Egger Retail Products: Interview mit Stefan Pletzer, Leiter Vertrieb/Marketing

Wachstumspotenzial auch im Holzhandel entdeckt


"2014 erwarten wir kein Wachstum im westeuropäischen Fußbodenmarkt und auch kaum weitere Verschiebungen zwischen den Fußboden-Typen", sagt Stefan Pletzer, Leiter Vertrieb/Marketing bei Egger Retail Products. In Anbetracht der Stagnation gelte es, die Anwendungsbereiche der Produkte zu erweitern und neue Absatzwege zu finden. Dabei peilt das Unternehmen mit seinen Laminat- und Korkböden neben dem Objektbereich auch den Holzhandel an.

ParkettMagazin: Herr Pletzer, wie schätzen Sie den aktuellen Laminatbodenverbrauch in Europa ein?

Stefan Pletzer: Wir schätzen den Markt für Laminatboden in Westeuropa ohne die Türkei, die sonst von der EPLF zu Westeuropa gezählt wird, auf ca. 220 Mio. m2.

PM: Und Ihre aktuelle Beurteilung der Marktsituation?

Pletzer: Im zu Ende gehenden Jahr erwarten wir kein Wachstum im westeuropäischen Fußbodenmarkt und auch kaum weitere Verschiebungen zwischen den Fußboden-Typen. Die Wohnungsbau- und Renoviertätigkeit ist allgemein gering. Bis 2016 müssen wir sogar mit einer leicht rückläufigen Tendenz des Gesamtbodenmarktes rechnen. Der Laminatbodenverbrauch im Westeuropa wird sich mittelfristig bei ca. 200 Mio. m2 pro Jahr einpendeln.

PM: Wie reagiert der Hersteller Egger auf diese Prognose?

Pletzer: Wir passen unsere Strategie an die zu erwartenden Marktanforderungen an. Mengenwachstum kann und wird nicht mehr der überwiegende Treiber sein, sondern vielmehr die nachhaltige Wirtschaftlichkeit im gesamten Wertschöpfungsprozess bis hin zum Endverbraucher. Damit meine ich, dass wir uns nicht nur für unseren eigenen wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich fühlen, sondern auch eine bestimmte Verantwortung für den Erfolg unserer Partner tragen. Darauf richten wir unsere Strategie aus. Darüber hinaus gibt es auch in einem stagnierenden Markt viele Möglichkeiten, die Anwendungsbereiche unserer Produkte zu erweitern und neue Absatzwege zu finden. Die Innovationsgeschwindigkeit wird steigen und die Anforderungen in den Absatzwegen und Regionen werden immer individueller. Darauf werden wir uns einstellen.

PM: Was bedeutet das für die Produktionskapazitäten der Fußbodenwerke in Wismar und in Brilon?

Pletzer: Auch in unseren Werken müssen wir uns auf geänderte Markterfordernisse einstellen. Den individuellen Anforderungen unserer Kunden treten wir mit mehr Flexibilität in der Produktion und einem deutlich optimierten Logistikprozess entgegen. Das bedeutet vielleicht etwas weniger Menge, am Ende des Tages aber eine höhere Wertschöpfung. Das bedeutet auch, dass wir uns aus einigen nicht nachhaltig wirtschaftlichen Geschäften zurückziehen werden bzw. es bereits getan haben.

PM: Stehen auch Standorte zur Disposition?

Pletzer: Nein, ganz im Gegenteil. Wie Ulrich Bühler, Leiter Vertrieb/Marketing der Egger Gruppe, im Rahmen der Pressekonferenz im September ausführte, halten wir ständig Ausschau nach neuen Möglichkeiten, die sowohl gute Rohstoffversorgung wie auch logistische Nähe zum Kunden bieten. Das ist in unseren Fußbodenwerken in Wismar und in Brilon der Fall. Derzeit liegt der Fokus unserer Produktion in Westeuropa, denn hier erwirtschaften wir 70 % unseres Umsatzvolumens.

PM: Aber der Osten holt auf?

Pletzer: Ja, die Fußbodenmärkte in Osteuropa, Russland und der Türkei werden bis 2020 deutlich wachsen. Zwar ist die Entwicklung schwer berechenbar, wie wir es derzeit ja hautnah erleben, der mittelfristige Trend zeigt aber eindeutig nach oben. Das Wachstum wird jedoch nicht mehr explosionsartig erfolgen, wie es vor einigen Jahren der Fall war, sondern langsamer und dafür nachhaltiger. Wir sind in all diesen Märkten sehr gut positioniert und haben eine tragfähige Infrastruktur. Darum werden auch wir langfristig am Wachstum dieser Märkte teilhaben.

PM: In den vergangenen zwei Jahren gab es unserer Information nach keinen Aufschwung im Osten.

Pletzer: Das ist richtig. Osteuropäische Märkte reagieren sensibler auf Krisen und politische Einflüsse. Doch unsere positive Einschätzung basiert auf makroökonomischen Faktoren. Die Türkei und Russland erfahren gerade eine massive Urbanisierung, die den Neubau- sowie den Renovierungsbedarf rasant erhöht. Aufgrund der aktuellen Krisensituation werden zwar Projekte in diesen Regionen zurückgestellt, aber der Wohnungsbedarf ist und bleibt sehr groß.

