Domotex+BAU Bodenbeläge

Die Vertriebskanäle wachsen zusammen

Domotex: verhalten. BAU: dynamisch. So unterschiedlich war die Stimmung auf den beiden wichtigsten Messen für textile und elastische Bodenbeläge. Aber es gab auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Erstens: Die Erkenntnis, dass sich die Vertriebsstrukturen verändern, weil die Grenzen zwischen den einzelnen Kanälen immer fließender werden. Zweitens: Die Modularität als prägendes Merkmal der Belägen im Jahr 2015. Und Drittens: Es herrscht Optimismus aufgrund der guten konjunkturellen Rahmenbedingungen und der vielen neuen Produkte. Dazu gehören immer authentischere Vinyl-Oberfächen, vollkommen klebstofffrei zu verlegende Designbeläge/LVT und solche mit dünneren Nutzschichtstärken. Bei Teppichböden liegen im Objekt Flachgewebe als "textiler Hartbelag" sowie im Wohnbereich besonders weiche und wohnliche Velours-Qualitäten im Trend. | Jochen Lange berichtet über textile und elastische Bodenbeläge

Unterschiedlicher hätte die Stimmung zum Auftakt des Jahres nicht sein können auf den beiden wichtigsten Messen für textile und elastische Bodenbeläge: Auf der Domotex in Hannover wollte einfach keine rege Betriebsamkeit einsetzen. In München auf der BAU zeigten sich hingegen alle begeistert von den vollen Hallen und Ständen. "Gigantisch", "sensationell", "immer wertvoller" sind nur einige der Kommentare.

Beherrschendes Thema auf der Domotex war der überraschende Verkauf von IVC an Mohawk, den weltweit größten Bodenbelagshersteller. Bei der Schwindel erregenden Höhe des Kaufpreises von umgerechnet 1Mrd.EUR lief manch Branchenbeobachter ein kalter Schauer über den Rücken. Wen verleiben sich die Amerikaner als nächsten ein? IVC-Geschäftsführer Jan Vergote beruhigte indes seine Kunden: Erst einmal bleibe alles wie bisher. Man behalte als Geschäftseinheit die Eigenständigkeit. Er verwies auf das Beispiel Unilin: Der Hersteller gehört seit neun Jahren zu Mohawk, ist stabil und kann im Alltagsgeschäft relativ autonom auf europäische Art und Weise agieren.

IVC und Armstrong sorgen für Gesprächsstoff

Das konnte Armstrong DLW nie so richtig seit der Übernahme durch den amerikanischen Bodenbelagskonzern Armstrong vor 15 Jahren. Die Diskussion über die Zukunftsaussichten des Herstellers nach dem Insolvenzantrag Mitte Dezember zog sich wie ein roter Faden durch viele Gespräche auf der BAU. Wie schon einige US-Unternehmen zuvor, hatte auch Armstrong versucht, seine europäische Tochter DLW nach amerikanischen Management- und Geschäftsmethoden sowie Renditeerwartungen zu führen. Viele Verluste später steht man jetzt vor dem Scherbenhaufen. Die große Anzahl von zwölf ernsthaften Kaufinteressenten zeugt aber von der Qualität des Unternehmens: Das brandneue modulare Linoleum-Produkt Naturecore ist das beste Beispiel. Ein Käufer soll bis Ende März/ Anfang April gefunden sein.

Aber egal ob im Norden auf der Domotex oder im Süden auf der BAU: Optimismus strömte allerorts durch die Messehallen. Denn einerseits haben viele Hersteller ein ökonomisch solides bis gutes Jahr hinter sich. Dank guter konjunktureller Prognosen in Bezug auf Bautätigkeit, Renovierungsaktivitäten im Bestand und der realen Kaufkraft könnte das 2015 auch so weiter gehen.

