Teleshopping-Sender QVC

Simulierter Fachhandel

Düsseldorf. Verkaufssender wie der Düsseldorfer Marktführer QVC besetzen eine Nische im Handel. Von vielen belächelt wächst das Teleshopping-Geschäft hierzulande kontinuierlich. Auch Bettwäsche, Bettwaren und Boxspringbetten finden in teils erheblicher Stückzahl über diesen Kanal ihre Kunden. Der Sender will mit guter Beratung und schnellem Service punkten und zielt vor allem auf Versender und Großflächen.

Fachhandel im Fernsehen: Geht das überhaupt? Beim deutschen Teleshopping-Marktführer QVC ist man davon überzeugt. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf hat sich unter den Top Ten der größten Versandhändler in Deutschland etabliert. Mit einem Marktanteil von über 50 Prozent steht QVC an der Spitze der deutschen Fernsehverkaufskanäle und wickelt im Schnitt 68.000 Anrufe täglich ab - Kundengespräche, aus denen sich jährlich 15 Millionen Paketsendungen ergeben. Mehr als 7 Millionen Kunden hat das Unternehmen in Deutschland nach eigenen Angaben, im vergangenen Jahr wurden 730 Mio. Euro umgesetzt, Tendenz steigend.

Kundentreue scheint dabei besonders wichtig zu sein, denn 70 Prozent der Umsätze werden mit nur 20 Prozent der Kunden generiert - ein stattlicher Wert. Das funktioniert, weil in den Verkaufssendungen das nachgestellt wird, was im stationären Handel idealerweise auch geschieht: persönliche Ansprache, fachkundige Beratung, Eingehen auf Kundenfragen. So versucht der Sender, auch via Bildschirm Bindung und Vertrauen zu schaffen.

Wenn bei QVC ein Produkt verkauft wird, steht dem Moderator der Sendung ein so genannter Produktexperte zur Seite. "Der ist im Teleshopping sehr, sehr wichtig", erläutert Verkaufsdirektor Ronald Käding. "Er simuliert gemeinsam mit dem Moderator ein Verkaufsgespräch. Dort werden viele Fragen gestellt, die auch der Kunde hat, und die richtigen Antworten gegeben, die der Kunde braucht."

So hat es der Shopping-Kanal seit 2010 nach eigenen Angaben geschafft, dass mehr als 10.000 Boxspringbetten abgesetzt wurden, ohne dass je ein Kunde vor dem Kauf darin gelegen hätte. Zwischen rund 2.000 und 5.000 Euro pro Stück liegen die Modelle, für QVC-Verhältnisse ein sehr hochpreisiges Produkt. Bei einer solchen Investition muss der Käufer schon ein gewisses Vertrauen mitbringen.

Auch bei Bettwäsche, Bettwaren und anderen Haustextilien funktioniert das Prinzip. "Wir haben den Vorteil, dass wir ins Wohnzimmer der Kunden gehen können und dort die Beratung wie im Fachgeschäft vornehmen, indem wir dem Kunden das Produkt erklären, nahebringen und ihn unterstützend mit Fühlproben abholen", erklärt Jeanette Lenski, Senior Managerin für den Bereich Heimtextilien.

Hinter jeder Marke steht ein Gesicht

Ganz ohne Haptik geht es also nicht. Prospekte mit Textilproben als Paketbeileger werden in sechsstelliger Auflagenhöhe an die Kunden verschickt - Sendetermin inklusive. Dort treffen Stammzuschauer dann wieder auf ihnen vertrautes Personal: "Wir haben hinter jede Marke ein Gesicht gesetzt, das der Kunde damit verbindet", so Lenski.

Verkaufsdirektor Käding betont, dass dies kein Selbstgänger sei: "Das Teleshopping ist sehr häufig nicht der rationale Kauf. Es steht niemand morgens auf uns sagt: Ich brauche eine Matratze! Wo ist meine Fernbedienung?" Der Bedarf will geweckt werden, zumindest darin unterscheidet sich QVC nicht von anderen Verkaufswegen. "Wir sind sicherlich noch Nische in einem sehr traditionellen Markt", so Käding. "Das Warenhaus ist 150 Jahre alt, das Internet 25, und Teleshopping ist gerade einmal 18 Jahre alt - und wir sind trotzdem schon sehr erfolgreich."

Der Verkaufsdirektor führt das unter anderem auf den Service von QVC zurück. "Bei uns ist die Abteilung Customer Focus der Anwalt des Kunden im Unternehmen, um sicherzustellen, dass der Kunde perfekt bedient wird", so Käding. Doch die Abteilung "Customer Focus" ist keine Erfindung des Verkaufsfernsehens. Es gibt sie - auch ohne modischen Anglizismus - im stationären Handel schon immer: gerade dort, wo es sich um inhabergeführte Fachgeschäfte handelt, in denen umfangreich beraten wird. Diese Läden sind für Käding auch nicht die wirklichen Mitbewerber: "Den Bettwaren Müller nehme ich da mal raus, das ist dort noch der Fall. Aber ich komme aus dem Warenhaus der 80er-Jahre. Da stand das Warenhaus noch für Bedienen und Beratung", so der Verkaufsdirektor.