PM: Egger macht nach eigenen Angaben auch in Asien gute Geschäfte. Wie schafft man das bei den dort vorhandenen großen Laminatbodenkapazitäten?

Pletzer: In der Breite hätten wir in China gegen die lokalen Hersteller keine Chance. Aber als Importeur verfolgen wir eine spezielle Kundenstrategie und punkten mit Qualität "Made in Germany". Das hat, speziell in China, einen sehr hohen Stellenwert. Darüber hinaus bieten wir Produktentwicklungen und Vertriebskonzepte, die uns klar von lokalen Herstellern abgrenzen. Bei dem riesigen Laminatbodenverbrauch in China bleiben durchaus ein paar Millionen Quadratmeter für ausländische Qualitätsprodukte übrig. Und da wollen wir mit dabei sein.

PM: Warum will sich Egger nicht am Vinyl-Boom beteiligen?

Pletzer: Egger hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben und sogenannte Designbeläge können diesem Bekenntnis nicht in dem von uns geforderten Umfang Rechnung tragen. Wir sind überzeugt, dass dieser Markt kurzfristig von voll integrierten Spezialisten gestaltet wird. Unsere Kernkompetenz liegt in der Veredelung von Holzwerkstoffen - und da gehören Designbeläge nicht dazu, zumal sie immer weniger auf HDF-Trägerplatten angeboten werden.

PM: Aber Sie werden doch irgendetwas in der Entwicklung haben, oder?

Pletzer: Ja. Unser Cork+ ist das ökologische Produkt für warme, weiche, leise und widerstandsfähige Fußböden im Wohnbereich. Wir glauben, dass es mittelfristig auch möglich sein wird, mit anderen Oberflächenmaterialien gleiche oder bessere Ergebnisse zu erzielen.

PM: Muss ein Unternehmen wie Egger ständig wachsen oder kann es mit einem stagnierenden Markt zufrieden sein?

Pletzer: Stillstand ist Rückschritt. Dieses Sprichwort gilt auch heute noch zu einem gewissen Grad. Ein gewisser Marktanteil ist notwendig, um marktgestaltend wirken zu können. Das funktioniert aus einer Nischenposition heraus nicht. Wir haben ca. 15 % Marktanteil in Europa, und damit sind wir in einer Position, wo wir durchaus in der Lage sind, Märkte mitzugestalten. Diese Position werden wir beibehalten und, wo es sinnvoll ist, weiter ausbauen.

PM: Wo werden die von Egger angekündigten 16 Architektenberater tätig sein?

Pletzer: Wir betreiben schon seit Jahren gezielte Architektenarbeit in allen wesentlichen europäischen Ländern. Diese Strategie ist im Bereich Möbel und Innenausbau sehr erfolgreich. Zukünftig werden wir in diese Infrastruktur auch unsere Fußböden integrieren. Es handelt sich also um bereits bei Egger tätige Mitarbeiter. Dieses Team werden wir in der einen oder anderen Region noch verstärken. Für den Bereich Fußboden werden wir uns auf eine Gruppe von Architekten konzentrieren, die sich speziell mit der Planung und Ausführung von Projekten im Retail- und Hotelbereich beschäftigt.

PM: Warum ist Egger wenig bis gar nicht im deutschen Holzgroßhandel vertreten?

Pletzer: Unser Fokus lag bisher mehr beim Bodenbelagsgroßhandel. Dort sind wir sehr gut vertreten und platziert, zum Beispiel schon seit mehr als 15 Jahren bei der Copa. Aber auch international sind wir bei allen wichtigen Großhandelsorganisationen im Bereich Bodenbeläge vertreten. Mit der neuen Egger-Laminatbodenkollektion sehen wir aber auch im Holzhandel Potenzial und werden uns in dieser Zielgruppe verstärkt engagieren.

PM: Warum hat Egger seinem Fußboden nur noch einen Markennamen verordnet?

Pletzer: Mit dem Verzicht auf einen zusätzlichen Kollektionsnamen für unser Großhandelssortiment stellen wir die Stärke der Marke Egger in den Vordergrund. Die Marke Egger steht seit Jahrzehnten für Qualität, Menschlichkeit und Perspektive, aber auch für Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung. Das alles sind Markenwerte und Markenattribute, die in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern immer mehr an Bedeutung gewinnen.

PM: Eine Ausnahme bildet die DIY-Schiene, die weiterhin mit der Marke Mega-floor beliefert wird. Wie bewerten Sie dort die Zukunft?

Pletzer: Der DIY-Bereich wird sich rasant verändern. Ein weiteres Wachstum dieses Vertriebskanals wird kaum mehr über den stationären Handel möglich sein, sondern verlagert sich mehr und mehr auf virtuelle Plattformen. Darauf muss und wird sich die DIY-Branche einstellen. Und auch die Industrie muss dieser Entwicklung Rechnung tragen.

