Eine kleine Orient-Warenkunde

Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?


Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?"mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.

Abrasch - Farbunterschiede in Teppichen


Warum wirken neue, perfekt gefertigte Knüpfteppiche häufig so leblos? Wahrscheinlich fehlt der Abrasch im Flor. Oft ist das Geheimnis einer warmen, lebendigen Ausstrahlung ein schöner Abrasch. Das Wort Abrasch kommt aus dem Arabischen und bedeutet wolkig, fleckig, meliert. Im Zusammenhang mit Teppichen heißt Abrasch, dass es innerhalb einer Farbe beabsichtigte oder unbeabsichtigte Hell-/Dunkelabweichungen, bzw. Abweichungen im Ton oder in der Sättigung gibt. Diese Farbabweichungen kommen beim Färbeprozess zustande. Unterschiedliche Faktoren können das Ergebnis beim Färben beeinflussen: die Zusammensetzung der Färbebäder, die Verweildauer der Wolle im Bad oder die Qualität und Menge der Teppichfasern pro Bad. Auch nimmt von Hand versponnene Wolle die Farbe unterschiedlich intensiv auf.

Besonders bei der von Nomaden gefärbten Wolle unterscheiden sich häufig die Farbtöne von Färbebad zu Färbebad stark. Die Knüpfer konnten mit diesem eigentlichen Mangel unterschiedlich umgehen. Manche ignorierten ihn einfach, und der fertige Teppich hatte Farbbrüche, die mehr oder wenig harmonisch wirkten. Erfahrene Knüpfer mischten die Knüpfwolle unterschiedlicher Färbebäder, so dass ein gleichmäßig melangierter Ton entstand. Andere Knüpfer wiederum arbeiteten mit den Farbnuancen und erzielten spannende Effekte. Heute wird in der industriellen Herstellung sowohl bei handgeknüpften als auch bei maschinengewebten Teppichen gerne ein natürlicher Abrasch simuliert, um den Teppich wertiger und lebhafter erscheinen zu lassen. Bei Nomaden- und Dorfteppichen ist ein Abrasch also kein Fehler, sondern ein gewünschter Effekt.

Rizbaft - Handelsbezeichnung für feine Gabbeh


Gabbeh ist nicht gleich Gabbeh. Im Laufe der Jahre kamen immer feinere Knüpfungen unter neuen Namen auf den Markt. So gibt es heute neben dem klassischen Gabbeh die Loribaft, Kaschghulibaft oder auch Rizbaft - allesamt Begriffe des modernen persischen Teppichhandels. Die angehängte persische Silbe "baft" bedeutet "geknüpft" und wird an Qualitäts- oder Stammesnamen angehängt. "Riz" oder "Ris" heißt "fein". Rizbaft ist letztlich eine Provenienzbezeichnung, die mehr als Gattungsname zu verstehen ist. Die Hochwert-Produktionen des Risbaft werden überwiegend mit handgesponnener und naturgefärbter Wolle geknüpft. Die Kett- und Schussgarne für das Wollgrundgewebe sind der größeren Festigkeit wegen jedoch häufig auf Maschinen gesponnen. Die Knüpfdichten dieser Teppiche reichen bis gut über 200.000 Knoten/m2.

Mit Gabbeh war anfangs ein nomadischer, langfloriger Wollteppich mit dicken Knoten und einfachen Mustern aus Südpersien gemeint. Gabbeh bedeutet wahrscheinlich soviel wie "ungeschoren" und war im Sprachgebrauch der südpersischen Teppichbranche eine möglicherweise sogar abfällig gemeinte Bezeichnung für grobe Knüpfungen des Fars-Gebietes. Diese von den Nomadenstämmen der Luren und Gashgai hergestellten Teppiche wurden erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts im Teppichhandel populär.

Lori Pambak - Kaukasische Teppichprovenienz


Im Südwestkaukasus etwa 80 km nordwestlich des Sewan-Sees liegt Lori-Pambak. Der Ort in der Kazak-Region im heutigen Armenien hat einer Teppichgruppe den Namen gegeben. Laut Doris Eder deutet "Lori" darauf in, dass es neben den Armeniern auch einen bedeutenden Bevölkerungsanteil von Luren (Lori) gibt. Es gibt Vermutungen, dass die Luren die Schöpfer der Teppiche sind. Eine andere Theorie besagt: Da es in der Region um Kars/Türkei ähnliche Teppiche gibt, müssen die Knüpfer also einmal aus der Türkei in den Südwestkaukasus eingewandert sein. In dem Buch "Azerbaidjanisch-Kaukasische Teppiche" von Azadi, Kerimov und Zollinger wird die Provinienz unter dem Namen "Lembeli" geführt. Die Teppiche dieser Provenienz zeichnen sich durch einen hohen, glänzenden, fleischigen Flor aus. Die Farbigkeit ist klar und reduziert.

Das typische Hauptmotiv ist die - häufig grüne - Kreuzblüte. Sie füllt meist ein elfenbeinfarbenes achteckiges Medaillon. Das Lori-Pambak-Design ist eines der prägnantesten klassischen Designs der kaukasischen Teppiche. Diese Kreuzblüte wird bei Dreimedaillonteppichen meist nur in der Mitte, seltener auch für die äußeren beiden Medaillons eingesetzt. Das Motiv erinnert an zwei gegenüberliegende Tulpen, die aus einer tierfellartigen Umrissform heraus wachsen. Dieses Durchdringen von Motiven pflanzlichen und tierischen Ursprungs ist verbreitet bei kaukasischen Teppichen. Sie lässt viel Raum für Spekulationen über die Herkunft und die Bedeutung. Eine weitverbreitete Meinung ist, dass das Kreuzblüten-Design sich aus einem heraldischen (Wappen-) Motiv entwickelt hat, ähnlich dem turkmenischen Göl. Wie bei den Göls sollen Tierformen das Oktogon ausgefüllt haben, die im Laufe der Zeit immer weiter abstrahiert worden sind. Aus der Lori-Pambak-Region kommen neuerdings wieder kleine Mengen an Teppichen auf den Markt.

Poschti - Kleines persisches Teppichformat


In jedem besseren persischen Haushalt werden bzw. wurden Poschti benutzt. Diese kleinen Teppiche bilden die Vorderseite der Kissen, die den Rücken beim Anlehnen an die Wand polsterten, wenn Familie und Freunde im otagh-e-paziraei (eine Art Empfangs-/Wohnzimmer) auf einem großen Teppich zusammen saßen. Häufig gibt es Paare mit demselben Design. Rückenkissen heißt auf Persisch Poschti. Unmengen müssen davon hergestellt worden sein. Um so erstaunlicher, dass antike Stücke in Sammlerkreisen bei weitem nicht so bekannt sind wie andere kleine Knüpformate, etwa Taschen oder Schmuckbehänge. Ein Poschti ist zu unterscheiden vom Yastik (Türkisch für Kissen) und von den unterschiedlichsten Taschenformaten, wie zum Beispiel den persischen Chanteh oder den turkmenischen Tschowal, Torba oder Mafrash.

Im Zusammenhang mit heute gehandelten Teppichen bezeichnet Poschti ein sehr kleines, meist deutlich rechteckiges Format von etwa 50 x 80 cm bis 60 x 90 cm, seltener auch Quadrate. Im Teppichhandel hat der Poschti vor allem als günstige Aktionsware eine Bedeutung. Besonders in der Hochzeit des klassischen Orientteppichs wurden containerweise recht grob geknüpfte Poschtis als Autoteppich oder Fußabtreter verkauft.
aus Carpet Magazin 03/14 (Teppiche)