Boxspring begeistert nicht alle Kunden

Als weiteren Vorteil nimmt QVC die Lieferschnelligkeit für sich in Anspruch: Innerhalb von zwei bis drei Tagen ist die Ware beim Kunden. Doch was bei Bettwäsche oder anderen Konsumgütern noch funktionieren mag, ist bei Boxspringbetten nicht möglich. Sie müssen individuell angefertigt werden, und die Kaufabwicklung geschieht längst nicht immer im Sinne des Kunden, wie Rückmeldungen auf der QVC-Homepage zeigen. Dort beschwerten sich in der Vergangenheit mehrfach Käufer über lange Lieferzeiten sowie mangelnde Flexibilität und zu wenig Kundenfreundlichkeit des ausliefernden Herstellers. "Wir haben eine direkte Kunden-Response. Das ist brutal schön, aber manchmal auch brutal hart", gibt Käding zu.

So klagt beispielsweise aktuell ein Bettenkäufer: "Die Lieferung ging leidlich gut, wenn auch die Spedition erst im zweiten Anlauf kam (zwei mal ein halber Urlaubstag). Aber das wunderbare Liegegefühl konnte ich nicht nachvollziehen." Und eine andere Kundin schildert: "Ich habe das Bett vor 16 Monaten bekommen und es roch sehr stark nach Chemikalien, ich habe gedacht, dass der Geruch nach einiger Zeit verschwindet dies ist aber nicht der Fall." Auch die Federung verursache ihr Rückenschmerzen: "Ich würde nie mehr ein Bett kaufen, das ich nicht vorher getestet habe und auch nicht mehr zurückgeben kann, das ist nämlich bei diesem Bett nicht möglich", schreibt sie. "Ich kaufe mein neues Bett jetzt im Fachhandel."

Jeannette Lenski hält dagegen: "Wir treffen die Fachauswahl und die Vorauswahl für den Kunden und sagen: Sei Dir sicher, dass wir das Beste aussuchen, das Du zu diesem Preis bekommen kannst. Schlaf drauf - und wenn wirklich etwas sein sollte, nehmen wir es zurück. Das ist unser Versprechen an den Kunden."

Um die weltweite Vorauswahl der gesamten Produktpalette von rund 18.000 QVC-Artikeln kümmern sich in Deutschland über 80 Mitarbeiter im Einkauf. Konkrete Umsatzzahlen für den Heimtextil-Bereich nennt das Unternehmen nicht, nur soviel lässt sich Verkaufsdirektor Käding entlocken: "Hard Goods sind bei uns mit über 40 Prozent Umsatzanteil ein maßgeblicher Treiber. Innerhalb der Hard Goods sind Bettwaren und Haustextilien ebenfalls ein sehr, sehr großer Treiber."

Mit Microfaser bewusst eine Nische besetzt

Maßgeblichen Anteil am stetig wachsenden Umsatz hat das Thema Microfaser. Während sich das Material aufgrund des schnellen Preisverhaus im Fachhandel nicht durchsetzen konnte, besetzt QVC bei der Bettwäsche ganz bewusst diese Nische abseits der marktbeherrschenden Baumwolle. Mit Namen wie Jerrymood oder Apricasa vertreibt das Unternehmen ausschließlich Eigenmarken. "Natürlich findet man ähnliche Qualitäten auf dem Markt. Aber niemand hat es so stringent positioniert mit einem klaren Anfang und einem klaren Ende der Saisons", erklärt Jeannette Lenski. "Sie können zum Beispiel eine Jerrymood-Ware im September nicht mehr bei uns kaufen, die gibt’s nur im Sommer. Mit der Winterware ist es genau so", erklärt sie.

Abschriften werden so vermieden - trotz großer Stückzahlen. "Eine der meistverkauften Bettwäschen ist an einem Tag 90.000 Mal verkauft worden", ergänzt Käding und glaubt: "Außer Aldi oder Lidl ist kaum einer in der Lage, diese tiefen Stückzahlen zu verkaufen." Und auch Jeannette Lenski kennt ihr Top-Produkt: "Das Unterbett ist seit 2002 einer unserer absoluten Bestseller, der seitdem nahezu unverändert verkauft wird. "Der Artikel wurde von uns entwickelt und wir können mit Stolz berichten, dass wir hiervon bisher knapp fünf Millionen Stück verkaufen konnten."

Auch bei Kissen und Zudecken setzt QVC auf Microfaser. "Wir haben die erste synthetische Daune im vergangenen Jahr gelaunched", beschreibt Lenski das, was unter dem Label "Goldwolke" bei QVC als Alternative zum preisintensiveren Naturprodukt vermarktet wird. "Wir haben uns gefragt: Was mag der Deutsche im Bett? Und können wir es realisieren, die Daune synthetisch herzustellen und damit auch ganz andere Preislagen zu treffen?" Konkret heißt das: Ein Set aus Decke und Kissen wird für rund 50 Euro verkauft - für viele Kunden ein Argument, aber für den Fachhandel keine wirkliche Konkurrenz. Denn dass sich diese Käufer abseits des Teleshoppings für eine Daunendecke entscheiden würden, darf bezweifelt werden. Und auch das Material ist mit dem Naturprodukt nicht zu vergleichen - auch hier geht es allein um den Preis.