PM: Ist Zertifizierung für Holzwerkstoff-Produkte ein Thema? Fragt der Handel danach?

Pletzer: Wir haben selbstverständlich alle wichtigen und notwendigen Zertifizierungen für unsere Produkte. Was dem Handel jedoch mehr hilft, sind Zertifikate bzw. Gütesiegel, die der Endverbraucher kennt und denen er vertraut. Ein solches ist z.B. der Blaue Engel. Dieses Gütesiegel halten wir für alle unsere Kollektionen.

PM: Wie sieht es mit der Dekorvielfalt aus. Ist alles Eiche?

Pletzer: Rustikalität, transportiert über viele Eiche-Varianten, ist noch immer das Top-Thema. Grundsätzlich geht es jedoch um Authentizität, also die perfekte Harmonie zwischen Dekor und Oberfläche. Viele Entwicklungen werden danach ausgerichtet, man denke nur an die neuen Formate wie Large, Long oder Kingsize. Daneben entwickelt sich ein Trend, den wir Vintage oder Second Use nennen. Der Wert des Gebrauchten wird neu entdeckt und in den Wohnräumen inszeniert. Auch elegantere Dekore bekommen wieder mehr Akzeptanz und werden verstärkt nachgefragt.

PM: Wie gestaltet Egger seine Dekorentwicklung?

Pletzer: Unsere Entwicklungen werden vom Geschmack des Endverbrauchers bestimmt. Dessen Wünsche zu erkennen und in zukunftsorientierte Produktentwicklung zu integrieren, ist die wichtigste Herausforderung. Dafür arbeiten wir mit internen Teams und externen Partnern europaweit zusammen, die sich jedoch auch von anderen Branchen, z.B. der Automobilindustrie, inspirieren und entwickeln daraus trendige Produkte. Innerhalb der Egger-Gruppe haben wir sehr großes Synergiepotenzial im Bereich der Dekor- und Oberflächenentwicklung. Boden- und Einrichtungstrends hängen eng zusammen - das machen wir uns zunutze.

PM: Wo sehen Sie außerhalb des Produktes Entwicklungsmöglichkeiten?

Pletzer: Durch die stetig steigenden Anforderungen der Endverbraucher steigt auch die Komplexität massiv an. Perfekt passende Produkte sind eine Grundvoraussetzung allein aber nicht genug. Die Leistungsvielfalt rund um das Produkt wird immer wichtiger. Die Kommunikation, die Visualisierung, die Serviceleistungen, aber auch vordergründig banale Anforderungen wie eine optimale Logistik oder möglichst wenig Kapitalbindung für unsere Partner. Der gesamte Prozess von der Produktentwicklung bis zum verlegten Boden muss optimal funktionieren, damit er am Ende für alle Beteiligten auch wirtschaftlich ist.

PM: Sind das nicht Aufgaben, die der Handel selbst lösen müsste?

Pletzer: Nicht nur. Der Handel hat eine wesentliche Funktion, die durch die Industrie nicht zu ersetzen ist, nämlich das Zusammenführen von verschiedenen Produktgruppen und das punktgenaue Erfüllen der Anforderungen seiner Kunden. Das bedeutet, dass er durch das große Produktportfolio, das er vorhalten muss, riesige Artikelmengen zu bewegen hat. Also sucht er nach Möglichkeiten, den Weg zum Endverbraucher zu verkürzen und Kosten aus dem Prozess herauszunehmen. Auch mit dem Thema Service werden sich der Handel und Verarbeiter künftig noch intensiver auseinandersetzen. Dafür bieten wir passende Lösungen rund um unsere Produkte an, beispielsweise das Virtuelle Designstudio (VDS) oder unser Profiprogramm für Handwerker - alles Dinge, die am Ende den Prozess und die Entscheidungsgrundlage für den Konsumenten und Verarbeiter einfacher machen. In stagnierenden Märkten wird ausschlaggebend sein, wer in diesen Dingen ein gutes Angebot hat.

PM: Wie schätzen Sie die Preisentwicklung im Laminatboden ein?

Pletzer: Laminatboden hat sich in den letzten Jahren optisch und haptisch deutlich weiterentwickelt. Das war auch notwendig, um unsere Produkte für den Endverbraucher wieder attraktiver und damit wertiger zu machen - und das ist eindeutig der Fall. Der Endverbraucher ist bereit, für ein schönes Produkt auch einen entsprechenden Preis zu bezahlen. Daher bin ich überzeugt, dass der durchschnittliche Preis für Laminatboden steigen wird. Die Zeiten, als Laminat zu Billigstpreisen als Frequenzbringer genutzt wurde, nähern sich ihrem Ende. Immer weniger Endverbraucher akzeptieren ein optisch nicht so attraktives Produkt nur wegen seines Preises. Diese Erkenntnis kommt Schritt für Schritt auch bei der Industrie und beim Handel an.
aus Parkett im Holzhandel 06/14 (Wirtschaft)