Andererseits beweisen die Firmen einmal mehr, dass sie marktgerechte Produkte und zukunftsfähige Vermarktungskonzepte bieten. Im boomenden LVT-/Designbelagsmarkt übertrifft man sich mit immer authentischeren Oberflächen. Die Dekore sind extra matt, hell, aber nicht noch rustikaler geworden. Fester Bestandteil im LVT-Sortiment sind mittlerweile Looselay-Produkte. Über deren Marktchancen ist man sich noch nicht so recht einig. Ein Must-have sind sie momentan aber so oder so.

Modulares Linoleum vorgestellt

Generell sind LVT zur Installation gänzlich ohne Klebstoffe - also schwimmend oder lose verlegt - im Kommen. Selbst Verfechter der Dryback-Ausführung wie Amtico und Project Floors führen mittlerweile eine Klick-Variante bzw. verlieren die Berührungsangst gegenüber diesem Thema. Weitere Entwicklungen bei Designbelägen: Produkte mit einer mittleren Nutzschichtstärke von 0,4 mm, die zugleich für den gehobenen Wohnbereich und das Semi-Objekt geeignet sind, spielen eine größere Rolle. Die Fliesen-Formate werden immer größer und als Alternative zu keramischen Produkten in Bad und Küche vermarktet.

Den Trend zur Modularität nutzen 2015 - wenn auch unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen - die beiden Linoleumhersteller Forbo und Armstrong DLW, um das mit andauernder Absatzschwäche kämpfende Produkt wieder marktfähiger zu machen. Beide positionieren ihr modulares Linoleum als "nachhaltige Alternative zu Designbelägen". Die Dekore von Forbos Kollektion "Marmoleum Modular", die bereits in der Auslieferung ist, geben der Serie einen Linoleum-Charakter und werden in vielfältigen Planken- und Fliesenformaten angeboten. Dem modularen und digital bedruckten Produkt "Naturcore" von Armstrong DLW ist nicht mehr anzusehen, dass es im Kern Linoleum ist. Der Begriff wird in der Vermarktung nur zurückhaltend gebraucht. Die Neuheit soll frühestens im Sommer auf den Markt kommen.

Die Teppichbodenindustrie beweist Anfang 2015 erneut ihre Flexibilität. Die Anbieter setzen im Objekt auf zwei Themen: Flachgewebe sowie Lärm-mindernde Produkte. Mit den Flachgeweben, für die Web-Spezialist Anker jetzt die neue Produktkategorie "Textilhartbelag" eröffnet, kommen die Hersteller dem Wunsch von Objektentscheidern nach, die textilen Vorteile von Teppichböden mit modernen, puristischen sowie betonartigen Hightech-Optiken zu verbinden.

Akustik im Objekt ein Thema für Teppichboden

Ob Flachgewebe oder üppigere Velours: Alle Teppichboden-Anbieter, die im Objektmarkt tätig sind, messen dem Thema Akustik immer mehr Bedeutung bei. Das war auf der BAU besonders augenfällig. Das Angebot reicht von speziellen Rückenkonstruktionen bis zum Komplett-System CAS von Carpet Concept. Der Produzent arbeitet mit Herstellern aus anderen Branchen zusammen und bietet aus einer Hand Wand- und Deckenpaneele, Lärm-schluckende Textilbespannungen sowie ganze modulare und mobile Räume zur Integration in Großraumbüros.

Hersteller textiler Bodenbeläge für den Wohnbereich setzen 2015 hingegen weiter auf superweiche, dichte Velours. Sie versprechen neben dem Wohlfühleffekt auch hohe Fleckenbeständigkeit und leichte Reinigung durch neue Polyester- und Polypropylengarne. Erste nachhaltige Erfolge beim Versuch, dem Teppichboden zu einer Renaissance zu verhelfen, hat Associated Weavers. Die Belgier, die auch im fünften Jahr in Folge auf emotionale Werbung setzen und einen weiteren, sehr gelungenen Teppichboden-Clip für das Internet vorstellten, verzeichneten 2014 einen Umsatzsprung von 10 %.