Gleichwohl ist der stationäre Handel eine Messgröße für QVC. "Wenn überall Bettwäsche mit runden Kreisen liegt, dann sollten wir keine Bettwäsche mit runden Kreisen machen - die sieht der Kunde schon überall. Insofern ist der Handel für uns wichtig um zu prüfen: Gibts das schon? Hat das schon einer oder haben wir eine neue Story?", beschreibt Käding. "Wir müssen uns differenzieren. Nur das ist die Berechtigung, warum wir hier sind." Jeannette Lenski ergänzt: "Heimtextilien sind sehr Neukunden-affin. Das sind Produkte, die jeder braucht, und mit einem niedrigen Preis-einstieg prädestiniert dafür, dass man Teleshoppping einmal probiert."

Das ist beim Thema Boxspring schwieriger. "Da gibt es Betten für 699 Euro und solche für 10.000 Euro. Also eine Spanne, in der man ein gutes Angebot für sich finden muss", sagt Käding. Dass es sich um ein beratungsintensives Produkt handelt, sei aber eher ein Vorteil für das Teleshopping: "Wo sind sonst zwei Menschen, die eine Stunde lang aktiv ein Bett erklären? Ich glaube, dass ein guter Fachhandel das noch abdeckt, aber ganz viele andere eben nicht."

Der ideale Kunde nutzt TV und Internet

Die Zukunftsaussichten des Verkaufsfernsehens sieht der Verkaufsdirektor naturgemäß positiv. "Aber Handel ist Wandel. Der Markt bewegt sich unheimlich: es gibt ein anderes Sehverhalten, die Kunden werden durch Smartphones und Tablets mit ganz anderen Techniken bedient." Es könne also durchaus sein, so Käding, dass die klassischen Fernsehzuschauer weniger werden. "In die Karten spielen könnte uns aber, dass die Menschen, wenn sie älter werden, mehr fernsehen - und Deutschland wird älter."

Damit wächst die Zielgruppe - auch für den Bettenfachhandel. Der durchschnittliche Teleshopping-Kunde in Deutschland ist 52 Jahre alt, zu rund zwei Drittel (71 Prozent) weiblich. Zu 89 Prozent bestellen sie am liebsten telefonisch, mit Online-Bestellungen ist der überwiegende Teil aber ebenfalls vertraut. Wie selbstverständlich für nachwachsende Kundengenerationen der Kauf im stationären Geschäft bleibt und wie aufgeschlossen sie neuen Entwicklungen gegenüber stehen, kann jedoch niemand exakt vorhersagen. Prognosen trifft auch Käding nicht: "Fragen sie mal jemand, der vor 50 Jahren Telefonhäuschen gebaut hat, ob er zufrieden ist..."

Auch bei QVC entwickeln sich die Vertriebskanäle daher parallel. Der Internetkunde sei bei QVC im Schnitt zehn Jahre jünger als der klassische Teleshopper. Aber: "Der wertvollste Kunde ist für uns der Multichannel-Kunde, der beide Kanäle nutzt", so Käding.

Auf diesem Weg will der Sender auch in der Nische weiter wachsen. Bis 2016 sagen Prognosen auf dem deutschen Teleshopping-Markt ein jährliches Plus von 7 Prozent auf dann rund 2 Mrd. Euro Jahresumsatz voraus. QVC will hier seine Vormachtstellung halten, und Ronald Käding weiß, dass es da noch deutlich Luft nach oben gibt: "Wir erreichen fast hundert Prozent der Haushalte in Deutschland. Aber wir haben bisher nur einen Bruchteil davon als Kunden."


QVC in Kürze


QVC Deutschland
Standorte:
-Düsseldorf (Verwaltung und Sendebetrieb)
-Bochum und Kassel (Call Center)
-Hückelhoven (Distribution)

Outlet-Stores:
-Düsseldorf
-Hückelhoven
-Mühlheim-Kärlich

Mitarbeiter: 3.500
Kunden: 7,1 Mio.
TV Haushalte gesamt: 40,9 Mio.
Nettoumsatz 2013: 730 Mio. Euro
Ergebnis vor Steuern: 130 Mio. Euro
Anteil E-Commerce: 21,6 %

Abgewickelte Anrufe 2013: 25 Mio.
Durchschnittliche Anrufe pro Tag: 68.000
Verschickte Pakete 2013: 15 Mio.
Durschnittliche Pakete pro Tag: 43.000

QVC weltweit
Mitarbeiter: 17.000
Nettoumsatz 2013: 2,8 Mrd. USD
Ergebnis vor Steuern: 489 Mio. USD
aus Haustex 07/14 (Wirtschaft)