denen die Wandbeläge beispielsweise auf Webseiten zugeordnet werden. "Die vielen Kategorien verwirren nur", sagte sie. Die Unternehmen sollten sich ihrer Meinung nach auf Bekanntes wie Floral, Retro, Barock, Ornamente, Klassik und Streifen konzentrieren. Orientierung sei wichtig, sie müsse sich aber auf wenige Trend-Gruppen beschränken.

Spaß und Mut bei der Einrichtung

"Sich einrichten und die Wände tapezieren soll Spaß machen", meinte Designer Markus Benesch, der die Marke "Curious Boy" gegründet hat. Sein Markenzeichen sind neue Formen, innovative Technologien und Kombinationen bekannter Materialien. Inspirationen holt er sich unter anderem auf Flohmärkten, wie bei der für Rasch entworfenen Kollektion "Trendspots 1 und 2". Dafür zerschlug Benesch altes Porzellan und setze die Scherben wieder zusammen. Ein Produkt wird seiner Meinung nach erst interessant, wenn es eine Geschichte hat.

Insgesamt geht es dem Designer darum, mit der Tapete Kommunikation aufzubauen. Dies gelang ihm mit seinen Rauminstallationen "Colorflage" in Mailands Galleria Inter Nos sowie mit "Mind the Gap" und "Curious to the Max" für das Kulturreferat der Stadt München. Für seine Arbeiten hat sich Benesch, der sich als wilder und kreativer Tapetentyp outete, das Motto des Aktionskünstlers Wolfgang Flatz zu eigen gemacht: "Mut tut gut." In diesem Sinne appellierte er an die Gäste des Trend-Table: "Seien Sie mutig und denken Sie bei der Auswahl einer Tapete nicht so lange darüber nach, ob Ihnen das Design auch in zehn Jahren noch gefällt oder was Ihr Nachbar dazu sagen wird."

Mutig gibt sich auch die Einrichtungs-Bloggerszene, wie deren Vertreterin Ricarda Nieswandt deutlich machte. Ihre Mitstreiter hätten ein Faible für weiße Wände, meinte sie süffisant. "Denn diese sind dazu geeignet, etwas daraus zu machen." Zwar werde ein Zimmer nicht komplett tapeziert, aber Bilder und auch einzelne Tapetenbahnen an einer Wand böten reichlich individuelle Gestaltungsmöglichkeiten.

"Raufaser ist allerdings no-go", so Nieswand, die auf ihrem Blog "23qm Stil" unter anderem Ideen rund ums Einrichten sammelt. Als trendig bezeichnete sie Tapeten zur Akzentuierung, sanfte Töne, die Farbe Blau, geometrische Figuren und Natürlichkeit. Nieswandt empfahl jedoch, unabhängig vom Trend Tapeten auszuwählen, die zur Einrichtung passen.

DTI-Geschäftsführer Karsten Brandt machte darauf aufmerksam, dass sich die Einrichtungsbranche schon vor rund 60 Jahren mit der Frage beschäftigt habe, ob die Tapete den Charakter verändere und präsentierte eine entsprechende Anzeige aus einer Ausgabe der Tapetenzeitung der 1950er Jahre. Darin heißt es: "Und wenn die Ehe einmal müde wird - neue Tapeten lösen in munteren Farben neue Lebensfreude aus."

In diesem Sinne darf auch der Tapeten-Showroom verstanden werden, der seinen Besuchern immer wieder neue Anregungen gibt. Allerdings nicht mehr lange in den bekannten Räumen am Hamburger Ballinndamm. Die muss er nämlich aus Sanierungsgründen verlassen und sucht nun eine neue Bleibe in der Hansestadt. Der Ort für den Trend-Table im kommenden Jahr ist also derzeit noch offen.
aus BTH Heimtex 07/14 (Marketing)