Viel Engagement für die selbe Sache zeigten erneut die Initiatoren der Kampagne "Teppich & Du". Das Copa-Team um Manfred Birkenstock und Katharina Pas war auf der Heimtextil, der Domotex und der BAU vertreten. Auch sie haben einen neuen Teppichboden-Spot: "Mach’s Dir gemütlich - mit Teppichboden." - zu finden bei Youtube. Der Werbemittel-Shop ist jetzt online. Außerdem haben sich mittlerweile mehr als 1.000 Teppichboden-Fachhändler für die Händler-Suche auf teppich-und-du.eu registriert.

Die BAU zieht neue Besuchergruppen an

Noch einmal zurück zur unterschiedlichen Atmosphäre auf BAU und Domotex. Die Stimmung ist in München auch deswegen besser, weil man in der bayerischen Landeshauptstadt mittlerweile nicht nur Architekten, bekannte Objektentscheider aus vielen Segmenten sowie Profi-Verarbeiter und Objekteure trifft. Die Besucherstruktur wird internationaler, umfasst den Fach- und Großhandel (Bodenbeläge, Holz sowie Baustoff), die Kooperationen, die Einkäufer der Großfläche und auch diejenigen Bezieher von Bodenbelägen und Verlegewerkstoffen, die bisher oftmals unter dem Radar von Industrie, Groß- und Fachhandel agierten. Das sind etwa Facility-Manager, kleine Firmen, die Hausmeisterdienste anbieten, oder die vielen Ein-Mann-Betriebe, die unter anderem auch Bodenbeläge verlegen.

"Die BAU spiegelt mit ihrer Besucherstruktur in beeindruckender Art und Weise wieder, wie heterogen unsere Branche in den vergangenen Jahren geworden ist im Hinblick auf die Abnehmer- und damit auch auf die Vertriebsstruktur", bilanzierte Großhändler Dr. Frank Steffel. Vor allem das Internet führe zu immer mehr Schnittstellen, also Transparenz, in der herkömmlichen Wertschöpfungskette. Niemand könne heute sagen, wo diese großen Veränderungen hinführen.

Die traditionelle Vertriebsstrategie von Industrie und Großhandel sieht sich auch von anderer Seite unter Druck. Wo früher horizontal klare Grenzen bestanden, beispielsweise zwischen der Vermarktung in Holzhandel- und Bodenbelagsgroßhandel sowie über Architekten im Objekt, werden diese 2015 immer fließender. Das hat auch mit dem Siegeszug der LVT zu tun. Noch vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein Holzhändler "dieses Plastik" in seiner Ausstellung zeigt. Heute reißen sich die Hölzernen darum. Und der nächste Schritt wird schon vorbereitet: CV für den Holzhandel.

Beste Beispiele für diese horizontale Vertriebs-Verzahnung sind die Beaulieu-Gruppe und Tarkett. Die Belgier haben schon vor zwei Jahren damit angefangen, die Arbeit ihres Außendienstes nicht nach Vertriebskanälen, sondern nach Produkten auszurichten. Heute gibt es nur noch die beiden Bereiche "harte und weiche Bodenbeläge".

Tilo Höbel, Nachfolger von Albert Waibel bei Tarkett in den D/A/CH-Märkten, wurde eigens engagiert mit der Aufgabenstellung, die Vertriebskanäle stärker zusammenzubringen. In Zukunft soll es anstelle der Mannschaften für Bodenbelagshandel, Holzhandel und das Objekt ein gemeinsames Team geben, dessen Mitglieder Schwerpunkte haben. Amorim verfährt schon heute ähnlich.

Parallel zur horizontalen Bewegung findet auch vertikal eine Veränderung im Vertrieb statt. Die Industrie geht dazu über, die einzelnen Marktsegmente wie Retail, Healthcare, Hotellerie oder Wohnungsbau intensiver in der Tiefe zu bearbeiten. Gerade in Bereichen, in denen der LVT-Wettbewerb scharf ist, haben diejenigen Hersteller einen Vorteil, deren Key Accounter das eigene Produkt in die Ausschreibung gebracht haben. Das schafft man, wenn man tief im Segment mit den Entscheidern vernetzt ist.
jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 02/15 (Wirtschaft)